Chance für die dritten Reihen

Das Fußballländerspiel zwischen Deutschland und Polen besticht durch die Abwesenheit der großen Stars

  • Thomas Dudek
  • Lesedauer: 3 Min.
Joachim Löw testet in Hamburg seine »Zukunftsspieler«. Doch auch in Polen herrscht kaum Vorfreude auf das Duell mit Deutschland.

Dieses Testspiel gegen Polen hätte für die deutsche Nationalmannschaft ein gutes Omen für die anstehende Weltmeisterschaft in Brasilien werden sollen. 2010 empfingen die Spanier zu ihrem letzten Testspiel vor der WM in Südafrika Deutschlands östlichen Nachbarn und deklassierten den Co-Gastgeber der EM 2012 mit einem für ihn sogar noch schmeichelhaften 6:0. Wenige Wochen darauf kehrten die Spanier mit der goldenen Siegertrophäe im Gepäck in ihre Heimat zurück.

Doch selbst für all jene, die dem Aberglauben nachhängen - von denen gibt es im Fußball nicht wenige - dürfte die Partie in Hamburg jeden Wert verloren haben. Denn die Partie, die ursprünglich am 6. Juni in Mainz hätte stattfinden sollen, wurde auf diesen Dienstag verlegt. Den letzten Test vor ihrem Abflug nach Brasilien wird die DFB-Elf stattdessen gegen Armenien bestreiten.

Eine Terminänderung, die dem Testspiel in Hamburg leider auch ihren sportlichen Wert raubt. Da die Begegnung außerhalb des offiziellen FIFA-Kalenders stattfindet, werden weder die DFB-Elf noch ihr heutiger Gegner in Bestbesetzung auflaufen. So bereitet sich der wiedergenesene Sami Khedira mit Real Madrid auf das Champions-League-Finale gegen den Lokalrivalen Atletico vor, während sich die Nationalspieler aus München und Dortmund auf das mit Spannung erwartete DFB-Pokalendspiel am Samstag fokussieren. Ein letzter Saisonhöhepunkt, der auch Auswirkungen auf die Polen hat. Deren Nationaltrainer Adam Nawałka muss auf seine Superstars und Leistungsträger Jakub Błaszczykowski, Robert Lewandowski und Łukasz Piszczek aus Dortmund verzichten.

Nun werden also wohl Fußballer mit so illustren Namen wie Leon Goretzka, Max Meyer, Ron-Robert Zieler oder Kevin Volland ihre Chance im deutschen Team erhalten. Spieler, die Bundestrainer Joachim Löw in seinen vorläufigen 30-köpfigen Kader berufen hat, doch von denen bis auf den Hannoveraner Keeper Zieler und den Hoffenheimer Stürmer Volland kaum einer eine Chance auf die WM-Teilnahme in Brasilien haben dürfte. Es sind »Gesichter der Zukunft«, wie Löw die Nachwuchskräfte bei seiner Kadernominierung nannte, die lediglich die Gelegenheit bekommen, Nationalmannschaftsluft zu schnuppern.

Auch im polnischen Team wird es viele Debütanten geben. Thiago Cionek, Radosław Janukiewicz oder Igor Lewczuk sind nur einige der Spieler, die in Hamburg ihr erstes Spiel im Trikot mit dem weißer Adler absolvieren dürften. Profis, die in ihren Ligen eine ordentliche Saison gespielt haben, unter anderen Umständen aber wahrscheinlich nie eine Berufung für die Nationalmannschaft erhalten hätten.

Bestes Beispiel dafür ist Thiago Cionek vom italienischen Zweitligisten Modena. Der gebürtige Brasilianer mit polnischen Vorfahren spielte mehrere Jahre beim polnischen Erstligisten Jagiellonia Białystok. Doch erst jetzt mit 28 Jahren erhielt der Abwehrspieler eine Nominierung für Polens Nationalmannschaft. Und dies nicht nur deshalb, weil der polnische Fußball seit Jahren unter Nachwuchsmangel leidet und diese Lücke mit eingebürgerten Profis aus dem Ausland zu schließen versucht, sondern auch weil etablierte Nationalspieler die Partie am Dienstag nicht besonders ernst nehmen. So wie Eugen Polanski etwa. Statt gegen Deutschland aufzulaufen, reist der Hoffenheimer Mittelfeldspieler lieber mit seinem Verein auf Werbetournee nach Indien.

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