Dr. Wehmut und der »Vater im Wind«
Heute vor hundert Jahren wurde George Tabori geboren
Es ist eine provokante, weil so verflucht wahrhaftige Auffassung von Menschlichkeit: dass ein Jude ausgerechnet Hitler einen möglichen Bruder nennt. In George Taboris Stück »Mein Kampf« ist Hitler der Gestrandete im schmutzigen Dämmer eines Wiener Männerasyls - und wer ihm die Idee zum Rassenwahnwerk eintreibt, ist ausgerechnet ein armer jüdischer Hausierer. Ein Bild für das hintergründigst Siamesische von Gut und Böse, von Tätern und Opfern - so, wie Tabori später auch Hitler und Stalin theatralisch zusammenbrachte. Seite und Kehrseite. Immer wieder produziert Geschichte Brüderschaften der Sehnsucht - nach Lieblingsfeinden. Tabori hat jüdische Angst und Lebenskraft, die Einheit von Kata-Strophe und etwas lustigeren Strophen in skurrile, kindische, tieftragische Schauspiele gepackt. Er war ein letzter, zäh-zarter Vertreter jener jüdischen Kraft à la Billy Wilder, die Europas Geistesleben vor der Naziherrschaft so enorm vitalisiert h...
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