Haare

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Bettina Wulff hat sich mit einer neuen – stark beachteten – Kurzhaarfrisur beim Zapfenstreich gezeigt. "Richtig", dachte ich bei mir. "Zeigen Sie’s ihnen. Gekürzt, aber nicht gerupft. Genau."

Haare spielten schon immer im Kampf und Handel mit des Geschickes Mächten eine große Rolle. Dazu könnte man ununterbrochen googeln und kulturhistorische Fakten zusammentragen. Darüber, was Haare symbolisieren, wie sich auch in der Haarfrisur Unterordnung und Anpassung zeigen können oder gefordert werden (Fassonschnitt beim Militär). Das Aufbegehren durch die Haartracht könnte man thematisieren (Hair).

Ich tue das nicht, ich bleibe bei privaten Erwägungen und Erinnerungen, auch wenn ich denke, dass ich mich mit meinem eigenen Haarverhalten in einem Muster der Mythen bewege, das ich nicht geschaffen habe.

Bettina Wulffs Entschluss kommt sicherlich nicht nur mir sehr bekannt vor. Ja, man kann Zäsuren im Leben auch mit Figaro-Einsätzen begegnen. Der "alte Zopf" – hier die längeren Haare – müssen weg, es muss auch deutlich werden, dass frau selbst sich neu gestaltet hat, dass sie des Schicksals Mächten trotzt.

Ein neuer Look ist wie eine neue Rüstung gegen die Zumutungen des Lebens und/oder gesellschaftliche Ächtung. Wobei Ächtung – das sind die dunklen Seiten, die ich hier nicht vertiefen will – oft mit zwangsweisem Haarscheren zu tun hatte.

Der treue Glaube, man könne "sich neu erfinden" hat zwar nicht nur, aber doch sehr viel mit dem Haarschnitt zu tun. Veränderter Look, veränderte Lebensrichtung. Vielleicht wollte die Gattin des Bundespräsidenten a.D. so etwas ausdrücken.

Ich erinnere mich an eigene dramatische Lebenssituationen, die einen radikalen Haarschnitt nach sich zogen. Eine verlorene Liebe brachte mal einen streichholzlangen Haarschnitt mit sich. Ziemlich "verpitzelt" sähe ich aus, konstatierte eine Freundin und fragte sofort – sie kannte sich aus – „was ist denn passiert?“.

Ich hatte einmal eine langandauernde, sehr zähe, kräfteverzehrende Auseinandersetzung mit einer Kollegin. Ein echter Psychokampf gegen hartnäckiges von ihr initiiertes Mobbing. Irgendwann kam ein Tag, von dem wir offensichtlich beide wussten, dass es eine Konfrontation geben würde. Und – wir erschienen beide frisch gewaschen und frisiert.

Bei Männern symbolisieren Haare andere Eigenschaften. Kraft z. B., wie bei Simson, dessen Geheimnis von Delila verraten wurde. In der Berliner Nationalgalerie hängt es – das schreckliche Bild Der geblendete Simson von Lovis Corinth.

Herrlich falsch wirkte einst das Haarteil des Baulöwen Jürgen Schneider. Der sah, nachdem er sich davon befreit hatte, viel besser aus.

Trostspruch am Ende: Auch in der Glatze mit Haarkranz liegen Wahrheit und Neubeginn.

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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