Guatemalas Friedensarchiv droht das Aus

Will Präsident Pérez Molina die Aufarbeitung des Krieges und seiner Rolle verhindern? Unklare Lage nach Kündigungen und Dementis

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Das Friedensarchiv in Guatemala
Das Friedensarchiv in Guatemala

Guatemala-Stadt. 17 Angestellte des guatemaltekischen Friedensarchivs, einer Abteilung des Friedenssekretariats SEPAZ, haben zum Ende des Monats Juni Kündigungsschreiben erhalten. Die Angestellten und Menschenrechtsorganisationen befürchten nun seine Schließung.

Das unter der Regierung von Álvaro Colom im Jahr 2008 gegründete Friedensarchiv beschäftigt sich unter anderem mit der Aufarbeitung der Militär- und Polizeiarchive, die während des internen bewaffneten Konflikts angelegt wurden, der in Guatemala von 1960 bis 1996 andauerte.

Die Digitalisierung und Analyse ehemaliger Geheimdokumente aus den Archiven der staatlichen Sicherheitskräfte dient dazu, während des Krieges begangene Menschenrechtsverletzungen aufzudecken. Des Weiteren veröffentlicht das Archiv Publikationen, zum Beispiel über illegale Adoptionen von Kindern oder über das Schicksal von Dutzenden von verschwundenen Personen. Auch stellt das Archiv Expertisen aus und engagiert Fachleute bei juristischen Prozessen gegen die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen während des Krieges. Dies ist etwa im aktuellen Genozidprozess gegen Efraín Ríos Montt der Fall.

Im Moment beschäftigen sich die von der Kündigung bedrohten Mitarbeiter auch mit der aufgelösten Präsidentengarde (EMP), die während des bewaffneten Konflikts eine wichtige und gefürchtete Geheimdienstfunktion eingenommen hatte und deren Befehlsgeber Otto Pérez Molina von 1993 bis Anfang 1996 derzeit das Präsidentenamt innehat.

Grund der Entlassung der Angestellten des Friedensarchivs ist laut Antonio Arenales Forno, dem Direktor von SEPAZ, eine Reorganisation innerhalb dieser Organisation. Auch sei die Aufarbeitung der entsprechenden Archive Aufgabe der Menschenrechtsorganisationen und die Untersuchung möglicher Straftaten liege in der Verantwortung der Staatsanwaltschaft, sagte der Funktionär.

Arenales Forno ist ein bekennender Leugner des Genozids in Guatemala. Vor seiner Ernennung zum Leiter des Friedenssekretariats amtierte der ehemalige Abgeordnete der rechtsgerichteten Partei FRG als Botschafter seines Landes bei der Europäischen Union in Brüssel, wo er maßgeblich an der Aushandlung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Zentralamerika beteiligt war. Mit Otto Peréz Molina saß er vor bald 20 Jahren am Verhandlungstisch der guatemaltekischen Friedensabkommen, er als Vertreter des Staates, Pérez Molina als Vertreter der Armee. Die beiden sind also ein eingespieltes Team.

In einer Presseerklärung kündigt die Betriebsgewerkschaft der SEPAZ-Angestellten Maßnahmen gegen die Kündigungen an. Für sie sind die Entlassungen ein Beispiel dafür, wie die Regierung von Pérez Molina die jüngste Geschichte Guatemalas verdrängen und ihre Aufarbeitung verhindern will. Dazu gehöre auch die Sprache, heißt es von dieser Seite mit einer deutlichen Kritik an Begriffen. So sei von "bewaffneten Zusammenstößen" statt "internen bewaffneten Konflikten" die Rede, man spreche von "Bestattungsorten" statt "Geheimfriedhöfen", oder, um Arenales Forno zu zitieren, von "Missbräuchen” statt "Genozid".

Die heftigen Kritiken und Reaktionen aus Menschenrechtskreisen auf die drohende Schließung des Friedensarchivs führten dazu, dass sich Präsident Pérez Molina und Antonio Arenales Forno am 1. Juni genötigt sahen, die Schließung des Friedensarchivs zu dementieren. Die aktuelle Umstrukturierung sei Teil der Menschenrechtspolitik der Regierung, die eine Fusion der Präsidialen Menschenrechtskommission (Copredeh), dem Entschädigungsprogramm PNR und dem Friedenssekretariat zum "Sekretariat für Menschenrechte und Frieden" anstrebe.