Hauptangreifer werden überbewertet

Wie Trainer Mark Lebedew die Berlin Volleys zum dritten Mal in Folge zum deutschen Volleyballmeister formte

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Berlin Volleys sind erneut deutscher Volleyballmeister. Die Siegermentalität seiner Spieler sei ausschlaggebend gewesen, sagt Trainer Mark Lebedew. Dabei war er selbst der wichtigste Faktor.

Wer Mark Lebedew am Rande eines Spiels seiner Berlin Volleys beobachtet, kann sich schon mal fragen, ob der Australier überhaupt irgendetwas zum Erfolg beisteuert. Ständig blättert der Trainer durch die Papiere auf seinem Klemmbrett. Nach gewonnenen Ballwechseln jubelt er manchmal mit, hier und da nimmt er eine Auszeit. Doch selbst in denen sagt er kaum etwas zu seinen Spielern: Er lässt sie lieber selbst diskutieren und ruft dann noch einen kurzen Satz hinein wie: »Bei hohen Bällen blocken wir die Linie zu!« Mehr nicht. Lebedews herausragende Fähigkeiten liegen offenbar eher in der Trainingshalle und im Videoschnittstudio. Denn zum dritten Mal in Folge hat der 47-Jährige die Berliner zum deutschen Meister gemacht.

Die »unbedingte Siegermentalität« seiner Spieler habe den Unterschied gemacht, sagte Lebedew nach dem 3:1-Erfolg beim VfB Friedrichshafen am Mittwochabend und der mit demselben Ergebnis gewonnenen Finalserie. Der Mann ist bescheiden, denn eigentlich war es seine Variabilität, sein Mut zur Veränderung, die Berlin erneut den Titel sicherte. Zuvor war Spiel eins zu Hause wie schon das Pokalfinale im März knapp verloren gegangen. »Beide Trainer werden jetzt ganz kleine Details verändern, die eine Serie wieder drehen können«, hatte Bundestrainer Vital Heynen danach prognostiziert. Doch Lebedew verschob nicht nur den Block um zehn Zentimeter nach links oder einen Verteidiger um 15 nach vorn, er verschob Verantwortung.

Sein Gegenüber Stelian Moculescu hatte den VfB zum Beginn der Serie bestens auf Berlins Hauptangreifer Paul Carroll eingestellt. Die Position heißt nicht umsonst so - Moculescu selbst vertraut am Ende knapper Sätze fast immer seinem eigenen Hauptangreifer Ventzislav Simeonov. Doch Lebedew verteilte die Last nun unorthodox auf neue Schultern. Robert Kromm wurde schließlich bester Punktesammler (17) und Kapitän Scott Touzinsky (16) machte in den Begegnungen drei und vier seine besten Spiele der Saison.

Moculescu war nicht im Stande, so schnell wie sein Kollege zu reagieren. Friedrichshafen öffnete immer mehr Lücken im Block, die Kromm und Touzinsky eiskalt ausnutzten, während die Berliner ihrerseits die Angriffe von Ventzislav Simeonov so lange entschärften, bis er sie schließlich von allein reihenweise ins Aus schmetterte.

So gewann Berlin drei Spiele in Folge, den dritten Titel in Serie und die dritte Meisterschaft nacheinander in fremder Halle. Sie haben sich daran gewöhnt, in Hotelbars und Pizzerien der süddeutschen Provinz zu feiern. Erst am Freitag folgt um 14.30 Uhr der Empfang beim Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit im Roten Rathaus. Am Sonntag steigt dann die Saisonabschlussfeier.

»Der Knackpunkt war, wie wir nach der ersten Niederlage zusammengeblieben und zurückgekommen sind und das zweite Spiel hier in Friedrichshafen gewonnen haben«, sagte Lebedew. »Als wir mit dem Rücken zur Wand standen, haben wir wie ein Meister agiert und die Serie gedreht.« Das dazu nötige Vertrauen zueinander und in den Trainer hat er dieser Mannschaft in vier Jahren eingeimpft. Nicht ein böser Blick nach einer verschlagenen Aufgabe war zu sehen, nicht ein zweifelndes Gesicht, als die Berliner im vierten Satz schon 20:23 zurücklagen. Am Ende gewinnen doch immer die Volleys.

»Die anderen schon wieder in unserer Halle feiern zu sehen, ist nicht schön«, musste Friedrichshafens Mittelblocker Max Günthör zugeben. »Wenn man so knapp davor ist, ein fünftes Spiel zu erzwingen, ist das besonders bitter. Aber Berlin hat den Titel verdient.« Günthör hatte nicht nur mit dem VfB im vergangenen Jahr gegen Lebedews Team den Kürzeren gezogen, sondern schon 2012 in Haching. »Das entwickelt sich langsam zum kleinen Trauma.« Sein Trainer sieht noch nicht ganz so schwarz für den VfB: »Ein Machtwechsel ist der Sieg von Berlin nicht. Erst wenn sie wie wir siebenmal in Folge deutscher Meister werden«, stellte Moculescu klar.

Wie die Volleys dieses Ziel angehen, liegt - wie sollte es anders sein - in Mark Lebedews Händen. »Unser Trainer ist aufgefordert, ein Konzept zu erstellen. Daran arbeitet er noch«, sagte Manager Kaweh Niroomand. »Wenn das fertig ist, fangen wir an, am neuen Team zu basteln. Bis dahin wird erst einmal weitergefeiert.«

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