Achtung, letzte Ausfahrt!

Benzinpreis Die FDP versucht, mit der Forderung nach einer erhöhten Pendlerpauschale zu punkten. Doch man könnte das Privileg für Umweltsünder auch grundsätzlich in Frage stellen

Fünf Mark für einen Liter Benzin im Laufe der nächsten zehn Jahre hatten die Grünen 1998 angekündigt. Was damals noch als ökodiktatorisches Horrorszenario erschien und den Grünen zwar nicht den Sprung in die Regierung vermasselt, aber doch reichlich Sympathien gekostet hat, rückt heute in realistische Nähe. Einige politische Wechselfälle noch, und der Benzinpreis wird die psychologisch wichtige Schmerzgrenze von zwei Euro überschreiten – mit freiem Drift nach oben.

Von diesem Auftrieb verspricht sich Philipp Rösler (FDP) Rettung in letzter Sekunde. Mit der Losung „freie Fahrt für freie Bürger“ sind die Frei­demokraten in ihrer Geschichte schon wiederholt ins Rennen gegangen, und auch wenn sich die Vorstellung von Freiheit und Abenteuer nicht unbedingt mit pendelnden Arbeitnehmern verbindet, so ist „Mobilität“ doch ein Schlüsselreiz. Wenn die Deutschen an Ostern ihr Gefährt stehen lassen, weniger Blechkolonnen über Betonschneisen rollen oder Pendler gar zu Bahn oder Bus wechseln, ist das Selbstverständnis der Autonation in Gefahr.

Mit der Forderung, die Pendlerpauschale zu erhöhen, setzt dieser ansonsten gefühlsarm waltende Parteivorsitzende auf populistische Instinkte. Wer jede Woche zwei oder drei Tankfüllungen verbrennt und in die Luft bläst, um die deutsche Wirtschaft am Laufen zu halten, wird sich ungerecht behandelt fühlen, wenn er in seiner Steuerklärung nur 30 Cent pro Kilometer veranschlagen darf. In der Tat: Auf seine Kosten kommt er dabei schon lange nicht mehr.

Auslaufmodell Auto

Doch man kann das staatliche Privileg für notorische Umweltsünder auch ganz grundsätzlich infrage stellen. Zum einen, weil von der Entfernungspauschale vor allem einkommensstarke Schichten profitieren, für die der Abzug an der Spitze des Steuersatzes so richtig spürbar wird. Eine gekündigte Schlecker-Verkäuferin auf dem Dorf, die, wenn sie Glück hat, einen neuen Job in der nächsten Kreisstadt findet, wird „öffentlich“ fahren; oder aber sie verdient viel zu wenig, als dass sich die Entlastung finanziell auswirkte. Singles mit einem Monatseinkommen von 6.000 Euro und einem Tachoumsatz von 240 Kilometer pro Tag würden dagegen jährlich 1.277 Euro sparen.

Vom Gerechtigkeitsaspekt einmal abgesehen, ist die Privilegierung der Autofahrer aber auch umweltpolitisch bizarr. Dass ausgerechnet Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) Rösler unterstützt, nur weil er sich davon ein paar Wählerstimmen in NRW verspricht, verspielt die letzten Glaubwürdigkeitsreserven dieser Regierung. Und auch Finanzminister Wolfgang Schäuble argumentiert ausschließlich fiskal, wenn er die Änderung der Pauschale ablehnt.

Die Grünen hatten mit dem politischen Benzinpreis einmal den Ausbau einer alternativen Verkehrsinfrastruktur im Blick. Das hätte möglicherweise nicht funktioniert. Doch zuerst eine exorbitante Benzinsteuer einzukassieren, um einen Teil davon an Besserverdiener zu verteilen, ist grober Unfug und wird sogar von Ökonomen verworfen. Statt das Auslaufmodell Auto – unabhängig vom Antriebssystem – weiter zu subventionieren, wäre der Benzinpreiskrieg endlich ein Anlass, das Warnschild auf der Betonsackgasse ernst zu nehmen: Achtung, letzte Ausfahrt!



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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

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