Ausgabe Mai 2014

»Jedem seine Scheiße«

Wie Angela Merkels nationaler Egoismus die EU aufs Spiel setzt

An einigen Abenden im Frühling 2013 ziehen sich in Brüssel die Euro-Sherpas in ein kleines Restaurant zurück. Es liegt im früheren Arbeiterviertel Les Marolles und heißt „L’idiot du village“ – „Der Dorftrottel“. Die unbewältigte Krise verlangt nach Deutung, und die Herren, die zu Europas Spitzenpersonal gehören, bevorzugen das kleine Lokal, um ungestört die letzten Jahre ein wenig Revue passieren zu lassen. Zudem lässt sich nicht leugnen, dass der Name des Restaurants „Dorftrottel“ irgendwie ein besonders passender für eine Bilanz ist.[1]

Denn 2008, als die Krise begann, war der Horizont der nationalen Regierungschefs in ihren Hauptstädten ähnlich beschränkt. Statt ein Großreinemachen in Europa anzugehen, fegte jeder ein bisschen vor der eigenen Tür, getrieben von unterschiedlichen nationalen Interessen. „Jeder hat seine nationalen Banken gerettet wie früher seine Stahlwerke und die Autokonzerne. Jeder wollte seine Herrlichkeit behalten. In jedem verdammten Land haben die nationalen Aufseher das geduldet“, sagt ein Euro-Sherpa an einem der Abende. „Weil die Regierungen von dem Geld leben, das die Banken ihnen leihen“, schiebt er hinterher. „Keiner hat durchschaut, was auf dem Spiel steht.

Sie haben etwa 2% des Textes gelesen. Um die verbleibenden 98% zu lesen, haben Sie die folgenden Möglichkeiten:

Artikel kaufen (3.00€)
Digitalausgabe kaufen (10.00€)
Anmelden

Aktuelle Ausgabe Mai 2024

In der Mai-Ausgabe analysiert Alexander Gabujew die unheilige Allianz zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping. Marion Kraske beleuchtet den neu-alten Ethnonationalismus und pro-russische Destabilisierungsversuche auf dem Balkan. Matthew Levinger beschreibt, wie Israel der Hamas in die Falle ging. Johannes Heesch plädiert für eine Rückbesinnung auf die demokratischen Errungenschaften der jungen Bundesrepublik, während Nathalie Weis den langen Kampf der Pionierinnen im Bundestag für mehr Gleichberechtigung hervorhebt. Und Jens Beckert fordert eine Klimapolitik, die die Zivilgesellschaft stärker mitnimmt.

Zur Ausgabe Probeabo

Weitere Artikel zum Thema

Putins dritte Front

von Marion Kraske

Für den bosnischen Serben war es zwar nicht das erste Treffen mit Wladimir Putin, aber ein besonderes: Als Milorad Dodik, Präsident des serbisch dominierten Landesteils von Bosnien und Herzegowina, im Februar mit dem russischen Präsidenten in Kazan zusammentraf, gab es zu dem öffentlichkeitswirksam in Szene gesetzten Händedruck auch eine hohe Auszeichnung für den Gast.

Im Nebel des Wahlkampfs: Friedenskanzler Schröder-Scholz?

von Albrecht von Lucke

Nur noch zwei Monate bis zur Europawahl und gerade einmal fünf bis zu den so wichtigen drei Landtagswahlen in Ostdeutschland: Der Wahlkampf nähert sich seiner heißen Phase. Insofern kann es nicht wirklich verwundern, dass jetzt auch das für Europa wichtigste Thema dieses Schicksalsjahres zur Wahlkampfmunition geworden ist, nämlich der Krieg in der Ukraine.