Es ist keine Überraschung, dass die zwei größten Promi-Philanthropen unserer Zeit Iren sind. Das Irland, in das Bono und Bob Geldof in den Sechzigern hineingeboren wurden, steckte damals irgendwo zwischen erster und dritter Welt. Man fühlte dort eher mit den Elenden dieser Erde als etwa im Londoner Stadtteil Hampstead. Die sehr fromme christliche Nation verfügte zudem über eine lange missionarische Tradition. In Irland war man wohltätiges Engagement für schwarze Babys gewohnt, lange bevor Hollywood-Filmstars anfingen, sie sich zu schnappen. Bono selbst war in den siebziger Jahren Mitglied einer Gebetsgruppe – noch ohne Lederhosen und Rundumsonnenbrillen und unter seinem bürgerlichen Namen Paul David Hewson.
Hunger und Unruhen im eigenen Lan
igenen Land trieben die Iren hinaus in die Welt. Sie sind schon lange ein kosmopolitisches Volk und sehr viel weniger provinziell als ihre ehemaligen Besatzer. Kleine Nationen können sich die Engstirnigkeit der Großen nicht leisten. Wer in diesen entlegenen Winkel Europas geboren wurde und sich nach dem Rampenlicht sehnte, tat gut daran, ein plakatives Anliegen zu haben und die Selbstdarstellung zu genießen. So wie die Iren im Allgemeinen von den Umständen gezwungen wurden, ein internationales Volk zu werden, konnten Männer wie Bono und Geldof ihre Nationalität nutzen, um es auf die Weltbühne zu schaffen.Bono gehört dem neuen coolen, post-politischen Irland an. Aber er wandte sich wieder einer alten, hungrigen, von Konflikten zerrissenen Nation zu – inzwischen hieß sie: Afrika. Viel Ehre wurde ihm dadurch erst einmal nicht zuteil. Harry Browne erzählt dazu in seiner Biografie The Frontman: Bono (In the Name of Power) die (vielleicht nicht ganz wahre) Geschichte, wie der Sänger einst klatschend auf einer Bühne stehend erklärt habe: „Jedes Mal, wenn ich in die Hände klatsche, stirbt ein Kind.“ – „Dann hör verdammt noch mal damit auf!“, soll daraufhin jemand aus der Menge gerufen haben.Paul David Hewsons Aufstieg zur pop-politischen Ikone fällt mit dem Niedergang der Politik zum Spektakel zusammen. Wer eignete sich in Zeiten fabrizierter Gefühle und manipulierter Bilder besser zum Politiker als ein Rockstar? Bono, der Streuner aus dem Showbusiness, gibt sich in der politischen Arena als Außenseiter, der mit dem Herzen spricht. Durch seine Bekanntheit als Frontmann der Gruppe U2 hat er indes auch eine millionenstarke Anhängerschaft, sodass umgekehrt das politische Establishment erpicht darauf ist, ihn zu adoptieren.Staubige LandschaftenBei aller sorgsam gepflegten Selbstironie („wie lächerlich, dass ich, ein überbezahlter Rockstar aus der Dubliner Arbeiterklasse, die Welt rette!“) hat Bono sich nie groß dagegen gesträubt, einen Platz im Inneren jener Arena einzunehmen. Und da ein Außenseiter wahrscheinlich eher wenig von globaler Wirtschaft versteht, richtet er sich ziemlich wahrscheinlich nach der gängigen Meinung der Insider. Deshalb ist Bono unkonventionell und konservativ zugleich.Ein Resultat seines Wirkens ist ein Hungerchic. In seiner beeindruckend gut recherchierten Polemik schildert Harry Browne, wie Bonos Ehefrau Ali Hewson die von den staubigen Landschaften Afrikas inspirierte Kollektion ihres Modelabels Edun beschreibt: „Manche der Kleidungsstücke sehen aus, als seien sie bereits getragen und neu zusammengenäht worden.“ So werde „der Kontinent eingearbeitet.“ Ihr messianischer Gatte – oder „der kleine Arsch mit dem großen Herzen“, wie das britische Comicmagazin Viz ihn einst titulierte – versucht nunmehr seit gut ein paar Jahrzehnten, Afrika in sein Image einzuarbeiten. Wie Bob Geldof hat er das soziale Gewissen der sechziger Jahre geerbt, nicht aber deren politischen Radikalismus. Deshalb hat er sich als dienlicher Frontmann der Neoliberalen erwiesen.Mehr noch, schreibt Browne, hat er sich bei Rassisten wie Jesse Helms eingeschmeichelt, Architekten des irakischen Abenteuers wie Tony Blair und Paul Wolfowitz weißgewaschen und in dem Schock-Doktrin-Ökonomen Jeffrey Sachs einen Seelenverwandten entdeckt. Er hat sich außerdem bei der Queen eingeschleimt, bei den Israelis angebiedert, Männchen gemacht vor Tyrannen und sich in Afrika mit rechten US-amerikanischen Evangelisten und Kondomgegnern verbrüdert.Arme als Charity-ObjekteDer Mann, der mit seinen Fingern alle vier Sekunden ein Peacezeichen zu formen scheint, hat offenbar kein Problem mit Sponsoring des Rüstungskonzerns BAE. Bonos Fehler ist es, diese Mächte als harmlos zu betrachten, einen fundamentalen Interessenkonflikt zwischen ihren Prioritäten und den Interessen der Armen kann er nicht erkennen. Sie müssen einfach nur von einem Kelten mit charmantem Dreitagebart beschwatzt werden. Auch wenn Bono zweifelsohne einiges Gutes getan hat, ist ein ziemlich großer Teil davon ebenso pro-Bono wie pro bono publico.Wüsste Bono wirklich um die Geschichte seiner eigenen Leute, wäre ihm bewusst, dass die Große Hungersnot, die Irland in den 1840ern plagte, nicht von einer Nahrungsmittelknappheit verursacht wurde. Das werden Hungersnöte selten. Es gab damals jede Menge Getreide in Irland – es musste bloß exportiert werden, als Pachtzahlungen an die englischen Großgrundbesitzer. Und in Großbritannien gab es genug Essen, um Irland gleich mehrmals zu ernähren. Eine Katastrophe wurde aus der Krise durch die Doktrin der freien Märkte, für die der U2-Frontmann ein so inbrünstiger Apologet ist. Weitverbreiteter Hunger ist das Ergebnis eines räuberischen Sozialsystems. Die Armen, sagt Browne, existierten für Bono vor allem als Objekte westlicher Charity. Zu der Art von Mobilisierung, die westliche Interessen bedrohen könnte, sieht er sie nicht in der Lage. Was Browne schreibt, ist einfach, aber vernichtend.