Erneute Eskalation in Venezuela

Tödliche Gewalt nach Räumung von Protestcamps: Polizist erschossen. UNO-Kommissariat besorgt. US-Hardliner drängen auf Sanktionen

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Venezuelas Innenminister Miguel Rodríguez Torres nimmt zum Mord an dem Poliziste
Venezuelas Innenminister Miguel Rodríguez Torres nimmt zum Mord an dem Polizisten Stellung

Caracas. Nach der Massenverhaftung von Regierungsgegnern und dem Mord an einem Polizisten könnte die Lage in Venezuela wieder eskalieren, nachdem sie

sich in den letzten Wochen zunächst beruhigt hatte. Am Wochenende zogen erneut Gegner und Anhänger der Regierung auf die Straßen. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte erklärte am Freitag in Genf seine Sorge über Berichte von exzessiver Gewalt durch Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Regierungsnahe Medien und Akteure und Medien in Venezuela verwiesen indes auf die zunehmende Gewalt einer oppositionellen Minderheit.

Diesen Kreisen wird der Mord an dem Polizisten Jorge Colina am Donnerstag in Caracas zugeschrieben. Der 27-jährige Mann war am Rande von Straßenprotesten im Hauptstadtbezirk Chacao offenbar von Scharfschützen mit einer Kugel in den Kopf gezielt getötet worden. Deutsche Medien wie die evangelische Nachrichtenagentur epd ließen diesen Umstand aus und berichteten lediglich, der Mann sei "ums Leben gekommen". Mit dem Mord an dem Beamten steig die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit den seit Monaten laufenden Protesten auf 42 an.

Zuvor an dem Tag waren mehrere Protestcamps von Regierungsgegnern in Caracas aufgelöst worden. Sie waren das letzte Überbleibsel der Monate währenden Proteste, die vor allem in der Hauptstadt und anderen großen Städten des Landes stattgefunden hatten. Bei der Auflösung der insgesamt vier Protestcamps seien über 243 Aktivisten vorübergehend festgenommen worden, sagte Innenminister Miguel Rodríguez Torres. Dabei seien unter anderem Waffen, Drogen und Feuerwerkskörper beschlagnahmt worden. Am Samstag demonstrierten in Caracas Regierungsgegner gegen diese Festnahmen. Die oppositionelle Nichtregierungsorganisation Foro Penal bestätigte indes die Freilassung von 52 Aktivisten. Medienberichten zufolge wurden am Samstagabend fast alle der Festgenommenen wieder freigelassen.

Die Proteste der meist aus der Oberschicht und der oberen Mittelschicht stammenden Regierungsgegner richten sich offiziell gegen Engpässe bei der Warenversorgung und wirtschaftliche Probleme. Zugleich wird jedoch offen der Sturz der sozialistischen Regierung gefordert. Diese spricht dabei von einem schleichenden Putschversuch. Seit gut einem Monat laufen Gespräche zwischen der Regierung und dem demokratischen Teil der Opposition. Ziel ist es, den politischen Differenzen zum trotz einen Ausweg aus der Eskalationsspirale zu finden.

Hardliner im US-Senat versuchen die Auseinandersetzungen indes für Sanktionen gegen Venezuela zu nutzen, dessen Regierung neben der kubanischen Staatsführung zu den vehementesten Kritikern Washingtons in Lateinamerika und der Karibik gehört. Die außenpolitische Kommission des US-Abgeordnetenhauses hat Ende der Woche einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der Sanktionen gegen venezolanische Politiker ermöglichen soll, die von der US-Regierung für Menschenrechtsverstöße verantwortlich gemacht werden. Autorin des Vorhabens ist die Abgeordnete der Republikanischen Partei Ileana Ros-Lehtinen. Die rechtskonservative Politikerin ist wegen ihrer Kontakte zu gewaltbereiten Gegnern linker Regierungen in Lateinamerika und der Karibik umstritten.