Ernst Engelberg: Gibt es einen Sinn der Geschichte?
Die Geschichtswissenschaft mag zwar viele Erklärungen für vergangene Entwicklungen bieten, die zentrale Frage aber bleibt offen – nämlich nach den Gründen und Zielen von Geschehnissen, die die Menschheit bewegen. Während in der Antike eine zyklische Auffassung vorherrschte, entdeckten das Christentum und die Aufklärung die Zukunft und den Fortschritt. Auch wenn heute Grund für Pessimismus bestehen mag, gelte es, so der Historiker Ernst Engelberg, in der Tradition der Aufklärung weiter zu denken.
Micha Brumlik: Was wäre eine gute Religion? Pluralistisches Glaubensverständnis und säkularer Staat
Der Streit über die Beschneidung und zunehmender Judenhass: Die Frage, was eine „gute“ Religion im Sinne einer aufgeklärten Gesellschaft sein kann, könnte aktueller nicht sein. Welche Ansätze speziell in Deutschland zu finden sind, analysiert der Erziehungswissenschaftler und „Blätter“Mitherausgeber Micha Brumlik. Es komme darauf an, die gesellschaftliche Toleranz zu erhöhen und die Wertschätzung der Religionen zu befördern.
Florian Bernhardt: »Diese dreckige, ungläubige kleine Sekte«. Der syrische Bürgerkrieg und der Hass auf die Alawiten
Der Bürgerkrieg in Syrien wird zunehmend von religiösen Motiven geprägt. Das jahrhundertealte Misstrauen, speziell gegen die Alawiten, findet seinen Ausdruck in den Hasspredigten salafistischer Oppositioneller. Der Islamwissenschaftler Florian Bernhardt analysiert das Zerwürfnis der religiösen Gruppen. Seine Prognose: Die Aussichten für Minderheiten sind düster.
Claus Offe: Europa in der Falle
Die Schuldenkrise hat Europa fest im Griff. Die Bemühungen der Politik zeigen, wenn überhaupt, nur sehr begrenzte Wirkung. Der Politikwissenschaftler Claus Offe analysiert den Geburtsfehler der Währungsunion: die anhaltende Diskrepanz zwischen ökonomisch Notwendigem und politisch Machbaren sowie die unzureichenden Kontroll- und Regulierungsmechanismen. Um einen Zerfall der Eurozone doch noch zu verhindern, braucht es mehr Solidarität und Demokratie auf europäischer wie nationaler Ebene.
Franz Segbers: Die Armut der Politik. Das Menschenrecht auf Nahrung – und der Irrweg der Tafelbewegung
In Deutschland, dem Exportweltmeister, sind Armut und Unterversorgung allgegenwärtig. Obwohl ein Menschenrecht auf Nahrung existiert, zieht sich der Staat aus seiner sozialen Verantwortung immer mehr zurück. Dafür springt die Tafelbewegung in die Bresche. Der Theologe und Sozialethiker Franz Segbers sieht hierin jedoch keine Lösung des strukturellen Problems der Armut, sondern einen Beitrag zu ihrer Manifestation.
Siegfried Broß und Tim Engartner: Vom Wasser bis zur Müllabfuhr: Die Renaissance der Kommune
Die Privatisierung staatlicher Dienstleistungen nahm über viele Jahre zu, doch die erhofften Erleichterungen für Kommunen wie Bürger blieben aus. Der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler Tim Engartner und der Rechtswissenschaftler Siegfried Broß zeichnen jedoch ein sich veränderndes Bild der deutschen kommunalen Landschaft: Eine Rückaneignung von Strom- und Wasserversorgung, Müllentsorgung und Infrastruktur findet statt – und damit einher geht das Ende der Mär von der Allmacht des Marktes.
Das große Zeitungssterben. Beiträge von Reinhard Blomert, Daniel Leisegang und Jan Kursko
Mit dem Ende von „Frankfurter Rundschau“ und „Financial Times Deutschland“ ist eine breite internationale Entwicklung jetzt endgültig auch in der Bundesrepublik angekommen – die zunehmend flächendeckende Einstellung von sogenannten Qualitätszeitungen. Diesem Phänomen widmen sich aus je unterschiedlicher Perspektive die drei Beiträge von Reinhard Blomert, Daniel Leisegang und Jan Kursko.
Susanne Baer: Hat das Grundgesetz ein Geschlecht? Gender und Verfassungsrecht
Sowohl im Grundgesetz als auch in den Rechtswissenschaften und der Rechtsprechung ist die Hegemonialstellung des „Männlichen“ nach wie vor unangefochten – mit nachhaltig negativen Auswirkungen auf die Gesellschaft. Was Gender in diesem Kontext bedeutet und wie Gender Studies helfen können, Missstände im Rechtswesen aufzudecken, ergründet die Rechtsprofessorin und Richterin am Bundesverfassungsgericht Susanne Baer. Die Auseinandersetzung mit Geschlechterverhältnissen ist ihrer Ansicht nach gesellschaftlich zentral – nicht zuletzt, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen.