Generalverriss auf dem Hause S&P

Downrating Es verletzt die geltende Marktlogik, eine Rating-Agentur als Sündenbock zu geißeln und die politischen Umstände ihrer Entscheidungen außer Acht zu lassen

Die Agentur Standard Poor’s hat sich in der Eurozone bis auf weiteres jeden Sympathiebonus verscherzt. Sie hat die Stirn besessen, denen auf die Füße zu treten, die nach ihrer Ansicht einen bestimmten Kreditbonus nicht länger verdienen. Prompt werden die Entscheidungen der US-Analysten mit Begriffen wie „gezielter Angriff“ oder „durchsichtiges Manöver“ bedacht. Doch es ist zweifelhaft, ob mit diesem bellizistischen Vokabular zutreffend beschrieben wird, was gerade passiert.

Sicher, wenn auf einen Schlag neun Eurostaaten, inklusive Frankreich, einen allgemeinen Verfall ihrer Kreditwürdigkeit erfahren und verkraften müssen, geht es um viel. Wenn auch nicht ums Ganze. Auf jeden Fall schwelt ein veritabler Währungskrieg, in dem sich der Dollar urplötzlich wieder als globale Leitwährung hochpumpt, während der Euro in einem Dämmerzustand verharrt, im Kurs fällt, sich wieder fängt, aber alles in allem der unsichere Kantonist bleibt, dessen Schwur auf eine ungetrübte Zukunft allzu sehr nach Meineid klingt.

Daran allerdings hat die Rating-Agentur Standard Poor’s allenfalls einen geringen Anteil. Wenn sie dem Europäischen Rettungsfonds (EFSF), der private Gläubiger kreditwillig und staatliche Schuldner kreditwürdig machen soll, gleichfalls die beste Benotung bestreitet, ist das folgerichtig. Da von den Einlegern nur noch vier – Deutschland, Luxemburg, Finnland und die Niederlande – den höchsten Bonitätswert behaupten, kann es kein anderes Votum geben. So schmerzlich das sein mag in einem Augenblick, da von nochmaliger Auf­stockung des Fonds die Rede ist. Der mit einem großen Rettungsversprechen aufwartende Kapitalstock bedarf eines ausreichenden Polsters, wenn 2012 in der Eurozone etwa 900 Milliarden Euro für neue Kredite gebraucht werden, oder er hat seinen Zweck verfehlt. Das führt zu der Frage: Dürfen in solch angespannter Lage die US-Rating-Spezialisten mit der EU einen Leistungsträger der Weltökonomie derart in die Enge treiben?

Die Antwort lautet – ja! Weil das Downrating aus dem Hause S von den Regierungen der Eurozone wie den EU-Kommissaren leider nicht als das begriffen wird, was es neben aller versuchten Marktsteuerung oder -manipulation ebenfalls ist: ein Misstrauensvotum gegen die von Deutschland diktierte Anti-Krisen-Strategie, die an der Schwelle zur Rezession auf Spar- und Stabilitätsdogmen setzt, nach dem Motto: Wenn alle um die Wette schrumpfen, wird es irgendwann auch allen besser gehen.

Dass Marktbeobachter wie die von S davon offenkundig wenig halten, ist nicht nur ihr gutes Recht, sondern ihre professionelle Pflicht. Als deren Anwalt geben sie Finanzinvestoren mit den schlechteren Noten für neun Euro-Staaten zu verstehen: Sollten Sie Gläubiger sein in Euroland, rechnen Sie mit dem Schlimmsten. Tun Sie durch Zinsen, Tilgungsfristen und -raten etwas für Ihre Renditen. Schauen Sie auf Griechenland und sehen Sie, wohin erzwungene ökonomische Auszehrung führt. Konsum und Investitionen werden gedrückt. Die Wirtschaft verliert letzte Antriebskräfte. Dem griechischen Staat bleiben bei gedrosselten Ausgaben nur schrumpfende Einnahmen. Auch geschieht nichts gegen die Handelsungleichgewichte im Euroraum.

Damit gerät Schuldentilgung zum frommen Wunsch. Wer ein Anhänger der freien Marktwirtschaft ist, wird dieser Analyse die Marktlogik nicht absprechen wollen. Was nichts daran ändert, dass die Großmeister der Finanzexpertise in ihrer Branche den Markt vollkommen beherrschen, so dass es dort keinen freien Markt mehr gibt.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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