Ausgabe Februar 2012

Chronik des Monats Dezember 2011

1.12. – Griechenland. Ein landesweiter Streik legt den öffentlichen Dienst weitgehend lahm. Großdemonstrationen in Athen und Saloniki richten sich gegen das drastische Sparprogramm der neuen Regierung Papademos (vgl. „Blätter“, 1/2012, S. 125).

     – Naher Osten. Die israelische Tageszeitung „Yedioth Acharonot“ veröffentlicht das Ergebnis einer Meinungsumfrage, nach der fast zwei Drittel der jüdischen Israeli einen atomwaffenfreien Nahen Osten und eine Zwei-Staaten-Lösung befürworten. Israel solle seine Nuklearkapazitäten aufgeben, falls der Iran zu einem gleichen Schritt bereit sei. – Am 21.12. weist Israel die in einer gemeinsamen Erklärung der europäischen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Portugal enthaltene Kritik an den israelischen Bauvorhaben in den besetzten Palästinensergebieten zurück.

2.12. – EU. Bundeskanzlerin Merkel äußert sich vor dem Bundestag zum bevorstehenden Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Merkel spricht von „der schwersten Krise seit Einführung des Euro, wenn nicht in der Geschichte der europäischen Einigung“. Eine Änderung der geltenden Verträge sei unabdingbar, um die Eurokrise zu bewältigen. Es gehe um das Ziel einer Fiskalunion mit ausgebauten Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten, gegen Haushaltssünder müsse schärfer durchgegriffen werden. Euro-Bonds seien kein Lösungsansatz. Nach weiteren Konsultationen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten Sarkozy am 5.12. in Paris heißt es, der dauerhafte Euro-Rettungsschirm (ESM) solle von 2013 auf Ende 2012 vorgezogen werden. Auf dem Gipfel am 8. und 9.12. verhindert der britische Premierminister Cameron das für eine Änderung der EU-Verträge notwendige einstimmige Votum. Die 17 Euro-Staaten vereinbaren stattdessen den Abschluss eines separaten Vertrages über strengere Haushaltsdisziplin, dem sich alle anderen Staaten anschließen können. Cameron begründet die britische Haltung vor der Presse u.a. mit den Worten: „Ich bin glücklich, nicht den Euro zu haben.“ In feierlichem Rahmen unterzeichnen die Gipfelteilnehmer am 8.12. die Beitrittsverträge mit Kroatien, die nach Ratifizierung am 1. Juli 2013 in Kraft treten sollen. Kroatien wird das 28. Mitglied der Union, Kroatisch wird 24. Amtssprache. Eine Entscheidung über den Status Serbiens als offizieller Beitrittskandidat soll erst später fallen. – Am 13.12. berichten Ratspräsident Van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso dem Europaparlament über den vorangegangenen Gipfel in Brüssel. Es seien Formfragen gewesen, die einen größeren Erfolg verhindert hätten. Inhaltlich jedoch, so Barroso, seien die Beschlüsse „recht beeindruckend“.

     – UNO. Der Sicherheitsrat erweitert und verlängert mit Resolution 2022 (2011) das Mandat der Mission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL) um drei Monate (vgl. „Blätter“, 11/2011, S. 126). Die Mission erhält zusätzlich die Aufgabe, die libysche Übergangsregierung bei der „Abwehr der Gefahr der Verbreitung aller Rüstungsgüter und sonstigen Wehrmaterials jeder Art, insbesondere tragbarer Boden-Luft-Flugkörper, zu unterstützen“. Der Menschenrechtsrat in Genf verurteilt Syrien wegen der anhaltenden Gewalt gegen die Zivilbevölkerung und setzt einen Sonderberichterstatter ein. Die entsprechende Resolution wird mit 37 Stimmen bei vier Enthaltungen gegen die Stimmen Russlands, Chinas, Kubas und Ecuadors angenommen. – Am 11.12. endet in Durban (Südafrika) eine weitere Konferenz der Teilnehmerstaaten der Klimakonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change/UNFCCC) ohne Einigung auf eine Nachfolgeregelung für das auslaufende Kyoto-Protokoll. Ein neuer Vertrag über die weitere Reduzierung der Treibhausgase soll bis 2015 ausgearbeitet werden und im Jahr 2020 in Kraft treten.

4.12. – Russland. Die Bevölkerung ist zur Wahl des nationalen Parlaments, der Staatsduma (450 Abgeordnete) aufgerufen. Das amtliche Endergebnis stellt trotz deutlicher Stimmenverluste eine erneute Mehrheit für die Partei Einiges Russland des Regierungschefs Putin fest, die künftig über 238 (bisher 315) Mandate verfügen kann. Die Kommunistische Partei erhält 92 (bisher 57) Sitze. Wahlbeobachter aus dem In- und Ausland kritisieren zahlreiche Unregelmäßigkeiten während des Urnengangs. Putin beschuldigt am 8.12. die Vereinigten Staaten, die russische Bevölkerung zu Protesten aufgerufen zu haben. Demonstranten hätten „dieses Signal erhalten und dann mit Unterstützung des US-Außenministeriums die aktive Arbeit angefangen“. Die Sicherheitskräfte würden mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bei Gesetzesverstößen einschreiten. Mehrere Zehntausend Personen folgen am 10.12. dem Aufruf verschiedener Oppositionsbündnisse und demonstrieren in Moskau für faire Wahlen und Demokratie. – Am 22.12. stellt Präsident Medwedjew in einer Rede zur Lage der Nation politische Reformen in Aussicht, erklärt aber gleichzeitig: „Wir werden nicht zulassen, dass Provokateure und Extremisten die Gesellschaft in ihre Abenteuer hineinziehen.“ Medwedjew verweist auf außenpolitische Erfolge wie die Ratifizierung des START-Vertrages mit den USA, den Beitritt zur Welthandelsorganisation und die Vorbereitungen zur Schaffung der Eurasischen Wirtschaftsunion.

5.12 – Afghanistan-Konferenz. In Anwesenheit von Präsident Karzai beraten in Bonn hochrangige Vertreter von 85 Staaten über weitere Unterstützung der afghanischen Regierung nach dem Abzug der ausländischen Truppen. Bis zunächst 2024 soll das Land umfangreiche finanzielle und militärische Hilfe erhalten.

6.12. – Belgien. Erst 541 Tage nach den Parlamentswahlen vom Juni v.J. (vgl. „Blätter“, 8/2010, S. 126) und nach langwierigen, mehrfach abgebrochenen Verhandlungen zwischen den Parteien der beiden Landesteile kann König Albert II. eine Regierung vereidigen. An der Koalition aus Sozialisten, Christdemokraten und Liberalen aus Flandern und der Wallonie sind die Grünen sowie die flämischen Nationalisten, die Nieuw-Vlaamse Alliantie (N-VA), stärkste Partei im Parlament, nicht beteiligt. Premierminister wird Elio Di Rupo, damit steht erstmals ein frankophoner Sozialist an der Spitze der Föderalregierung.

7.12. – Ägypten. Der Militärrat setzt eine neue Regierung unter Ministerpräsident Kamal al-Ganzuri ein, der mehrere Personen des alten Regimes angehören, darunter Polizeigeneral Mohammed Ibrahim als Innenminister. Aus der ersten Runde der Parlamentswahlen, die in mehreren Etappen abgehalten werden, gehen islamistische Parteien als stärkste Kraft hervor. Auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo kommt es am 16.12. zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften. Es werden zehn Tote und fast 500 Verletzte gezählt. Der Militärrat entschuldigt sich später für das harte Vorgehen des Militärs gegen die Opposition. – Am 29.12. durchsuchen Justizbeamte und Polizisten die Büros von 17 arabischen und ausländischen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die vorübergehend geschlossen werden. Betroffen ist auch die Konrad-Adenauer-Stiftung.

12.12. – Italien. Die Gewerkschaften kündigen eine Aktionswoche mit kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen in unterschiedlichen Branchen und Bereichen an, die sich gegen die Sparpläne der von Ministerpräsident Monti geführten neuen Regierung richten (vgl. „Blätter“, 1/2012, S. 126). Vor dem Parlament in Rom findet zum Auftakt eine Großdemonstration statt. Monti kann am 16.12. eine Vertrauensabstimmung über sein Sparprogramm im Abgeordnetenhaus für sich entscheiden.

     – Libyen. Auf dem Shajara-Platz in Bengasi, dem Ausgangspunkt des Aufstandes gegen das Regime von Revolutionsführer Gaddafi (vgl. „Blätter“, 4/2011, S. 126) kommt es zu Demonstrationen gegen den herrschenden Nationalen Übergangsrat (NTC). Die Teilnehmer verlangen vor allem Maßnahmen gegen die Korruption sowie die Entlassung aller NTC-Mitglieder, die mit dem alten Regime in Verbindung gebracht werden.

     – Kanada. Nach dem Ende der UN-Klimakonferenz in Durban kündigt die Regierung an, das Land werde von dem Recht Gebrauch machen, vorzeitig aus dem Kyoto-Protokoll von 1997 auszuscheiden: „Das Kyoto-Protokoll umfasst nicht die beiden größten Emittenten, die USA und China, und kann somit nicht funktionieren.“

15.12. – Irak/USA. Die Militärkommandantur der „United States Forces in Iraq“ beendet nach neun Jahren formell ihre Tätigkeit. Das Kommando über die auf zwei Basen im Lande verbleibenden 3500 US-Soldaten übernimmt die amerikanische Botschaft in Bagdad. Verteidigungsminister Panetta erklärt während der Zeremonie, Washington werde den Irakern im Kampf gegen Extremismus und äußere Bedrohungen zur Seite stehen: „Dies ist nicht das Ende, es ist ein wirklicher Neubeginn.“

     – Bundeswehr. Vor dem Bundestag erläutern Außenminister Westerwelle und Verteidigungsminister de Maiziére das künftige Mandat für die Bundeswehr in Afghanistan. Vorgesehen ist, die Obergrenze ab Februar 2012 um 450 auf dann 4900 Soldaten zu senken. Später soll die Truppenstärke um knapp ein Fünftel auf 4400 Mann vermindert werden.

16.12. – WTO. Nach komplizierten Beitrittsverhandlungen über einen Zeitraum von 18 Jahren wird Russland als 154. Mitglied in die Welthandelsorganisation (World Trade Organization) aufgenommen. Damit werden innerhalb der Organisation 97 Prozent des Welthandels abgedeckt.

20.12. – Spanien. Das Parlament bestimmt mit 187 von 350 Stimmen Mariano Rajoy, Chef der Konservativen, zum neuen Ministerpräsidenten. Rajoy, dessen Partei bei den Wahlen einen Machtwechsel herbeigeführt hatte (vgl. „Blätter“, 1/2012, S. 127), ist Nachfolger des Sozialisten José Zapatero.

22.12. – Frankreich. Die Nationalversammlung verabschiedet einen Gesetzentwurf, der die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern am Ende des Osmanischen Reiches im Jahre 1915 unter Strafe stellt. Die Türkei protestiert und ruft ihren Botschafter aus Paris zur Berichterstattung nach Ankara zurück.

23.12. – Ungarn. Das Parlament verabschiedet weitere umstrittene Gesetzesänderungen zum Wahlrecht und zu den Kompetenzen der Nationalbank. Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude werden vorübergehend festgenommen.

24.12. – Jemen. Regierungstruppen gehen gegen Kundgebungsteilnehmer vor, die für die Bestrafung des scheidenden Präsidenten Saleh demonstrieren. Saleh hatte seine baldige Abreise in die Vereinigten Staaten angekündigt.

25.12. – Marokko. In mehreren Städten formiert sich eine Bewegung für demokratische Reformen. Die Partei der Islamisten (Parti de la justice et du développement/PJD), die aus den vorgezogenen Wahlen Ende November d.J. als stärkste Kraft hervorgegangen war, beteiligt sich nicht.

27.12. – Korea. Nach dem Tode des langjährigen Staats- und Parteichefs der Demokratischen Volksrepublik Korea (Nordkorea) Kim Jong Il am 17.12. und der Machtübernahme durch seinen jüngsten Sohn Kim Jong Un führen die Regierungen Chinas und Südkoreas einen Meinungsaustausch über die regionale Sicherheit. Der stellvertretende südkoreanische Außenminister Park Suk Hwan erklärt, Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel liege im gegenseitigen Interesse. Kim Jong Un wird am 31.12. auch zum Obersten Kommandanten der Streitkräfte und damit zum Befehlshaber von 1,2 Millionen Armeeangehörigen ernannt.

     – Arabische Liga. Eine erste Gruppe von Beobachtern trifft in der syrischen Millionenstadt Homs ein, die seit Monaten das Zentrum des Aufstandes gegen das Asad-Regime ist. Syriens Regierung hatte am 19.12. einer Vereinbarung zugestimmt, die es der Liga ermöglichen soll, den zugesagten Rückzug von Truppen und Panzern aus den umkämpften Städten sowie die Freilassung von Gefangenen zu überwachen. Angestrebt wird ein innersyrischer Dialog.

     – Iran. Vizepräsident Mohammed Resa Rahimi droht für den Fall weiterer internationaler Sanktionen gegen sein Land mit einer Sperrung der Straße von Hormus. Falls der Westen nicht von seinen Sanktionsplänen ablasse, werde „kein Tropfen Öl“ die Meerenge passieren.

28.12. – Türkei. Bei einem Luftschlag der Armee im vorwiegend von Kurden bewohnten Grenzgebiet zum Irak werden ca. 30 Zivilisten getötet. Die Luftwaffe, so heißt es später, habe Schmuggler in dem betreffenden Gebiet mit kurdischen Extremisten verwechselt. Ministerpräsident Erdogan kündigt eine finanzielle Entschädigung der betroffenen Familien an, lehnt aber eine offizielle Entschuldigung ab. Die Führung der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ruft am 30.12. „das Volk von Kurdistan dazu auf, auf dieses Massaker zu reagieren“. Dies müsse durch „Aufstände“ geschehen.

29.12. – USA/Saudi-Arabien. Vertreter beider Seiten unterzeichnen in Washington einen Vertrag über die Lieferung von 84 amerikanischen Kampfjets des Typs F-15 an Saudi-Arabien. Das Geschäft hat einen Umfang von 30 Mrd. Dollar.

30.12. – Syrien. Hunderttausende folgen nach dem Freitagsgebet dem Aufruf der Opposition zu Demonstrationen gegen das Regime von Präsident Asad. Man wolle den im Lande anwesenden Beobachtern der Arabischen Liga die wirkliche Lage vor Augen führen.

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