Ausgabe April 2012

Chronik des Monats Februar 2012

1.2. – Naher Osten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon trifft von Jordanien kommend in Israel ein und führt Gespräche mit Präsident Peres, Premier Netanjahu und Außenminister Lieberman. Ban fordert Gesten des guten Willens gegenüber den Palästinensern und vertrauensbildende Maßnahmen. Von palästinensischer Seite erwarte er Verhandlungsbereitschaft. Peres wiederholt israelische Besorgnisse über das iranische Atomprogramm und über iranische Waffenlieferungen in den Gazastreifen. – Am 6.2. befürworten der Palästinenserpräsident und PLO-Vorsitzende Mahmud Abbas und Hamas-Generalsekretär Khaled Mashal bei einem gemeinsamen Fernsehauftritt die Bildung eines Kabinetts aus Technokraten und unabhängigen Persönlichkeiten zur Vorbereitung von Parlaments- und Präsidentenwahlen unter Vorsitz von Abbas.

        – China/BRD. Bundeskanzlerin Merkel besucht in Begleitung einer großen Delegation die Volksrepublik China. Nach einem Vortrag vor der Akademie für Wissenschaften in Peking und nach ersten Gesprächen mit Regierungschef Wen Jiabao betont die Kanzlerin die Bedeutung eines offenen Dialogs, der auch Kontroversen ertragen müsse. Merkel verteidigt die EU-Sanktionen gegenüber dem Iran. Wen nennt ein atomfreies Iran als gemeinsames Ziel, China setze aber auf Dialog und werde seine Handelspolitik nicht ändern.

2.2. – NATO. Generalsekretär Rasmussen teilt auf einer Zusammenkunft der Verteidigungsminister in Brüssel mit, die Allianz werde sich ab Mitte 2013 von Kampfeinsätzen in Afghanistan zurückziehen und bis Ende 2014 die Verantwortung für die Sicherheit an die afghanische Armee und Polizei übergeben. US-Verteidigungsminister Panetta äußert sich ähnlich, der neue Zeitplan stimme mit der in Lissabon beschlossenen NATO-Strategie überein (vgl. „Blätter“, 1/2011, S. 126 f.). Gleichzeitig heißt es, das Kommando für den umstrittenen NATO-Raketenabwehrschild werde auf dem amerikanischen Stützpunkt in Ramstein (Rheinland-Pfalz) eingerichtet. Die technischen Einrichtungen sollten schrittweise bis 2020 betriebsbereit sein. – Am 17.2. schließt Rasmussen ein militärisches Eingreifen des Bündnisses in Syrien nachdrücklich aus.

3.-5.2. – Münchener Sicherheitskonferenz. Auf der hochrangig besetzten jährlichen Konferenz in der bayerischen Landeshauptstadt gehören die Krisen in Syrien und Afghanistan zu den wichtigsten Themen. Der russische Außenminister Lawrow verteidigt noch einmal das Veto gegen eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat. Russland werde keiner Resolution zustimmen, die sich in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates einmische und den Vorwand zu einer ausländischen Intervention biete. Russische Rüstungslieferungen an Syrien änderten nichts am Stärkeverhältnis in der Region. „Beim Thema Raketenabwehr“, so Lawrow, „läuten die Alarmglocken“. Russland verlange Mitsprache und nicht nur eine informelle Kooperation. US-Außenministerin Clinton schließt ein militärisches Eingreifen in Syrien ausdrücklich aus.

4.2. – UNO. Russland und China blockieren im Sicherheitsrat erneut eine Verurteilung des syrischen Regimes wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen die Opposition (vgl. „Blätter“, 12/2011, S. 109 f.). Ein entsprechender Resolutionsentwurf, der auch den Friedensplan der Arabischen Liga unterstützt, erhält zwar die Stimmen aller übrigen 13 Ratsmitglieder, kann aber wegen der Ablehnung der beiden Veto-Mächte nicht verabschiedet werden. UN-Generalsekretär Ban bedauert am 8.2. „zutiefst“, dass der Sicherheitsrat nicht in der Lage sei, sich mit einer Stimme für ein Ende des Blutvergießens in Syrien auszusprechen. Ban berät mit der Arabischen Liga weitere Schritte. Die in New York tagende 66. UN-Generalversammlung (zur Eröffnung vgl. „Blätter“, 11/2011, S. 126) gibt am 16.2. ihrer „tiefen Besorgnis“ über die Lage in Syrien Ausdruck und „verurteilt entschieden die nach wie vor weit verbreiteten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten durch die syrischen Staatsorgane“. Jegliche Gewalt, „ungeachtet dessen, von welcher Seite sie ausgeht“, werde verurteilt. Die Versammlung „bekräftigt ihr nachdrückliches Bekenntnis zur Souveränität, Unabhängigkeit, Einheit und territorialen Unversehrtheit der Arabischen Republik Syrien“, die gegenwärtige politische Krise müsse „friedlich beigelegt werden“. Die Resolution wird mit 137 Stimmen bei 12 Gegenstimmen und 17 Enthaltungen angenommen. Mit Nein stimmen neben China, Russland und Syrien u.a. auch der Iran, Kuba, Nikaragua und Venezuela. – Am 28.2. fordert Hochkommissarin Pillay auf einer Dringlichkeitssitzung des Menschenrechtsrats in Genf erneut eine sofortige Waffenruhe in Syrien, um Hilfslieferungen zu ermöglichen. Zur Vorbereitung seiner neuen Aufgabe als gemeinsamer Sondergesandter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien hält sich der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan ebenfalls in Genf auf.

        – Russland. Zehntausende Moskauer Bürger folgen bei eisigen Temperaturen dem Aufruf „Für faire Wahlen“ und versammeln sich auf einem zentralen Platz in der Innenstadt. Die Teilnehmer befürchten Manipulationen bei den anstehenden Präsidentenwahlen. – Am 20.2. schreibt Ministerpräsident Putin, der sich bei den Wahlen Anfang März d.J. um das Amt des Präsidenten der Russischen Föderation bewirbt, in der Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“, Russland müsse sein Luft- und Weltraum-Abwehrsystem stärken und dafür in den kommenden zehn Jahren umgerechnet 590 Mrd. Euro aufwenden. In dieser Frage könne es nicht „zu viel Patriotismus“ geben.

        – USA. Präsident Obama bezeichnet in einer vom Weißen Haus verbreiteten Erklärung den Sturz des syrischen Regimes als unvermeidlich. Die Politik des Präsidenten Assad, sich durch Terror gegen das eigene Volk an der Macht zu halten, zeige die Schwäche dieses Systems.

6.2. – Syrien. Nach dem Scheitern der Bemühungen um eine Syrien-Resolution im UN-Sicherheitsrat weiten die Regierungstruppen ihre Offensive gegen die Opposition aus. Schwer umkämpft ist die Stadt Homs, erneut werden Panzer und Raketen eingesetzt. Die blutigen Kämpfe halten während des ganzen Monats an, die Opferzahlen steigen täglich. – Am 7.2. hält sich der russische Außenminister Lawrow zu Besuch bei Präsident Assad in Damaskus auf. – Am 26.2. lässt das Regime über eine veränderte Verfassung abstimmen. Das Referendum wird überschattet von neuer Gewalt, die Opposition hatte zum Boykott aufgerufen.

        – Frankreich/BRD. Bundeskanzlerin Merkel kündigt am Rande eines deutsch-französischen Ministerrates in Paris an, sie werde Präsident Sarkozy im bevorstehenden Präsidentschaftswahlkampf unterstützen. Dies sei „in befreundeten Parteienfamilien üblich“.

7.2. – Griechenland. Die Gewerkschaften protestieren mit einem weiteren 24stündigen Generalstreik gegen bevorstehende Kürzungen bei Gehältern und im Gesundheitswesen. Ein führender Funktionär spricht von der „Chronik eines angekündigten Todes“, es drohe die Abschaffung des griechischen Arbeitsrechts. – Am 9.2., wenige Stunden vor einer Krisensitzung der Euro-Finanzminister, stimmen die Spitzen der drei Regierungsparteien den von der Europäischen Union und Internationalem Währungsfonds geforderten Einschnitten zu, dazu gehören auch Rentenkürzungen. In der Nacht vom 12. auf den 13.2. billigt das Parlament nach turbulenter Sitzung das Sparpaket mit 199 Stimmen; von 300 Abgeordneten sind nur 278 anwesend. Vor dem Parlament kommt es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen protestierenden Demonstranten und der Polizei. Es werden Brände gelegt und Geschäfte geplündert. Medien sprechen am nächsten Morgen von einem „Trümmerfeld wie nach einer Bombardierung“. – Am 15.2. reagiert Staatspräsident Papoulias in Athen heftig auf immer neue Forderungen aus dem Bundesfinanzministerium in Berlin nach einem noch schärferen Vorgehen gegen Griechenland: „Ich lasse nicht zu, dass Herr Schäuble meine Heimat beleidigt.“

9.2. – EU. Die Vizepräsidentin der EU-Kommission Neelie Kroes äußert „schwere Einwände betreffend die Lage in Ungarn“ und erneuert gegenüber Justizminister Tibor Navracsics die Kritik am ungarischen Mediengesetz. Journalisten würden „durch hohe Strafen für den Bruch unklarer Regeln zur Selbstzensur getrieben“. – Am 20.2. verständigen sich die Euro-Finanzminister in Brüssel auf das „Finanzpaket“ für Griechenland mit neuen Krediten im Umfang von 130 Mrd. Euro. Bundesfinanzminister Schäuble: die Auszahlung des Geldes sei „kein Selbstläufer“, sondern bleibe an Bedingungen geknüpft.

        – BRD/Syrien. Die Bundesregierung verweist vier syrische Diplomaten des Landes. Die Ausweisung steht im Zusammenhang mit der Festnahme zweier Männer, denen vorgeworfen wird, in Deutschland lebende syrische Oppositionelle auszuspionieren.

12.2. – Arabische Liga. Die Außenminister befassen sich in Kairo mit der Lage in Syrien und erörtern die Möglichkeiten zur Bildung einer gemeinsamen Friedenstruppe mit den Vereinten Nationen. Den Ministern liegen Empfehlungen der Syrien-Gruppe vor, die unter Führung von Katar aus sieben Ländern besteht. Beschlossen wird, die Kontakte mit der Regierung in Damaskus einzustellen und die Kommunikation mit der syrischen Opposition zu verstärken.

14.2. – EU-China-Gipfel. Im Mittelpunkt des Gipfels in Peking, an dem Ratspräsident van Rompuy und Kommissionspräsident Barroso teilnehmen, steht die europäische Schuldenkrise. Regierungschef Wen Jiabao wiederholt seine Anfang des Monats gegenüber Bundeskanzlerin Merkel gemachte Ankündigung, China sei bereit, sein finanzielles Engagement in Europa zu vergrößern.

15.2. – Iran. In Anwesenheit von Präsident Ahmadinedschad wird ein Forschungsreaktor in Teheran mit den ersten Brennstäben aus eigener Produktion bestückt. Das staatliche Fernsehen überträgt live. Gleichzeitig nimmt die Atomanlage in Natans neue Zentrifugen in Betrieb. – Am 19.2. deutet Außenminister Ali Akbar Salehi vor der Presse die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit den fünf Vetomächten im Sicherheitsrat und Deutschland über Irans Atomprogramm an. Einen Zeitpunkt nennt der Minister nicht. Die Verhandlungen sollten in Istanbul stattfinden.

16.2. – Bundespräsident. Die Staatsanwaltschaft Hannover beantragt die Aufhebung der Immunität von Bundespräsident Christian Wulff (zur Wahl durch die 14. Bundesversammlung vgl. „Blätter“, 8/2010, S. 127). Nach umfassender Prüfung neuer Unterlagen gebe es einen Anfangsverdacht wegen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung während seiner Amtszeit als Ministerpräsident von Niedersachsen. Wulff tritt am 17.2. mit sofortiger Wirkung als Bundespräsident zurück.

        – Afghanistan. In einem Interview mit dem „Wall Street Journal“ bestätigt Präsident Karzai den Beginn von Friedensverhandlungen zwischen der Regierung und den Taliban sowie den USA: „Alle Menschen in Afghanistan wollen Frieden, auch die Taliban. – Am 21.2. löst die Verbrennung von Exemplaren des Koran auf der amerikanischen Militärbasis Bagram landesweite Proteste aus, die teilweise in Gewalt umschlagen. ISAF-Kommandeur Allen entschuldigt sich: „Das war in keiner Weise Absicht.“

20.-21.2. – IAEO. Inspekteure der Internationalen Atomenergie-Organisation halten sich in Teheran auf. Die Mission bleibt erfolglos. Die iranische Regierung verweigert den Experten weiterhin den Zugang zu einem Militärgelände von Parchin.

23.2. – Korea/USA. Vertreter Nordkoreas und der USA führen in Peking Sondierungsgespräche über das nordkoreanische Atomprogramm. Das US-Außenministerium informiert am 29.2. über Einzelheiten: Die Führung in Pjöngjang wolle die Anreicherung von Uran aussetzen und Kontrollen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) zulassen. Im Gegenzug seien die Vereinigten Staaten bereit, 240 000 Tonnen Lebensmittel zu liefern. China begrüßt die Einigung. Man werde sich um die Wiederaufnahme der vor fast drei Jahren abgebrochenen Sechs-Parteien-Gespräche über das nordkoreanische Atomprogramm bemühen.

24.2. – Tunesien. Präsident Moncef Marzouki eröffnet in Tunis eine Konferenz der „Gruppe der Freunde Syriens“: „Wenn wir echte Freunde Syriens sein wollen, dann müssen wir die Forderung der Mehrheit nach einem Sturz des korrupten Unterdrücker-Regimes unterstützen und gleichzeitig der Minderheit Garantien für ihre Sicherheit geben.“ Marzouki schlägt vor, dem syrischen Präsidenten Assad und seiner Familie Asyl in Russland anzubieten, um ein weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Diese Lösung nach dem Vorbild des Jemen (vgl. „Blätter“, 3/2012, S. 127) sei auf jeden Fall besser als eine Militärintervention oder die Bewaffnung von Deserteuren. Mit der Straffreiheit für Assad sei der Gerechtigkeit zwar nicht gedient, „aber das Leben der Syrer ist noch wichtiger als die Gerechtigkeit“.

27.2. – Bundestag. Das Parlament stimmt der Beteiligung Deutschlands an den Finanzhilfen für Griechenland zu. Von 591 anwesenden Abgeordneten votieren 496 mit Ja bei 90 Gegenstimmen und fünf Enthaltungen. Zustimmung kommt aus fast allen Fraktionen, die 66 Abgeordneten der Linkspartei stimmen geschlossen mit Nein.

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