Ausgabe Juni 2012

Chronik des Monats April 2012

1.4. – Myanmar (Burma). Bei Nachwahlen für das nationale Parlament (Volkskammer) und die 14 Regionalparlamente kann die Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi nach zwei Jahrzehnten wieder antreten. Die „National League for Democracy“ (NLD) liegt in fast allen umkämpften Wahlkreisen vorn, die Medien sprechen von einem „Erdrutschsieg“. Suu Kyi erobert ihren Parlamentssitz mit 82 Prozent der Stimmen. 

 – Syrien-Konflikt. Die Kontaktgruppe der „Freunde Syriens“ hält in Istanbul ein zweites Treffen ab, vertreten sind mehr als 80 Staaten und internationale Organisationen (zum ersten Treffen in Tunis vgl. „Blätter“, 4/2012, S. 127). Der Syrische Nationalrat (SNC), ein Zusammenschluss der Opposition im Exil, der als „legitimer“, jedoch nicht als alleiniger „Vertreter aller Syrer“ anerkannt wird, appelliert an die Konferenz, „die Menschen, die in Syrien in der Hölle der Angriffe leben“, nicht ihrem Schicksal zu überlassen. Waffenhilfen für den Widerstand bleiben umstritten. – Am 2.4. unterrichtet Kofi Annan, der Sondergesandte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga den UN-Sicherheitsrat über ein Schreiben vom Vortag. Die syrische Regierung habe darin zugesagt, „Truppenbewegungen in Richtung auf die Bevölkerungszentren“ und den Einsatz aller schweren Waffen an diesen Orten zu beenden und bis zum 10. April d.J. mit dem Abzug der dort konzentrierten Truppen zu beginnen. Als Termin für den Beginn einer allgemeinen Waffenruhe werde der 12. April d.J. genannt. Der Rat ersucht den UN-Generalsekretär am 5.4., nach Konsultationen mit Damaskus Vorschläge für einen wirksamen und glaubhaften „Aufsichtsmechanismus der Vereinten Nationen in Syrien“ vorzulegen, „um die Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen durch sämtliche Parteien“ zu überwachen. Annan wirbt am 11.4. in Teheran für seinen Friedensplan. Der Iran könne „angesichts seiner besonderen Beziehungen zu Syrien Teil der Lösung sein“, so Annan auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem iranischen Außenminister Salehi. – Am 14.4. verurteilt der Sicherheitsrat die „weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen durch die syrischen Behörden“ sowie alle „Menschenrechtsmissbräuche durch bewaffnete Gruppen“. Der Rat bekräftigt „uneingeschränkte Unterstützung“ für den Sechs-Punkte-Plan von Kofi Annan (vgl. „Blätter“, 5/2012, S. 125 f.) und „fordert die syrische Regierung auf, ihren Verpflichtungen sichtbar und in ihrer Gesamtheit nachzukommen“. Mit Resolution 2042 (2012) wird beschlossen, zunächst 30 unbewaffnete Militärbeobachter zu entsenden, die mit der Berichterstattung darüber beginnen sollen, „inwieweit alle Parteien sich an die vollständige Einstellung der bewaffneten Gewalt in allen ihren Formen halten“. Erste Beobachter nehmen am 16.4. in Damaskus Kontakt mit den Behörden auf, um Garantien für volle Bewegungsfreiheit zu erhalten. Menschenrechtsaktivisten berichten am 18.4., ungeachtet der zugesicherten Waffenruhe setze das Regime die Angriffe auf die Hochburgen der Opposition fort. Die Stadt Homs sei mit Mörsergranaten beschossen worden. Der Sicherheitsrat folgt am 21.4. der Empfehlung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und beschließt mit Resolution 2043 (2012) die Entsendung von mindestens 300 unbewaffneten militärischen Beobachtern, gestaffelt je nach Entwicklung der Lage. Die Beobachter sollen sich, unterstützt von Zivilisten, in Syrien frei bewegen können, über den Einsatz von Hubschraubern werde noch verhandelt. Ban hatte mitgeteilt, man habe mit der syrischen Regierung bereits ein vorläufiges Protokoll über die Modalitäten vereinbart. – Am 26.4. erneuert der Syrische Nationalrat die Forderung nach einem Eingreifen der Vereinten Nationen. Angesichts der Eskalation der Gewalt müsse der Sicherheitsrat eine Resolution zum Schutz der syrischen Bevölkerung verabschieden.

2.4. – EU. Das Statistische Amt (Eurostat) weist in einem Bericht auf die stark gestiegene Arbeitslosigkeit hin. So habe die Quote bei Jugendlichen unter 25 Jahren im Februar d.J. bei 22,4 Prozent (EU-Raum) bzw. 21,6 Prozent (Euro-Raum) gelegen. In Spanien und Griechenland sei gut die Hälfte der Jugendlichen ohne Arbeit. – Am 13.4. ratifiziert Portugal als erster Staat den umstrittenen Fiskalpakt, der zu einer rigiden Sparpolitik und zur Einführung einer „Schuldenbremse“ verpflichtet. Der Pakt, auf den sich die Staats- und Regierungschefs von 25 der 27 EU-Mitglieder geeinigt hatten (vgl. „Blätter“, 5/2012, S. 125), kann schon nach der Ratifizierung von nur zwölf Staaten in Kraft treten. – Am 23.4. wird beschlossen, die Sanktion der Europäischen Union gegen Burma (Myanmar) zunächst für ein Jahr auszusetzen, um den Reformprozess im Land zu unterstützen. Das Waffenembargo soll bleiben.

8.4. – Indien/Pakistan. Mit Präsident Asif Ali Zardari besucht erstmals seit 2005 ein pakistanisches Staatsoberhaupt das Nachbarland. Der indische Premierminister Manmohan Singh erklärt nach einem Vier-Augen-Gespräch in Delhi, es sei „gemeinsames Ziel“, die gegenseitigen Beziehungen „zu normalisieren“. Für alle Probleme müssten „praktische und pragmatische Lösungen“ gefunden werden. Zardari lädt Singh zu einem Gegenbesuch ein. – Am 19.4. testet Indien erfolgreich eine atomwaffenfähige Langstreckenrakete mit einer Reichweite von mehr als 5000 km. Nach offiziellen Angaben verfügten bisher nur China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA über solche Waffen. Singh bezeichnet den Start der Rakete „Agni V“ als Meilenstein auf dem Weg zur Stärkung der nationalen Sicherheit. – Am 25.4. unternimmt auch Pakistan einen Test mit einer verbesserten atomwaffenfähigen Mittelstreckenrakete vom Typ Hatf IV Shaheen-1A. Die genaue Reichweite wird nicht mitgeteilt.

9.4. – Spanien. Regierungschef Rajoy kündigt weitere Einsparungen in Höhe von zehn Mrd. Euro noch für das laufende Jahr an. Betroffen sind vor allem Gesundheit und Bildung.

11.4. – Naher Osten. Das Nahost-Quartett aus Vereinten Nationen, Europäischer Union, Russland und den USA warnt bei einem Treffen in Washington vor dem zunehmenden Zerfall der Palästinensischen Autonomiebehörde. Zur finanziellen Unterstützung der Verwaltung sowie zur Verbesserung der Wirtschaft würden weitere 1,1 Mrd. US-Dollar benötigt. – Am 17.4. lässt Palästinenserpräsident Abbas in Jerusalem einen Brief an Israels Regierungschef Netanjahu überreichen. Die palästinensische Seite, so heißt es darin, sei bereit, den Stillstand zu überwinden und die unterbrochenen Friedensverhandlungen auf der Basis der Grenzen von 1967 wieder aufzunehmen. Israel müsse den Siedlungsausbau stoppen und die politischen Gefangenen freilassen. – Am 23.4. gibt die israelische Regierung bekannt, sie werde trotz gegenteiliger Zusagen an das Nahost-Quartett drei umstrittene Außenposten von Siedlungen „formalisieren“. Das US-Außenministerium nennt den Schritt „nicht hilfreich“, Bundesaußenminister Westerwelle zeigt sich „besorgt“.

12.4. – Pakistan/USA.  Das pakistanische Parlament debattiert über das künftige Verhältnis Pakistans zu den USA und verlangt erneut eine bedingungslose Entschuldigung für den Tod von 24 pakistanischen Soldaten bei US-Übergriffen auf Armeeposten im Grenzgebiet (vgl. „Blätter“, 1/2012, S. 125). Die Abgeordneten fordern ein Ende der amerikanischen Drohnenangriffe und ein Verbot, Waffen und Munition für die Nato-Truppen in Afghanistan über pakistanisches Territorium zu befördern.

14.4. – Iran. Die seit Januar 2011 unterbrochenen Verhandlungen der fünf UN-Vetomächte und Deutschland (5+1) mit dem Iran über dessen umstrittenes Atomprogramm werden in Istanbul fortgesetzt. Die Teilnehmerstaaten bezeichnen die Atmosphäre als konstruktiv und vereinbaren für den 23. Mai d.J. ein weiteres Treffen in Bagdad.

14.-15.4. – Amerika-Gipfel. Der 6. Gipfel von Staats- und Regierungschefs aus Nord-, Mittel- und Südamerika (Summit of the Americas) im kolumbianischen Cartagena wird überschattet von den Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der Mehrzahl der übrigen Teilnehmer über die Einladung Kubas. Boliviens Präsident Morales erklärt nach einer Plenarsitzung: „Wenn nicht, wird es keine Amerika-Gipfel mehr geben.“ Kolumbiens Präsident Santos und die brasilianische Präsidentin Rousseff betonten, Cartagena müsse der letzte Gipfel ohne Kuba sein.

15.4. – Afghanistan. Mit spektakulären Aktionen zeigen die Taliban in der Hauptstadt und in drei östlichen Provinzen Präsenz. In Kabul kommt es zu Explosionen und stundenlangen Feuergefechten. Ziele der Überfälle sind Nato-Einrichtungen, Parlament, Botschaften und Diplomatenresidenzen.

16.4. – UNO. Der Sicherheitsrat verabschiedet eine Erklärung zu dem zuvor angekündigten und am 13.4. unternommenen (und fehlgeschlagenen) Versuch der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) mit einem ballistischen Flugkörper. Dieser Start sei ein „schwerwiegender Verstoß“ gegen Beschlüsse der Vereinten Nationen und habe „ernste Sicherheitsbesorgnisse in der Region ausgelöst“. Nordkorea müsse seinen Verpflichtungen „uneingeschränkt“ nachkommen und „alle Kernwaffen und bestehenden Nuklearprogramme auf vollständige, verifizierbare und unumkehrbare Weise“ aufgeben. – Am 30.4. legt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), eine der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen, unter dem Titel „Better Jobs for Better Economy“ ihren „World of Work Report 2012“ vor. Der Bericht nennt Risiken für das Wirtschaftswachstum in Deutschland. Wegen geringer Investitionen und der unsicheren Lage in der Eurozone drohe in naher Zukunft ein Abschwung auf dem Arbeitsmarkt. Die ILO-Experten empfehlen, die Binnennachfrage zu stärken, um unabhängiger von Exporten zu werden. Dazu müssten „atypische Beschäftigungen“ wie Zeitarbeit und Mini-Jobs in reguläre Arbeitsverhältnisse überführt und sichergestellt werden, dass die Löhne mit der Produktivität steigen.

21.4. – Japan. Die fünf Mekong-Anrainerstaaten Burma, Kambodscha, Laos, Thailand und Vietnam folgen einer Einladung der japanischen Regierung zu einem Gipfeltreffen in Tokio. Die Abschlusserklärung benennt drei Felder künftiger Zusammenarbeit: Ausbau der Transportsysteme, Verminderung der Entwicklungsunterschiede, verbesserte Vorbereitung auf Naturkatastrophen.

 – Zypern. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagt eine geplante internationale Konferenz zur Wiedervereinigung der geteilten Insel ab. Die griechischen und türkischen Zyprioten, so sein Sprecher, hätten bei vorbereitenden Gesprächen keine ausreichenden Fortschritte erzielt.

22.4. – Bahrein. Im Umfeld des Formel-1-Grand-Prix ruft die Opposition zu „Tagen des Zorns“ in der Hauptstadt Manama auf. Die Demonstranten verlangen eine größere Mitsprache in der Regierung sowie Versammlungs-, Rede- und Meinungsfreiheit. Die Polizei setzt Tränengas und Blendgranaten ein und nimmt Verhaftungen vor.

 – China/Russland. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur meldet, vor der Ostküste der Volksrepublik im Gelben Meer habe ein sechstägiges gemeinsames Marinemanöver begonnen. Es handele sich um die erste Übung dieser Art.

 – Afghanistan/USA. Unterhändler beider Seiten paraphieren in Kabul einen langfristigen Partnerschaftsvertrag. Die USA verpflichten sich zu wirtschaftlicher und finanzieller Unterstützung Afghanistans auch nach 2014, dem vorgesehenen Termin für den Teilabzug der ausländischen Kampftruppen.

23.4. – NATO. Generalsekretär Rasmussen wendet sich gegen eine schnelle Verkleinerung der afghanischen Armee und Polizei nach dem Rückzug der Nato-Kontingente. Entsprechende Pläne sehen vor, die einheimischen Sicherheitskräfte schrittweise von 350 000 auf 228 500 zu reduzieren. Es bestehe das Risiko, dass sich die Entlassenen mit dem Feind verbündeten.

25.4. – Niederlande. Königin Beatrix nimmt den Rücktritt des Kabinetts von Premierminister Mark Rutte entgegen und stimmt vorzeitigen Parlamentswahlen am 23. September d.J. zu. Die Regierung war nach dem Scheitern von Verhandlungen über ein drastisches Sparpaket zerbrochen.

27.4. – Ukraine. Eine Serie von Bombenanschlägen erschüttert die Industriemetropole Dnjepropetrowsk, die Geburtsstadt der inhaftierten und schwer erkrankten ehemaligen Regierungschefin Julia Timoschenko. Kurz hintereinander explodieren vier in Abfalleimern versteckte Sprengsätze, mindestens 27 Personen sollen verletzt worden sein. Die Generalstaatsanwaltschaft spricht von einem Terrorakt.

29.-30.4. – Piraten Partei. Ein Parteitag in Neumünster (Schleswig-Holstein) wählt Bernd Schlömer mit 66,6 Prozent der Delegiertenstimmen zum Parteivorsitzenden. Politischer Geschäftsführer wird Johannes Ponader. Die aktuelle Zahl der Parteimitglieder wird mit 29 000 angegeben.

30.4. – USA. Der Chefberater von Präsident Obama für die Terrorismusbekämpfung John Brennan bestätigt erstmals offiziell den planmäßigen Einsatz von unbemannten Flugzeugen (Drohnen) zur gezielten Tötung von verdächtigen Personen aus der Luft. Das entsprechende Programm in Pakistan, im Jemen und am Horn von Afrika ermöglichten eine bisher noch nie erreichte „chirurgische Präzision“ und Zielgenauigkeit wie mit der Lasertechnologie. Dies mache die Drohnen zu einem essenziellen Instrument für die Terrorismusbekämpfung.

Aktuelle Ausgabe Mai 2024

In der Mai-Ausgabe analysiert Alexander Gabujew die unheilige Allianz zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping. Marion Kraske beleuchtet den neu-alten Ethnonationalismus und pro-russische Destabilisierungsversuche auf dem Balkan. Matthew Levinger beschreibt, wie Israel der Hamas in die Falle ging. Johannes Heesch plädiert für eine Rückbesinnung auf die demokratischen Errungenschaften der jungen Bundesrepublik, während Nathalie Weis den langen Kampf der Pionierinnen im Bundestag für mehr Gleichberechtigung hervorhebt. Und Jens Beckert fordert eine Klimapolitik, die die Zivilgesellschaft stärker mitnimmt.

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