Jahrzehntelang war Altersarmut in Deutschland ein Tabuthema, das gern verdrängt wurde, weil viele Menschen unterschwellig Angst hatten, im Rentenalter womöglich selbst davon betroffen zu sein.[1] Anfang September 2012 avancierte das Problem allerdings quasi über Nacht zum Topthema in den Medien und zur größten sozialpolitischen Herausforderung der Bundesregierung. Auslöser dafür war ein parteitaktisches Manöver der Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen, die mit dramatisierenden Rechenbeispielen den Widerstand gegen die von ihr geplante „Zuschussrente“ zu brechen suchte: Wer 35 Jahre lang monatlich weniger als 2500 Euro brutto verdient, dessen Rente, prognostizierte sie ausgerechnet in „Bild am Sonntag“, werde nach 2030 weniger als die Grundsicherung im Alter betragen – er oder sie müsste also beim Renteneintritt zum Sozialamt gehen.[2] Vor ihrem PR-Coup hatte von der Leyen das Problem immer verharmlost, beschönigt und als beherrschbar dargestellt. Norbert Blüms berühmt-berüchtigter Satz „Die Rente ist sicher“ scheint endgültig von der Wirklichkeit überholt zu werden. Von einer Sicherung des Lebensstandards im Alter kann jedenfalls keine Rede mehr sein. Aber mehr noch: Was wir heute erleben, ist die Folge des Bruchs mit der Tradition einer immer weiter vorangetriebenen Absicherung von Altersrisiken durch den Sozialstaat.
In der Mai-Ausgabe analysiert Alexander Gabujew die unheilige Allianz zwischen Wladimir Putin und Xi Jinping. Marion Kraske beleuchtet den neu-alten Ethnonationalismus und pro-russische Destabilisierungsversuche auf dem Balkan. Matthew Levinger beschreibt, wie Israel der Hamas in die Falle ging. Johannes Heesch plädiert für eine Rückbesinnung auf die demokratischen Errungenschaften der jungen Bundesrepublik, während Nathalie Weis den langen Kampf der Pionierinnen im Bundestag für mehr Gleichberechtigung hervorhebt. Und Jens Beckert fordert eine Klimapolitik, die die Zivilgesellschaft stärker mitnimmt.