Berlins schillerndster Zaungast

Die Ausstellung »David Bowie is« wird die Geschichte einer Liebe zwischen Stadt und Künstler zeigen

  • Lesedauer: 5 Min.
Am 20. Mai kommt die Ausstellung »David Bowie is« in den Martin-Gropius-Bau nach Berlin. Kuratorin Christine Heidemann ist Kunsthistorikerin und hat den erweiterten Berlin-Teil der Schau kuratiert - in enger Zusammenarbeit mit dem Londoner Victoria and Albert Museum, das die Ausstellung derzeit auf Welttournee schickt. Bis zum 10. August sind im Gropius-Bau auch Exponate aus dem bisher streng gehüteten David Bowie Archive in New York zu sehen. Mit Christine Heidemann sprach Marlene Göring.

nd: Zwischen 1976 und 1979 hat David Bowie in Schöneberg gewohnt. Wieso ausgerechnet Berlin?
Heidemann: Zum einen wegen dem deutschen Expressionismus. Bowie hat sehr viel gemalt in der Zeit, die Auseinandersetzung mit der bildenden Kunst hat ihn sehr geprägt. Und auch, was geschichtlich danach kommt: die goldenen Zwanziger, die Bowie sehr fasziniert haben. Bowie hatte kurz vorher in Los Angeles den Schriftsteller Christopher Isherwood kennengelernt, der Ende der 1920er als Schwuler in Berlin lebte - weil er hier viel freier war als in London.

Außerdem hatte Bowie vorher eine extrem aufreibende Zeit in L. A. Wenn man ihn in der Dokumentation »Cracked Actor« aus dieser Zeit sieht, denkt man wirklich: »O mein Gott«! Er hat einen Ort gebraucht, an dem er sich erholen konnte. Er dachte wohl, dass Westberlin als eine Art Insel ruhig und entspannt ist. Natürlich hat Bowie auch die Subkultur interessiert. Aber in erster Linie ging es darum - er war damals schon ein Weltstar -, dass man sich hier relativ unerkannt und frei bewegen konnte. Und so war es auch.

Wie wichtig ist Berlin in der Ausstellung?
Berlin hatte schon vor der Erweiterung jetzt im Martin-Gropius-Bau einen großen Anteil. 1976 bis 1979 war eine Zeit, in der drei wichtige Alben entstanden sind. Im Victoria and Albert Museum gab es deswegen auch einen eigenen Raum, in dem man die Platten gesehen und viel über ihre Entstehungsgeschichte erfahren hat. Als klar war, dass die Ausstellung nach Berlin kommt, wollten die Veranstalter diesen Teil sofort erweitern. Viele Dinge gab es vorher in London nicht zu sehen. Aber das Neue verbindet sich sehr gut mit dem, was schon da war.

Was ist neu?
Worauf wir sehr stolz sind: »Roquairol« und das »Männerbildnis« von Erich Heckel aus dem Brücke-Museum, die sehr wichtig für Bowie waren. Gerade der deutsche Expressionismus war etwas, das Bowie nach Berlin gelockt hat. »Roquairol« steht auf dem Ölbild in einer ganz verdrehten Pose da - die hat Iggy Pop auf dem Albumcover von »The Idiot« nachgemacht, das Bowie gestaltet hat. Sehr verwandt in der Gestik sind auch das »Männerbildnis« und Bowies »Heroes«-Cover. Wir fügen noch anderes Material dazu, das diese visuellen Verknüpfungen sichtbar machen soll - die Herleitung von Bowies Bildwelt. Und dann natürlich der Briefwechsel zwischen Marlene Dietrich und Bowie.

Was verband die beiden?
Sie trafen sich bei den Dreharbeiten zu »Schöner Gigolo, armer Gigolo« - Marlene Dietrichs letztem Film. Und sie fanden sich richtig gut. Ich fand in der Marlene-Dietrich-Sammlung eine Menge Artikel über Bowie, die sie aus Illustrierten ausgerissen und teilweise am Rand noch kommentiert hat. Genauso war Bowie ein Bewunderer von Marlene Dietrich. In ihren Briefen kommt die gegenseitige Anerkennung zum Ausdruck. Sie wollten sich immer einmal wiedertreffen - leider hat das nie geklappt.

Lassen sich bei einer so schillernden Figur wie Bowie Mythos und Fakt überhaupt auseinanderhalten?
Man darf schon keinen Quatsch erzählen (lacht). Zum einen schreibt Bowie von Anfang an fleißig an seiner eigenen Mythenbildung mit. Er tut das sehr chamäleonartig, und das verwirrt: Er führt die Leute ein bisschen an der Nase rum. Das war tatsächlich eine Herausforderung. Dann gibt es tausend Leute, die Bowie irgendwann in Berlin getroffen haben und denken, alles über ihn zu wissen. Bestimmte Legenden werden immer wieder erzählt. Ob die wahr sind oder nicht, ist vielleicht gar nicht so wichtig. Aber wir wollten uns da zurückhalten. Also haben wir bewusst darauf verzichtet, O-Töne von Leuten einzubauen, die ihm hier begegnet sind. Auf eine Art ist es langweilig, dieselben Legenden immer wieder zu erzählen. Auch ohne sie ist das Material spannend genug.

Zum Beispiel?
Orte, Menschen und Ereignisse, die für Bowie hier wichtig waren. Ich wollte, dass die Besucher die Ausstellung verbinden können mit der Stadt von damals und dem, was heute noch zu sehen ist. Gerade im Gropius-Bau, so nahe am Potsdamer Platz und den Hansa Studios, in denen ja viele Platten entstanden sind. Dass man die Möglichkeit hat, Dinge wieder zu entdecken, wenn man aus der Ausstellung kommt. Ich wollte auch zeigen, dass Berlin auch nach 1979 wichtig für Bowie geblieben ist - bis heute. Im Clip zu »Where are we now« vom letzten Jahr findet sich Filmmaterial von der Stadt, bestimmte Orte werden genannt. Besonders war auch 1987, als Bowie während seiner Glass Spider Tour auf Berlins 750-Jahr-Feier gespielt hat - auf Westberliner Seite, gleich neben der Mauer. Während des dreitägigen Festivals gab es ziemlich heftige Zusammenstöße mit der Volkspolizei, weil auch auf der DDR-Seite viele Zuhörer gekommen sind. In den Stasi-Unterlagen gibt es Hunderte Seiten über diese Ereignisse und auch ein paar, wo Bowie genannt ist.

Haben Sie denn keine Lieblingslegende?
Ich finde es extrem spannend, mich in den jungen Bowie hineinzuversetzen, der ja schon damals Arenen füllte. Wie er die Stadt und ihre Geschichte erkundet - und dabei ein ganz normales Alltagsleben führt. Es gibt viele Bilder davon: Bowie vorm Supermarkt, Bowie an der Bar, Bowie mit seinem Hund am Potsdamer Platz. So was.

Warum ging das in Berlin so gut?
Weil es keinen Hype gab um Stars - bis heute nicht. Die Berliner sind da irgendwie relaxed.

Hat Berlin Bowie verändert?
Ja, das sagt er auch immer wieder selbst. Er hatte ein massives Drogenproblem, als er herkam. Das ist besser geworden. Es geschah, was er sich erhofft hatte: Er kam zu sich selbst. Es war eine erholsame und sehr produktive Zeit.

Funktioniert das auch andersrum - hat Bowie Berlin verändert?
Er hat definitiv dazu beigetragen, dass Berlin zum Mythos wurde, der es heute ist. Die Club- und Subkultur gab es ja schon, und Bowie war nicht der einzige internationale Zaungast. Aber wenn heute jemand aus Amerika oder Spanien hierherkommt, sucht er nach ähnlichen Dingen, nach denen Bowie auch gesucht hat.

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