"Wir müssen auch kleine Schritte fördern"

Klimaschutz Seit Jahren kommt die Gebäudesanierung in Deutschland kaum voran. Der neue Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth erklärt im Interview, wie er das ändern möchte
Gebäude sanieren? Das kann kosten - aber später viel Geld bringen.
Gebäude sanieren? Das kann kosten - aber später viel Geld bringen.

Foto: Imago / Imagebroker

Ohne die energetische Gebäudesanierung wird Deutschland seine Klimaziele nicht erreichen. Doch die Sanierung kommt einfach nicht vom Fleck: Statt zu steigen sank zuletzt die Sanierungsrate. Jochen Flasbarth ist seit Herbst Staatssekretär im Bundesumwelt- und -bauministerium von Barbara Hendricks (SPD). Zuvor war der 51-Jährige Präsident des Naturschutzbundes, "Abteilungsleiter Naturschutz" im Umweltministerium und seit 2009 Präsident des Umweltbundesamtes.

Herr Flasbarth, 40 Prozent aller deutschen Treibhausgase entstehen durch Heizen oder die Bereitstellung von Warmwasser in unseren Gebäuden. Klimaschutz im Gebäudebereich kommt aber einfach nicht in Gang und wird deshalb "schlafender Riese" genannt. Wie wollen Sie den Riesen wecken?

Jochen Flasbarth: Zuerst wollen wir überprüfen, ob die heute über die Kreditbank für Wiederaufbau, die KfW, ausgeschütteten Fördermittel effizient eingesetzt werden. Wer mehr Geld für eine Sache einsetzen will, der muss erst einmal nachweisen, dass das Steuergeld, das ihm zur Verfügung steht, so eingesetzt wird, dass der größte Nutzen entsteht. Das dies so ist, daran habe ich Zweifel.

In der Vorgängerregierung war lange die steuerliche Abschreibung als Impuls im Gespräch. Die Gebäude- und Dämmbranche verspricht sich davon einen großen Schub. Wird das Bauministerium einen neuen Vorstoß unternehmen?

Die steuerliche Abschreibung ist an den Interessen der Bundesländer gescheitert. Natürlich ist das ein politisch interessantes Instrument, das große Sanierungsimpulse auslösen kann. Bevor aber die Bundesländer ihre Haltung nicht überdacht haben, ist es wenig sinnvoll, dass die Bundesregierung in dieser Sache aktiv wird.

Ministerin Hendricks sagt, die Sanierungsrate der 40 Millionen Gebäude in Deutschland müsste auf 2,5 Prozent im Jahr steigen, wenn die Bundesrepublik ihr Klimaziel erreichen will. Zuletzt ist die Rate aber gesunken. Was wollen Sie tun?

Wir müssen die Förderinstrumente zielgenauer ausrichten, also stärker spezifizieren. Besitzer von Einfamilienhäusern haben andere Interessen als Vermieter in städtischen Mehrfamilienhäusern. Also müssen wir den 19 Millionen Ein- und Mehrfamilienbesitzern auch unterschiedliche Instrumente anbieten.

Und wir müssen die Mieter vor Mitnahme-Effekten schützen: Die energetische Sanierung darf nicht als Instrument missbraucht werden, um die Mieter mit exorbitant steigenden Mieten zu belasten. Mein Kollege Gerd Billen im Verbraucherministerium arbeitet gerade an einem Entwurf, nach dem nur noch maximal zehn Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter abgewälzt werden können und – noch wichtiger – nur so lange, bis die Investitionen abbezahlt sind.

Fakt ist aber doch: Die energetische Sanierung ist sehr kostenintensiv, wenn man den größtmöglichen Nutzen für den Klimaschutz haben will!

Der Klimaschützer sieht immer die ideale Gebäudesanierung: das ganze Haus inklusive Sanitär- und Heizungstechnik in einem Ritt. So etwas ist aber teuer und eine solche Modernisierung kommt auch nur alle 20 Jahre vor. Wollen wir das Potenzial stärker heben, brauchen wir auch Förderinstrumente für die kleinen Schritte. Beispielsweise für die Heizungspumpe, die nach dem Stand der Technik eigentlich noch nicht ausgetauscht werden müsste, aber ein großes Energiesparpotenzial besitzt.

Deutschland ist zuletzt beim Klimaschutz aus der Spur geraten, die Emissionen steigen wieder. Wie kann das Klimaziel – 40 Prozent weniger Treibhausgase bis 2020 gegenüber 1990 – doch noch erreicht werden?

Alles hängt mit allem zusammen: Wenn wir den europäischen Emissionshandel korrigieren, dann sinken die Emissionen im Energiesektor wieder und damit auch der Druck auf andere Sektoren. Wenn wir eine kluge Änderung des Energiemarkt-Designs hinbekommen, dann schaffen wir die gewünschte Veränderung des Kraftwerkparks. Im Moment sind Braunkohlekraftwerke, die seit 45 Jahre laufen, die wirtschaftlich attraktivsten. Das zeigt, dass etwas nicht stimmen kann am jetzigen System!

Sie sagen, "alle Bereiche" müssen einen Beitrag leisten: Kommt jetzt das Tempolimit?

Dass ein Tempolimit einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, habe ich als Präsident des Umweltbundesamtes immer gesagt. Aber ob das Tempolimit derzeit mehrheitsfähig ist, das wage ich zu bezweifeln. Klar ist aber: Auch der Verkehrsbereich muss einen Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Das Gespräch führte Nick Reimer.

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Geschrieben von

Nick Reimer | klimaretter.info

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