Internationales

tunesien 010813 Amine Ghrabi16.089.2013: Nicht nur in Ägypten, auch in Tunesien geht die Auseinandersetzung um den weiteren Weg der vor zweieinhalb Jahren mit dem Sturz des Diktators Ben Ali begonnenen 'Jasmin-Revolution' weiter. Ausgelöst worden waren die jüngsten Demonstrationen gegen die im Oktober 2011 installierte, von der islamistischen Ennadha-Partei dominierte Regierung durch den Mord an dem führenden Oppositionspolitiker Mohamed Brahmi am 25. Juli. Er war bereits der zweite innerhalb eines halben Jahres. Brahmi, ein als 'nasseristisch' bezeichneter Politiker, war auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Mord an Chokri Belaïd, Generalsekretär der 'Bewegung Demokratischer Patrioten', ermordet worden, und zwar auf die gleiche Weise und mit der gleichen Waffe, einer 9-mm-Schnellfeuerpistole. Ein Tötungskommando auf einem Motorrad hatte ihn vor seinem Wohnhaus mit 14 Kugeln durchsiebt. Sowohl Brahmi wie Belaïd gehörten zusammen mit den Kommunisten der 'Arbeiterpartei' und mehreren kleineren sozialistischen und linksdemokratischen Gruppen zur linken 'Volksfront'.

Die Beerdigung Brahmis am 27. Juli gestaltete sich zu einer Massendemonstration. Nach der Beerdigung zogen die Teilnehmer geschlossen zum Sitz der Verfassunggebenden Nationalversammlung am Bardo-Platz, um den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen zu fordern. Die Polizei versuchte den Zug und die Sitzblockade mehrerer tausend Demonstranten vor dem Parlament mit massivem Tränengaseinsatz auseinanderzutreiben. Zwei Tage danach, am 29.7., fand ein landesweiter Generalstreik des Gewerkschaftsbundes UGTT statt. Eine Woche später, am 6. August, fanden sich die Oppositionskräfte zu einer noch größeren Demonstration mit mehr als 40.000 Teilnehmern (nach Polizeiangaben) am gleichen Ort zusammen.

Die islamistische Regierungspartei Ennadha wurde für die Morde verantwortlich gemacht, weil sie entgegen den Forderungen vieler Demokraten nichts gegen extremistische Terrorgruppen radikaler Salafisten wie 'Ansar Al-Charia' unternommen hat, die die Morde in Auftrag gegeben und ausgeführt haben. Ganz im Gegenteil praktizierte Ennadha eine mehr oder weniger offene Kooperation mit diesen Gruppen bei dem Bestreben, die tunesische Gesellschaft zu "islamisieren". Kurz vor dem jüngsten Mord waren einige Aktivisten solcher Gruppen sogar auf hohe Staatsposten ernannt worden, obwohl sie als Terroristen verurteilt gewesen waren und nur dank einer 2011 erlassenen Amnestie freigekommen waren.

Die linke Opposition sieht in diesen Vorgängen allerdings nur eines von mehreren Anzeichen für die Unfähigkeit der Regierung, den nach der Jasmin- Revolution angestrebten demokratischen Übergangsprozess anzuführen. Nicht weniger deutlich ist das Versagen der Regierung auf wirtschaftlich-sozialem Gebiet, wo die ökonomische Schwächeperiode anhält, ebenso die hohe Arbeitslosigkeit und Inflation. Nach zweieinhalb Jahren ist die wirtschaftlich-soziale Situation schlechter als vor der Revolution und noch immer weit von den Hoffnungen der Menschen auf soziale Verbesserungen entfernt.

Geschickter oder raffinierter als die Mursi-Brüder in Ägypten hat die Ennadha jedoch auf das neuerliche Aufbäumen der Volksbewegung taktisch flexibel reagiert. Zunächst verkündete Ennadha-Regierungschef Larayedh unter dem Druck der oppositionellen Bewegung seine Bereitschaft zum Dialog und sogar die Bereitschaft, eine "Regierung der nationalen Einheit" unter Einbeziehung von Oppositionsvertretern zu bilden. Gleichzeitig kündigte er Neuwahlen noch in diesem Jahr, nämlich am 17. Dezember an. Allerdings betonte er gleichzeitig, dass er unbedingt bis dahin an der Regierung bleiben will und die Forderung nach deren Rücktritt entschieden ablehnt.

Das sehen maßgebliche linke Oppositionsgruppen allerdings nur als ein Manöver an, um Zeit zu gewinnen und an der Macht zu bleiben. Sie fordern anstelle einer bloßen Regierungsumbildung den Rücktritt der jetzigen und die Bildung einer völlig neuen Regierung "von kompetenten Persönlichkeiten" unter einem neuen "unabhängigen" Regierungschef. Ein Teil der Opposition geht noch weiter und fordert auch die Auflösung der am 23. Oktober 2011 gewählten 'Verfassungsgebenden Versammlung', weil sie nicht, wie vorgesehen, innerhalb eines Jahres eine neue Verfassung vorgelegt hat, sondern deren Ausarbeitung infolge der kompromisslosen Haltung von Ennadha seit Wochen blockiert ist.

Inzwischen haben nahezu 70 Abgeordnete erklärt, dass sie ihre weitere Mitarbeit in dieser Versammlung einstellen und sich zusammen mit anderen Demonstranten zu einem permanenten Sit-in vor dem Parlamentsgebäude zusammengetan. Da die Anwesenheit von mindestens zwei Drittel der insgesamt 217 Abgeordneten vorgeschrieben ist, damit die Versammlung Beschlüsse fassen kann, ist kaum abzusehen, ob dieses Parlament seinen Auftrag jemals zu Ende bringen wird.

Allerdings wird die Forderung nach Auflösung des Parlaments und raschen Neuwahlen nicht von allen Oppositionskräften geteilt, auch nicht von der Führung der UGTT. Sie beschränkten sich auf die Forderung nach dem Regierungsrücktritt. Inzwischen sind seit Ende letzter Woche "Verhandlungen nach allen Seiten" über eine "einvernehmliche Lösung der Krise" im Gang. Staatspräsident Marzouki empfing die Führer der Oppositionsparteien, während Regierungschef Larayedh Gespräche mit der Spitze des Gewerkschaftsbundes aufnahm. Der zur Sozialdemokratie gerechnete Parlamentspräsident Ben Jaafar hat seinerseits weitere Tagungen der Verfassungsgebenden Versammlung ausgesetzt, bis ein Dialog zwischen Islamisten und Opposition zur Überwindung der Blockade zustande gekommen ist.

Wie es zuletzt aussah, schienen die Tage der derzeitigen„Ennadha-Regierung in ihrer gegenwärtigen Zusammensetzung jedenfalls gezählt. Die 'Front der nationalen Rettung', das Oppositionsbündnis der bürgerlichen mit den meisten linken Parteien, hat am vergangenen Samstag angekündigt, dass es im Lauf der Woche einen eigenen Vorschlag für eine neue Regierung unter "unabhängiger Führung" vorlegen will. Und zugleich wurde für den kommenden Samstag, 17. August, eine neue Großdemonstration der Opposition angekündigt.

Text: Pierre Poulain (Aus der UZ vom 16.06.13)     Fotos: Amine Ghrabi

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