Bild: S. Fischer Verlage
Während es unter einigen Intellektuellen schick geworden ist, zur Wahlenthaltung aufzurufen, unternimmt der Publizist Roger Willemsen das genaue Gegenteil. Willemsen setzt sich ein Jahr auf die Tribüne des Bundestages und tut das Außergewöhnlichste, was dort offenbar möglich ist: Er hört zu und nimmt wahr. Schon das, aber noch weit mehr, macht sein neues Buch „Das hohe Haus. Ein Jahr im Parlament“ bereits zu einem Ereignis.
Jeder Sitzungstag ist bei Willemsen ein Eintrag; und jeden Eintrag beginnt er mit den Schlagzeilen aus Politik- und Boulevardpresse. Die Leser starten also voraussichtlich ähnlich informiert in den parlamentarischen Arbeitstag, wie es die durchschnittlichen Abgeordneten tun. Zugleich wird es möglich, den Abstand zwischen medialen Tagesinformationen und den Sitzungsthemen im Bundestag zu bestimmen. Willemsen vermerkt dazu lakonisch, die Parlamentarier hätten „die Hoheit des ersten Worts an die Massenmedien“ abgetreten (47).
Bevor Willemsen zuhört, hat er sich jedoch gezielt vom Gegenstand entfernt, um ihn mit benennbaren Maßstäben – und nicht durch Vorurteile – neu zu entfalten.