Die gelenkte Demokratie vor der Präsidentenwahl
Professor Lew Gudkow war pessimistisch. Noch Ende November, nur wenige Tage vor den skandalösen Parlamentswahlen vom 4. Dezember, die die Lage in Russland deutlich verändern sollten, prognostizierte der Leiter des renommierten Moskauer Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum bei einer Diskussionsrunde in Berlin, die russische Gesellschaft werde auch in zehn Jahren noch etwa so aussehen wie heute. Tiefgreifende Veränderungen, die das Land so dringend brauche, werde es kaum geben. Gudkow begründete das damit, dass die institutionellen Reformen entweder auf Eis gelegt wurden oder lediglich als Absichtserklärung existierten. Kräfte, die das ändern könnten oder wollten, seien nicht in Sicht, analysierte er mit Blick auf die als sicher scheinende Wiederwahl Wladimir Putins bei der Präsidentenwahl am 4. März 2012. Gleichwohl sei die russische Gesellschaft von tiefgreifenden Widersprüchen gekennzeichnet, die unter der Oberfläche gärten.
Nur wenige Tage und ein paar Demonstrationen später schien Russland wie ausgewechselt. Die von Gudkow erwähnten Widersprüche unter der Oberfläche hatten sich schneller als erwartet ein Ventil geschaffen und die Führung um Noch-Premier Wladimir Putin und Noch-Präsident Dmitri Medwedjew in Verwirrung gestürzt. Bis zu 120 000 Menschen hatten am 24.