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Globales Pressing Mit ihren Auslandseinsätzen bringt es die Bundeswehr seit 1991 auf eine ansehnliche, zugleich erschreckende Quote. Jetzt soll auch noch Mali ins Repertoire
Bundeswehr-Patrouille in Narwan/Afghanistan
Bundeswehr-Patrouille in Narwan/Afghanistan

Foto: Miguel Villagran/Getty Images

Wenn sich die Bundeswehr als weltweit verfügbares Interventionskorps versteht, dann ist demnächst ein Sprung nach Mali nur logisch – allerdings auch riskant. Der Bundeswehrverband äußert sich skeptisch. Man sollte vor einer Mission, das politische Ziel klären und möglichst wissen, wie man eine solche Expedition wieder beendet. Ungeachtet dessen scheint es für die Bundesregierung überaus verlockend zu sein, in Nordafrika militärisch Präsenz zu zeigen und der dort überaus regen Ex-Kolonialmacht Frankreich einen europäischen Part nicht allein zu überlassen. Warum sich noch groß bei den Lehren des Afghanistan-Feldzuges aufhalten? Dort begann der Bundeswehreinsatz vor elf Jahren unter ähnlichen Vorzeichen – Stichwort Anti-Terror-Kampf – und mündete in einen zermürbenden Besatzungskrieg, der noch nicht beendet ist und opferreich bleibt.

Gut zu tun

Gibt es an Mali ein Interesse, dass vorhandene Risiken überstrahlt? Auf jeden Fall könnte die Regierung Merkel nachweisen, dass sie nicht länger ausschert, wenn Flurschäden des Arabischen Frühlings repariert werden. Es riecht nach Wiedergutmachung für die militärische Distanz, die Berlin 2011 während der Libyen-Intervention der NATO für geboten hielt. An propagandistischem Geschützfeuer und politischem Geleit beim Regime Change in Tripolis fehlte es keineswegs – nur flogen eben keine deutschen Kampfflugzeuge Angriffe gegen die Gaddafi-Armee und halfen, den Bürgerkrieg zu entscheiden.

Wie der zu Ende ging, erwies sich als Vorlage für die Sezession im Norden Malis. Einst mit Mummar al-Gaddafi verbündete Tuareg suchten dort Zuflucht und riefen ihren Staat Azawad aus, um sich dann von anfangs hilfreichen Dschihadisten übertrumpfen zu lassen. Die kontrollieren nun ein riesiges Gebiet und werden wohl kaum kampflos weichen. Mit anderen Worten, Malis Rückkehr zu territorialer Integrität kann nur erkämpft werden. Noch ist nicht endgültig entschieden, ob dies durch eine von den Vereinten Nationen abgesegnete Intervention geschieht, aber vieles spricht dafür. Soviel ist jetzt schon sicher, wer sich dabei militärisch exponiert, könnte gut zu tun haben und über Jahre gebunden sein. Sind sich Frankreich und Deutschland dessen bewusst? Halten sie es dennoch für angebracht, die fällige politische Neuordnung einer Region zu beeinflussen oder gar unter Kontrolle halten?

Eben nicht

Man erinnere sich, Anfang Juli hatte Verteidigungsminister Thomas de Maizière in einem Hörfunkinterview (MRD Info) mitgeteilt, es gebt weltweit keine Region, in der Deutschland nichts zu suchen habe, im Gegenteil. „Wir reden gern über Menschenrechte in aller Welt, und deswegen ist es auch Teil unserer Rolle in der Welt als eine Führungsmacht in Europa internationale Verantwortung wahrzunehmen zu können (sic.) – nicht zu müssen.“ Dass die Bundeswehr bereits bis heute an zahlreichen Auslandseinsätzen beteiligt ist bzw. war, zeigt diese Übersichtskarte.

So wie Deutschland nach dem 3. Oktober 1990 außenpolitische Souveränität als Normalität beansprucht, gilt es als Ausdruck dadurch erreichter Identität, aktive Weltordnungspolitik zu betreiben und sich an Weltordnungskriegen zu beteiligen. So weit muss es in Mali nicht kommen, kann es aber. Die mit einem Bundeswehreinsatz mögliche Machtprojektion dürfte davon jedoch nicht übermäßig tangiert werden. Das Motiv, Teil einer regionalen Ordnungsmacht zu sein, wird keine noch so eindringliche Risikoanalyse erschüttern.

Es geht eben nicht allein um Menschenrechte und Demokratie. Was sonst noch in Betracht kommt, hat ein Ex-Bundespräsident einmal in einem Interview so treffend skizziert, dass ihn die Offenherzigkeit das Amts kostete. Jener Horst Köhler meinte im Mai 2010, „dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren …“

So viel Klartext nötigte zum Amtsverzicht, die ehrliche Haut passte in keinen Smoking mehr.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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