Ausgabe März 2013

Deutschland, Deine Banken

Kasinos schließen, Stärken bewahren

Wer hätte das für möglich gehalten: Fünf Jahre nach Beginn der Weltfinanzkrise – und rechtzeitig zum Bundestagswahlkampf – hat die Bundesregierung endlich ihre Antwort auf den Beinahezusammenbruch des Bankensystems präsentiert. Demnach sollen Großbanken künftig eigene spekulative Geschäfte von den Spareinlagen der Kunden abtrennen müssen: Ab einer bestimmten Größe müssen alle Spekulationsgeschäfte auf der Basis des Eigenhandels und Geschäfte mit Hedgefonds in laut Finanzminister Schäuble „rechtlich, wirtschaftlich und organisatorisch selbstständige“ Handelsgesellschaften auslagern. Als Schwellenwert gilt: Die Vermögenswerte müssen mehr als 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme ausmachen oder größer als 100 Mrd. Euro sein.[1]

Die sogenannten systemrelevanten Banken, deren Zusammenbruch das ganze Finanzsystem gefährden könnte, sollen Notfallpläne zur Sanierung oder Abwicklung bei etwaigen Schieflagen (sogenannte Bankentestamente) verpflichtend bei den Finanzaufsichtsbehörden hinterlegen. Schließlich sind Haftstrafen von bis zu fünf Jahren für führende Bank- und Versicherungsmanager vorgesehen, wenn diese bei den Finanzgeschäften der Unternehmen ihre Pflichten zur Risikokontrolle vernachlässigen.

All das ist richtig – wie bereits der umgehende Protest der Finanzindustrie beweist. Die Pläne gehen jedoch nicht weit genug, ja nicht einmal soweit wie jene von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück oder der EU-Arbeitsgruppe unter dem finnischen Notenbanker Erkki Liikanen. Was wir tatsächlich benötigen, ist der Aus- und Umbau des deutschen Bankensystems zu einem dienenden und dezentralen, vernetzten und demokratischen System. Was wir dagegen gerade nicht benötigen, obwohl diese Forderung ebenfalls erhoben wird, ist die Abschaffung des deutschen Universalbankensystems zugunsten des angelsächsischen Trennbankensystems.

Denn das würde das Kind mit dem Bade ausschütten: Dass Deutschland im internationalen Vergleich der Bankensysteme positiv abschneidet, ist in erster Linie auf das Universalbankensystem zurückzuführen. Während in den USA seit 2008 etliche Banken pleite gingen, erwies sich die überwiegende Zahl der Kreditinstitute in Deutschland als recht robust. Zudem waren es in erster Linie reine Investmentbanken, wie die am 15. September 2008 abgestürzte Lehman-Brothers, die maßgeblich zur Finanzmarktkrise beigetragen haben. Auch bei der mit 120 Mrd. Euro durch den Bund geretteten Hypo-Real-Estate handelt es sich nicht um eine Universalbank, sondern um eine Spezialbank im Pfandbriefbereich.

Alle Geschäfte unter einem Dach

In Deutschland bewegten die Universalbanken 2010 mehr als 75 Prozent der gesamten Bilanzsumme. Den größten Anteil stellen die meistens kommunal verantworteten Sparkassen und die genossenschaftlich verfassten Volksbanken. Dagegen entfielen 25 Prozent der Bilanzsumme auf Spezialbanken wie öffentliche und private Bausparkassen, Förderbanken und Wertpapiersammelbecken. Abenteuerliche Finanzmarktgeschäfte zu Lasten der normalen Kunden im Filialgeschäft betrafen nur private Großbanken sowie einige Landesbanken. Im Unterschied zum angelsächsischen Trennbankensystem werden im deutschen Universalbankensystem praktisch alle Bankgeschäfte unter dem Dach eines Geldhauses wahrgenommen. Der größte Teil der Universalbanken, die Sparkassen und Volksbanken, verfügen zudem über ein wichtiges Charakteristikum: Spekulatives Investmentbanking auf der Basis des Eigenhandels – also ohne Kundenauftrag – und jenseits der Börsen wird nicht betrieben. In Deutschland gibt es derzeit nur zwei Universalbanken, die Kundengeschäfte mit dem spekulativen Investmentbanking unter einem Dach betreiben: die Commerzbank, die durch eine 25prozentige Kapitalbeteiligung des Bundes saniert wird, sowie die im spekulativen Investmentbanking besonders aktive Deutsche Bank. Aus diesem Grund spielt das spekulative Investmentbanking – über den Eigenhandel und den außerbörslichen Handel – im deutschen System keine strategische Rolle. Lediglich einige Landesbanken, die aus dem Sparkassenbereich entstanden sind, haben, indem sie sich als Großbanken gerierten, mit ihrem Investmentbanking die Gesamtbilanz der öffentlichen Banken belastet. Insgesamt war Deutschland jedoch, im Vergleich zu anglo-amerikanischen Instituten, an der Produktion von Zockerpapieren nur geringfügig beteiligt. Nur die Deutsche Bank zählt hier zu den Global Players. Sie war bei der Erfindung von Wetten auf alle möglichen Tatbestände dabei und hat beim Verkauf auch von dubiosen Produkten über ihre Dependancen in London und in New York an der Wall Street aktiv mitgemischt. Diese Wirklichkeit widerlegt all jene aus dem Privatbankenbereich und der Politik, die immer wieder mit neoliberaler Inbrunst den öffentlich-genossenschaftlichen Bankenbereich zugunsten profitwirtschaftlicher Banken schrumpfen lassen wollten. Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber stellte dagegen zu Recht fest: „Vor allem die auf regionale Kreditgeschäfte fokussierten Aktivitäten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben vor den Auswirkungen der Finanzkrise geschützt.“[2]

Deutschland oder Die Kraft der drei Säulen

Der entscheidende Grund für die erstaunliche Robustheit des deutschen Universalbankensystems findet sich nämlich in einer weiteren zentralen Eigenschaft: Das Drei-Säulenmodell sorgt dafür, dass sich die große Mehrheit der Kreditinstitute voll auf das Kundengeschäft konzentriert. Die drei Säulen sind:

Erstens: Privatbanken. Hierzu zählen Großbanken wie Deutsche Bank und Commerzbank, viele kleinere Privatbanken, die Zweigstellen ausländischer Banken sowie Realkreditinstitute, beispielsweise Hypothekenbanken. Sie agieren hauptsächlich als Universalbanken und sind meist Aktiengesellschaften, daneben gibt es auch Personengesellschaften. Es sind insbesondere die Großbanken, mit einem Anteil von 17,6 Prozent am gesamten Geschäftsvolumen 2011, die hochriskante Spekulationsinstrumente ohne Bezug zur realen Ökonomie kreiert haben und im Rahmen ihres Investmentbanking über Eigenhandel und außerhalb der Börsen verkauft haben.

Zweitens: Öffentlich-rechtliche Banken. Dazu gehören Sparkassen, Landesbanken, Landesbausparkassen und Banken mit Sonderaufgaben wie die KfW-Bankengruppe. Eigentümer sind meistens der Bund, die Länder oder die Gemeinden. Nach den jeweiligen gesetzlichen Vorgaben sind diese Institute nicht der Profitmaximierung, sondern dem Gemeinwohl verpflichtet.

Drittens: Genossenschaftsbanken.Als eingetragene Genossenschaft firmieren die Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Sparda-Bank. Hinzugerechnet werden die beiden Zentralinstitute DZ Bank als Zentralinstitut für 9000 Genossenschaften sowie die WGZ Bank, die die Zentralbank der Volksbanken und Raiffeisenbanken im Rheinland und in Westfalen sowie Geschäftsbank für Kapitalmarktpartner und Firmenkunden ist. Zudem zählen die genossenschaftlichen Bausparkassen dazu. Für die Rechtsform der Genossenschaft gilt: Der Kauf von Geschäftsanteilen führt zur Mitgliedschaft und zum Status als Miteigentümer. Diese genossenschaftliche Basis erschwert eine Übernahme dieser Banken durch Dritte.

Die drei Säulen – Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken – unterscheiden sich durch die Eigentumsstrukturen, das Regionalprinzip, die Intensität der Profiterzielung beziehungsweise Gewinnbeteiligung und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Schwerpunkte der Geschäftstätigkeiten. Zum einen ist die Orientierung der genossenschaftlichen Kreditinstitute und der Sparkassen am Gemeinwohl entscheidend für die Immunität gegen spekulative Risiken; zum anderen hat das Regionalprinzip für die beiden Säulen ruinösen Wettbewerb verhindert und zur besseren Versorgung mit Bankdienstleistungen vor Ort geführt. Die Trennschärfe zwischen den Privatbanken und den anderen beiden Säulen hat in der Phase der wachsenden Spekulationsgeschäfte zwar an Bedeutung eingebüßt. So kreierten die Sparkassen und Volksbanken Spekulationspapiere nicht selbst, verkauften diese jedoch zum Teil ohne ausreichende Information über deren Risiken an Kunden. Insgesamt konnte aber durch die Relevanz der nicht aggressiv profitwirtschaftlich betriebenen Bankenbereiche das volle Durchschlagen der Finanzmarktkrise auf Deutschland verhindert werden.

Schleift das deutsche Modell!

Dennoch wurde – und wird – das deutsche Modell immer wieder attackiert. Erinnern wir uns: Als die Entfesselung der Finanzmärkte in Deutschland auf der Tagesordnung stand, wurde bereits die Zerschlagung der profitwirtschaftlich angeblich viel zu zahmen Kreditinstitute gefordert. Die meistens auf kommunalem Eigentum beruhenden Sparkassen sollten privatisiert und zur Übernahme – auch durch private Großbanken – vorbereitet werden. Irrationaler Druck kam zudem von den Kommunen, die die Chance witterten, zusätzliche Einnahmen aus dem Verkauf ihrer Beteiligung zu erzielen. Belastungen für die Wirtschaft sowie die Bevölkerung fanden im kurzfristigen Kosten-Nutzen-Kalkül keine Berücksichtigung. Einige Versuche der Privatisierung scheiterten jedoch am Widerstand vor Ort. Der damalige Präsident des Bundesverbands der deutschen Banken und Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank, Rolf-Ernst Breuer, erklärte im Oktober 2002 „Das Drei-Säulen-Modell hat keine Zukunft.“ Die eigentliche Botschaft lautete: Schafft die Landesbanken als leidige Konkurrenz ab und übereignet die Institute profitwirtschaftlichen Großbanken. Auch seitens der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds hagelte es in der Phase des Privatisierungsrausches massive Kritik an den Landesbanken wegen ihrer besonderen öffentlichen Garantien im Krisenfall.

Die Banken und Sparkassen, die ins Kreuzfeuer der neoliberalen Kritik geraten waren, haben die Privatisierungsvorschläge wie auch die Finanzkrise inzwischen überstanden. Ihre Vorteile werden auch durch regionalökonomische Untersuchungen bestätigt: In der Region sichern die Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine für die Wirtschaft und Bevölkerung wichtige Infrastruktur. Wäre auch hier dem Deregulierungswahn gefolgt und die Privatisierung dieser Banken tatsächlich durchgesetzt worden, hätte dies tiefe Löcher in das regionale Infrastrukturnetz gerissen, zu Lasten der Kredite nehmenden Wirtschaft. Die Finanzmarktkrise hätte sich dann in Deutschland bis in den letzten Winkel der Republik ausgetobt.

Allerdings bedurfte es in der Tat erst der materiellen Gewalt dieser Krise, um einen fundamentalen Paradigmenwechsel zu vollziehen. Heute schreiben auch die Spekulationsbanken deutlich niedrigere Renditeziele in ihre mittelfristige Wirtschaftsplanung. So sah sich die Deutsche Bank veranlasst – weniger aus Einsicht, sondern getrieben von der Krise im Investmentbanking –, ihre Renditeerwartung von 25 Prozent auf 15 Prozent zu reduzieren. Im letzten Quartal 2012 musste sie sogar einen satten Verlust vermelden. Zusammen mit der verordneten Anhebung des Eigenkapitals schmilzt der Spielraum für Spekulationsgeschäfte dadurch empfindlich.

Kurzum: Das nur wenige Jahre dominierende Geschäftsmodell der finanzmarktgetriebenen Investmentbank ist gescheitert und wird nun zu Recht auch von der Bundesregierung geächtet – hoffentlich nicht nur aus wahltaktischen Gründen. Paul Krugman hat bereits im April 2009 in seinem berühmten Kommentar in der „New York Times“ mit der Forderung auf den Paradigmenwechsel hingewiesen: „Making Banking Boring!“ („Macht das Bankgeschäft langweilig!“). Ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerät so endlich wieder die stinklangweilige, aber seriöse, ganz altmodische Bank, die der Wirtschaft und der Bevölkerung in der Region und vor Ort dient. Die Überlegenheit des öffentlich zu verantwortenden und des genossenschaftlichen Eigentums gegenüber der Privatwirtschaft wurde durch die generelle Leistungsfähigkeit dieser Banken und speziell durch ihre Robustheit gegenüber der Finanzmarktkrise bestätigt.

Sogar bis in die USA hat sich die Qualität der öffentlich-rechtlichen und der genossenschaftlichen Säule des deutschen Modells offenbar herumgesprochen. Als Barack Obama in seinem großen Reformprogramm zur Bändigung der Finanzindustrie den Grundsatz der originär dienenden Banken ohne Spekulationsabteilungen im Eigenhandel propagiert hatte, soll er gefragt worden sein, ob er dafür Beispiele nennen könne. Mit Blick auf seine Wirtschaftsberaterin und Vorsitzende des Council of Economic Advisors, Christina Romer, soll er die Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Deutschland genannt haben.

Die „strukturierte Universalbank“

Deutschland ist daher gut beraten, seine regional und kommunal wirksamen Banken zu stärken, die auf der Basis öffentlich-rechtlichen oder genossenschaftlichen Eigentums funktionieren. Worauf es dabei ankommt, sind klare Konturen eines zukunftsfähigen deutschen Bankensystems: dienend und dezentral, vernetzt und demokratisch.

Dafür braucht das Rad allerdings nicht komplett neu erfunden zu werden. Die öffentlich-rechtliche und die genossenschaftliche Säule garantieren bereits wichtige Elemente: So sichert das Angebot an Bankdienstleistungen in der Region und vor Ort die volkswirtschaftlichen Funktionen des Zahlungs- und Kreditverkehrs sowie die Einlagengeschäfte für Sparer in der Fläche. Diese allgemein zur Verfügung gestellte Infrastruktur nutzt den Unternehmen, der Bevölkerung sowie der kommunalen Selbstverwaltung. Darüber hinaus stellt diese Banken-Infrastruktur auf der Basis des Regionalprinzips einen Deich dar, der die auf den internationalen Finanzmärkten ausgelösten Sturmfluten einigermaßen abzuwehren vermag.

Allerdings ist der Deich in den letzten Jahren massiv durchlöchert worden. Um den Dammbruch zu vermeiden, muss die Politik die Finanzmärkte wirksam regulieren bzw. nicht regulierte Bereiche endlich erfassen.

Dabei rückt erneut das spekulative Investmentbanking in den Mittelpunkt. Hier werden Finanzinstrumente geschaffen und gehandelt, die keinerlei Bezug zur realen Produktion haben. Dazu ein Bespiel: Bei über 95 Prozent der Devisentermingeschäfte geht es nicht um die sinnvolle Absicherung eines Unternehmens gegen Wechselkursrisiken, sondern um rein spekulativ getriebene, auf schnelle Profite ausgerichtete Geschäfte, die eine rationale Preisbildung auf den Devisenmärkten verhindern. Deshalb ist strikte Risikotrennung angesagt. Diese Risikoabschirmung lässt sich nach Ansicht mancher durchaus unter dem Dach einer Großbank realisieren: Innerhalb einer Holding werden die beiden Bereiche durch eine „chinesische Mauer“ getrennt. Wenn beispielsweise der spekulative Investmentbereich der Deutschen Bank abstürzt, dann muss künftig das Kundengeschäft davon verschont bleiben. Sprich: Bei geplatzten Spekulationsgeschäften muss die Einlagensicherung für die Sparer zum Einsatz kommen – wie dies offenbar auch in den Plänen der Bundesregierung der Fall ist.

Die durch John Vickers geleitete Expertenkommission zur Restrukturierung der Banken in Großbritannien präferiert dieses Spaltungsmodell unter dem Stichwort „strukturierte Universalbank“. Die dort vorgesehene Abschirmung (Ringfencing) der Spekulationsrisiken ist jedoch unzureichend. Wird das spekulative Investmentbanking nur innerhalb einer Universalbank verlagert, ja ausgelagert, so dass diese neue Einheit die alten Geschäfte weiter betreibt, dann wird die Risikoproduktion, die schließlich zu Verlusten führt, nur konserviert – mit massiven Drittwirkungen.

Es geht also letztlich nicht um die Frage, ob das Investmentbanking in Universal- oder Spezialbanken abgewickelt wird. Zentrale Aufgabe ist es, die Risikoproduktion insgesamt lahmzulegen. Nur dann wäre wirklich die Gefahr gebannt, Banken bei Verlusten aus Spekulationsgeschäften wegen ihrer Größe staatlich retten zu müssen. Der automatische Anspruch auf Rettung wegen der Systemrelevanz und dem „Too big to fail“-Argument entfiele. Das Universalbankensystem muss daher nicht aufgehoben, sondern endlich vom gemeingefährlichen spekulativen Investmentbanking befreit werden.

Was Not tut: Die Spielregeln des neuen Bankensystems

Folgende Maßnahmen zur Reform der gesamten Bankeninfrastruktur sind innerhalb eines Gesamtkonzeptes dringend erforderlich: Hoch spekulative Finanzmarktinstrumente müssen reguliert bzw. verboten werden. Der Eigenhandel zwischen den Banken muss abgeschafft werden. Nur noch die Marktpflege, die Banken zugunsten von Kunden (Market Making) vornehmen, darf zulässig sein. Für alle gesetzlich regulierten Banken haben künftig die strengen Vorschriften zur Absicherung von Risikopositionen mit Eigenkapital zu gelten. Hierfür stehen die erhöhten Anforderungen nach Basel III Pate.[3]

Schließlich darf die Zerschlagung nicht im Bereich der Spekulationsbanken stehen bleiben. Infolge der Regulierungen wandern Investmentabteilungen immer mehr in die Welt der Schattenbanken ab, bestehend aus Hedgefonds und anderen dubiosen Finanzinvestmentunternehmen. Schattenbanken betreiben den regulierten Banken vergleichbare Geschäfte, jedoch außerhalb jeglicher Kontrolle. Gefahren drohen wegen der Verbändelung dieser unkontrollierten Finanzmarktmogule mit dem lizenzierten Bankensystem. Die über 9000 Hedgefonds haben mittlerweile über 30 Prozent des gesamten Kreditgeschäfts übernommen. Sie werden zum Fluchtort aus dem regulierten Bankenbereich. Diese Schattenbanken müssen verboten werden. Banken sind generell nur dann zuzulassen, wenn sie klaren Spielregeln gehorchen.

Auf das Versprechen der Besserung durch einen Kulturwandel innerhalb der Großbanken darf sich der Staat bei der Reform des Bankenwesens allerdings auf keinen Fall verlassen. Übrigens basiert der angekündigte „Kulturwandel“ der Deutschen Bank auf einer schlichten Verniedlichung der von ihr profitgetriebenen Spekulationsgeschäfte. Mit Verantwortung für Gesellschaft und Kultur haben diese nichts zu tun. Erst mit dem Abschied von abenteuerlichen Profitraten wird auch der Druck, zu korrupten Machenschaften zu greifen, schwinden. Die Gefahr ist jedoch groß, dass nach einer kurzen Phase der versprochenen Demut die unkontrollierte Gewinndynamik auf Basis von Spekulationsgeschäften wieder die Oberhand gewinnt – dann allerdings im abgetrennten Investmentbanking.

Letztlich geht es daher in der Tat um die Zerschlagung[4] der Banken: Die Instrumente des spekulativen Investments, jene „Massenvernichtungswaffen“, müssen grundlegend demontiert werden. Die Abschirmung der Investmentbanking-Risiken reicht dafür allein nicht aus. Die gewollte Folge der notwendigen Änderung des Geschäftsmodells sind jedoch schrumpfende Renditeerwartungen. Die Politik braucht daher vor allem eins – den Mut, den betroffenen Banken diesen gewollten Renditeverzicht zu verkünden. Die Antwort auf die Finanzmarktkrise wären dann Universalbanken, aber dezidiert ohne den Geschäftszweig „Erfindung und Handel mit Zockerpapieren“. Denn würden diese Geschäfte nur abgespalten und gebändigt, dann bliebe die Gefahr, dass auch die neuen Spezialbanken mit Spekulationsgeschäften zum Krisentreiber würden. Dagegen eignen sich die öffentlichen und genossenschaftlichen Bankinstitute trotz Kritik am Kundengeschäft als Referenzsystem für eine Transformation in ein dienendes, dezentrales und demokratisches Bankenangebot.

In den Statuten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken steht die verpflichtende Orientierung auf das Gemeinwohl. Dieses Prinzip richtet sich prinzipiell nicht gegen die Wirtschaftlichkeit. Vielmehr geht es um den Ausgleich zwischen Gemeinwohlorientierung einerseits und Erzielung von Erträgen für eine nachhaltige Geschäftsentwicklung andererseits. Dazu gehört auch die angemessene Ausschüttung von Gewinnen an die Eigentümer. Der Genosse als Miteigentümer seiner Raiffeisenbank soll am Ertrag durchaus beteiligt werden. Allerdings richtet sich die Gemeinwohlorientierung gegen die von den originären Bankgeschäften entkoppelte Profiterzielung um jeden Preis. Dabei nützt die Leitplanke Gemeinwohl auch der nachhaltigen Sicherung des Geldinstituts und damit der Gesellschaft. Könnte man diesen Grundsatz für allgemeinverbindlich erklären – etwa in Deutschland mit Bezug auf Artikel 14 Abs. 2 Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet“ –, dann blieben in Zukunft die negativen Folgen einer Renditemaximierung mit hoch riskanten Spekulationsgeschäften dem gesamten Bankensektor und schließlich auch der Realwirtschaft erspart. Präventiv verhindert werden auf diese Weise negative externe Effekte, die am Ende zur Vergesellschaftung der Kosten privatwirtschaftlicher Renditewut zwingen.

Gewiss, bei den privatwirtschaftlichen Banken auf der Basis von Aktiengesellschaften lässt sich das Gemeinwohl nicht direkt in die Verfassungen schreiben. Deshalb kommt es darauf an, die Verfügungsgewalt über das Eigentum durch Regulierungen und Spielregeln einzuschränken (beispielsweise das Verbot von Leerverkäufen). Indem das privatwirtschaftliche Eigentum politisch eingeschränkt wird, kann dessen kapitalistische Krisendynamik entschärft werden.

Mehr Demokratie wagen

Nach dem Versagen der Aufsichtsräte bei Großbanken sowie auch einiger Verwaltungsräte bei öffentlich-rechtlichen Banken wird eine Forderung schließlich unumstößlich: Die Verfügungsgewalt in Banken muss demokratisiert werden. Im Mittelpunkt muss dabei der Ausbau der Mitbestimmung zugunsten der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften stehen. Sicherlich kann nicht bestritten werden, dass bei fundamentalen Fehlentscheidungen der letzten Jahre auch die Vertreter der Beschäftigten anwesend gewesen sind, ja vielfach auch mitgewirkt haben. Zur Intervention gegen Vorstandsentscheidungen fehlte es oft an Mut oder bei den mutigen, aber zu wenigen Betriebsräten an ausreichender Kraft.

Deshalb geht es heute nicht um weniger, sondern um mehr Mitbestimmung in allen Banken. Die genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken sollten beim Ausbau der Mitbestimmung die Pionierfunktion übernehmen. Vorbild könnte dafür das Modell der Montan-Mitbestimmung sein, das bei paritätischer Besetzung für das Kapital und die Arbeit ein neutrales Mitglied vorsieht. Auch muss die Berufung der Banken-Räte reformiert werden: Seilschaften bei der Berufung der Kapitaleigner sind strikt zu unterbinden; bisherige Mitglieder des Vorstands dürfen nicht den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen. Und Staatssekretäre sollten keine Aufsichtsratsmitglieder mehr werden – vor allem nicht in Banken, die der Staat später retten muss.

Nach der dramatischen Finanzkrise, mitverursacht durch verantwortungslose Banker, sollten die marktfundamentalistischen Heißsporne nun endlich umschalten – auf die Stärkung der dienenden Funktionen ihrer Banken für die Wirtschaft in den Regionen und Kommunen. Nicht erst die Finanzmarktkrise lehrt: Deutschland ist gut beraten, die regional und kommunal wirksamen Banken zu stärken, auf der Basis öffentlich-rechtlichen oder genossenschaftlichen Eigentums. Bad Banks zur Rettung abstürzender, angeblich systemrelevanter Kreditinstitute würden dann in Zukunft überflüssig.

 

[1] Vgl. etwa: Regierung verschärft Bankenregulierung, www.zeit.de, 6.2.2013.

[2] Dow-Jones – Aktuelle Nachrichten am 16. November 2009, 9:56 Uhr, www.dowjones.de/site/2009/11/bundesbankweber.

[3] Der Widerstand der US-Finanzaristokratie gegen die durch Paul Volcker aufgestellten Regeln zum Eigenhandel bestätigt die Richtigkeit der Reformpolitik. Sie untersagt Investmentbankern die Gründung von Hedgefonds bzw. die Beteiligung an diesen. Die Risikoproduktion durch Auslagerung und Vernetzung soll dadurch eingeschränkt werden.

[4] Vgl. Rudolf Hickel, Schöpferische Zerstörung. Warum Deutsche Bank & Co. zerschlagen werden müssen, in: „Blätter“, 3/2012, S. 65-76; ders., Zerschlagt die Banken: Zivilisiert die Finanzmärkte. Eine Streitschrift, Berlin 2012.

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