Bild: YouTube
Es ist schon ein rechtes Leid mit unseren Potential-Helden. Seit Jahr und Tag wartet ganz Fußball-Deutschland auf den nächsten Titel. Doch die goldene Generation der Schweinis und Poldis, der Mesuts, Samis und Philipps lässt unser aller Träume ein ums andere Mal aufs Schönste reifen, um sie dann um so brutaler platzen zu lassen: erst 2006, bei der „WM dahoam“, an den bösen Italienern, dann 2008 und 2010 an den grandiosen Spaniern – und heuer, 2012, waren es schon wieder die Italiener. Wer wollte es da unserem Fußball-Fan Nummer Eins verübeln, dass sie, die Bundeskanzlerin, die vermaledeiten Südländer wenigstens auf den Euro-Gipfeln ordentlich bluten lässt?
Doch dass es immer noch schlimmer geht, mussten wir nun erleben: Kaum hatten wir unsere Schmusejungs wieder ein bisserl lieb gewonnen, kaum hatten sie sich von den harten Schlägen scheinbar bestens erholt und den Schweden vier wunderbare Tore reingezwirbelt, da schlug das Fußballschicksal wieder zu: Binnen 30 Minuten egalisierten die Wikinger den 4:0-Vorsprung und verschlugen selbst dem Bundes-Jogi glatt die Sprache. Er befände sich gerade in einer „Schockstarre“, erklärte Löw nach dem Spiel und ward nicht mehr gesehen.
„Hat Löw noch genug Kraft für die WM?“, unkte denn auch prompt die „Bild“-Zeitung. Dabei fehlt die Kraft an ganz anderer Stelle. Denn des Rätsels Lösung für die regelmäßigen Einbrüche liegt auf der Hand: Kaum kommen die harten Jungs, gestern Mario Balotelli, heute Zlatan Ibrahimovic, bekommen unsere Kuschelprofis weiche Knie. Immerhin haben die Mentalcoachs dies erkannt und Konsequenzen gezogen.
Wenn es doch bloß die richtigen wären! 1980, in der gestählten DDR, wusste man noch, welches Opfer einem der erste Platz wert sein muss. Als Waldemar Cierpinski in Moskau seinen zweiten Olympiasieg im Marathon errang, ließ es Reporter-Legende Heinz Florian Oertel durch den Äther schallen: „Väter, haben Sie Mut! Nennen Sie ihre Neuankömmlinge Waldemar!“ Heute müsste es heißen: „Nennen Sie ihre Neuankömmlinge Zlatan!“ Dann wäre endlich wieder mit richtigen Straßenfußballern zu rechnen, die die Härte des bosnischen Bürgerkriegs in den Genen haben.
Was dagegen völlig daneben geht, ist die neue Singekreis-Therapie. Nach intensiver Beratung mit der „Bild“-Zeitung hatte sich die Fußball-Nation nach der verpatzten EM auf eine Mitsingepflicht verständigt, jedenfalls für „Bio-Deutsche“. „Die Begeisterung muss vor dem Anpfiff einsetzen – und dabei hilft lautes Singen der Nationalhymne“, so der bekannte„Bild“-Psychologe Franz Beckenbauer.
Vor dem Schweden-Spiel war der Kreis der National-Barden denn auch merklich erweitert. Die Konsequenz? Siehe oben. Hätte sich Beckenbauer doch bloß an die eigene ruhmreiche Spielerzeit erinnert. WM 1974, Endspiel gegen Holland, das legendäre 2:1, die Kamera fährt die künftigen Helden ab – und alle schweigen wie die Ölgötzen: von Kaiser Franz über den lustigen Meier-Sepp, den furchtlosen Katsche Schwarzenbeck, den leicht gelangweilten Rainer Bonhof bis zu Paul Breitner, der Mao-Mähne, und dem Lockenköpfchen Uli Hoeneß (siehe YouTube ab 6:45 Min.).
Und auch bei der WM 1954 hätte Schweigen geholfen, denn damals war das Singen noch viel fataler. Nach dem 3:2 der Walter-Elf sang das ganze Stadion „Deutschland, Deutschland über alles“ – eine andere als die erste Strophe kannte man damals gar nicht. Deshalb, liebe Helden in spe, um Schlimmeres zu verhindern, lasst es Euch eine Warnung sein: „Spieler lasst das Singen sein! Haut nur drauf und macht sie ein!“