Es ist müßig, über die Motive der syrischen Regierung zu spekulieren, die ihren Umgang mit dem Sechs-Punkte-Friedensplan des UN-Emissärs Kofi Annan bestimmen. Es gab Zustimmung, aber stets auch Vorbehalte und Vorbedingungen. Zu Letzteren gehörte die Erklärung aus dem Außenministerium in Damaskus, man werde nur dann Truppen aus den Hochburgen des Widerstandes abziehen, sollten sich die Aufständischen ihrerseits schriftlich verpflichten, die Waffen niederzulegen und eine Waffenruhe einzuhalten. Zugleich wurde gefordert, die Türkei, Saudi-Arabien, Katar und andere Golfstaaten müssten sich zu Erklärungen bereit finden, sämtliche Hilfen für die syrische Opposition – inklusive des Transfers von Waffen – einzustellen. Das klingt selbstverständlich und sollte den genannten Staaten nicht weiter schwerfallen. Es hätte sich sowieso kaum verifizieren lassen, ob solchen Absichtserklärungen auch Taten folgen. Wer so dachte, der übersah allerdings, dass die Regierungen in Ankara, Riad, Doha oder wo auch immer mit derartigen Statements offiziell einräumen würden, das Anti-Assad-Lager bisher alimentiert und den syrischen Bürgerkrieg geschürt zu haben. Und das nicht zu knapp. Also eine unerfüllbare Forderung, die von der syrischen Regierung vermutlich in dem Bewusstsein erhoben wurde, das sie nicht zu erfüllen sei und der Waffenstillstand daran scheitern könnte. Oder sollte.
Jeden in die Pflicht nehmen
Man kann das Boykott, Blockade und Sabotage nennen und die Verhandlungen mit Kofi Annan in Damaskus als taktisches Manöver werten. Fanden sie nur statt, um Russland und China einen Gefallen zu tun? Andererseits ist der Ansatz, alle Kriegsbeteiligten auch zu Friedensverantwortlichen zu machen, nachvollziehbar und notwendig. Dass ein UN-Vermittler damit überfordert ist, liegt auf der Hand. Aber gilt das auch für den UN-Sicherheitsrat? Er sollte sich doch darüber im klaren sein, dass eine politische Lösung – und eine Waffenruhe ist immer Teil einer solchen Lösung – nur dann realistisch ist, wenn sie niemanden ausklammert. Also jede Konfliktpartei, die an einem Konflikt beteiligt ist oder ihn beeinflusst, in die Pflicht nimmt. Kofi Annan hätte daher zumindest in einer persönlichen Erklärung oder der Präambel seines Sechs-Punkte-Tableaus zum Verzicht auf jede Einmischung von außen auffordern sollen. Er wäre damit der erreichten Internationalisierung der Schlacht um Syrien gerecht geworden.
Stattdessen gibt es bisher nicht einmal ausreichende Voraussetzungen, um ein Schweigen der Waffen zu überwachen – etwa in Gestalt einer Beobachtermission der Vereinten Nationen. Dazu hätte es eines Beschlusses im UN-Sicherheitsrat bedurft, den zu erreichen es angesichts der Brisanz und Tragweite des Machtkampfes in Syrien nicht leicht fallen dürfte, wenn es um Mandat und Mitglieder einen solchen Mission geht. Der fahrlässige Umgang des Sicherheitsrates mit der Libyen-Resolution vom März 2011 wirkt nach, vor allem bei Russland und China. So bleibt alles in allem nur ein Fazit: ein Waffenstillstand, der nur vereinbart, aber nicht ausreichend überprüfbar ist, muss sein Ziel verfehlen. Er wird zur Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.