Ausgabe Mai 2014

Griechenland als Exempel

Wie die EU-Sparpolitik ein Gesundheitssystem ruiniert

Im April 2012 wurde in Griechenland ein Gesetz verabschiedet, das es dem Gesundheitsministerium ermöglicht, Bürger auf Geschlechtskrankheiten zu testen – auch ohne deren Einwilligung. Das neue Gesetz war eine Reaktion auf Berichte von Krankenhäusern und Arztpraxen in ganz Griechenland, wonach die Zahl der HIV-Neuinfektionen allein zwischen Januar und Mai 2011 um 52 Prozent emporgeschnellt war. Einen derart drastischen Anstieg hatte es seit mehr als zehn Jahren in keinem westeuropäischen Land gegeben.[1] Die Nachricht von der HIV-Epidemie in Griechenland machte international Schlagzeilen. Da die hart umkämpften griechischen Parlamentswahlen unmittelbar bevorstanden, sah sich der griechische Gesundheitsminister Andreas Loverdos gezwungen zu reagieren. Das Ergebnis war eine Strategie, die historisch betrachtet in fast allen Ländern funktioniert hat, die mit der Epidemie einer sexuell übertragbaren Krankheit konfrontiert waren: Man schiebt die Schuld den Schwächsten in die Schuhe.[2]

Loverdos bezeichnete Prostituierte als „Bedrohung für die Gesellschaft“ und „Virenschleudern“ und erklärte feierlich, sie hinter Gitter zu bringen. Das Gesundheitsministerium spielte den griechischen Medien Fotos von HIV-positiven Prostituierten zu und brandmarkte die Frauen als „Todesfalle für Hunderte von Menschen“.

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