Der besondere Charakter, der Ruf von Hamburg als weltoffener Metropole gründete sich lange darauf, dass die Stadt Platz bot, auch für die am Rand der Gesellschaft Stehenden. Hamburg bedeutete Jungfernstieg-Chic und St.-Pauli-Prekariat gleichermaßen. Jetzt kam die Hamburger Stadtreinigung auf eine perfide Idee: Sie ließ 160 neue Mülleimer in der Innenstadt aufstellen, aus denen sich – wegen eines Kippmechanismus – keine Pfandflaschen mehr herausfischen lassen. Die Sammler sollen offenbar aus dem Stadtbild verschwinden.
Es war schon immer ein probates Mittel, unerwünschte soziale Gruppen nicht explizit durch Verbote auszuschließen, sondern ihnen die Lebensgrundlage zu entziehen. Man spart sich die ganzen Paragrafen und schafft ganz einfach Fakten. Das Gute an der Hamburger Lösung ist, dass sie Raum zur Subversion bietet. Es ist an der Zeit, sich Gedanken zu machen, wie wir unsere Pfandbeziehungen führen wollen. Es ist die Gelegenheit zu fragen, ob es nicht ohnehin ziemlich rücksichtslos war, Pfandflaschen überhaupt erst in den Müll zu werfen. Man weiß ja, dass sie jemand wieder herausholen wird. Warum brauchen wir Mülleimer zwischen uns? Vor allem: Warum brauchen wir die Verwaltung zwischen uns?
Von den Kommunen ist keine Hilfe zu erwarten. Der Designer Paul Ketz hat vor einiger Zeit einen Ring entworfen, in den man die Flaschen an der Außenseite von Mülleimern stecken kann. Ketz hat einen Preis vom Umweltministerium dafür bekommen – aber kaum eine Stadt will etwas von seiner Erfindung wissen. Lediglich in Köln-Ehrenfeld und im fränkischen Bamberg hängen welche.
Die Pfandbeziehung ist eine Symbiose, die aus dem Zusammenbruch des Sozialstaats erwachsen ist. Wir sollten gerade deswegen nicht zulassen, dass Kommunen bestimmen, unter welchen Bedingungen sie geführt wird. Sie muss über andere Netzwerke laufen.
Ziemlich gut funktioniert die Internetplattform pfandgeben.de. Dort gibt es ein Verzeichnis von Sammlern, die Flaschen direkt von zu Hause abholen. Als ich in Hamburg gelebt habe, habe ich immer Claus angerufen. Er war innerhalb von einer Viertelstunde da, und es war für beide Seiten deutlich angenehmer, als etwas in den Müll zu werfen, damit Claus es rausfischt.
Und was macht man mit dem ausgetrunkenen Wegbier? Am besten die Flaschen den Menschen direkt in die Hand drücken. Oder sie ruhigen Gewissens auf einem prominenten Flecken in der Innenstadt platzieren. Wird garantiert gleich von jemandem abgeholt.
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