Vatikan im Besitz von Archiven über geraubte Kinder in Argentinien?

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María Isabel Chorobik de Mariani behauptet, dass der Vatikan über Unterlagen mit Informationen über die während der Diktatur geraubten Kinder verfügt
María Isabel Chorobik de Mariani behauptet, dass der Vatikan über Unterlagen mit Informationen über die während der Diktatur geraubten Kinder verfügt

Buenos Aires. Eine der Gründerinnen der argentinischen Menschenrechtsorganisation "Großmütter der Plaza de Mayo" hat dem Vatikan in einem Radiointerview vorgeworfen, Unterlagen über Babys zurückzuhalten, die während der Militärdiktatur (1976-1983) von Aktivisten der Demokratiebewegung geraubt wurden. Das sagte María Isabel Chorobik de Mariani in einem Interview mit dem Radiosender FM La Plata.

Mariani äußerte sich in diesem Zusammenhang auch kritisch zu dem Fund der über 11.000 Militärdokumente im Oktober letzten Jahres im Hauptsitz des argentinischen Militärs in Buenos Aires. Von diesen Dokumenten hatte der argentinische Verteidigungsminister Agustín Rossi den Großmüttern der Plaza de Mayo jüngst in einem feierlichen Akt 280 geheime Protokolle überreicht. "Ich finde das großartig, aber ich hätte es gut gefunden, wenn man die Archive früher veröffentlicht hätte", sagte er. "Es ist mir unbegreiflich, wie all diese Dokumente 30 Jahre dort herumlagen, ohne dass sie jemand bemerkt hat. Ein früherer Zugriff auf die Unterlagen hätte uns sehr viel Schmerz und Leid erspart."

Mariani sucht seit 1976 nach ihrer Enkelin Clara Anahí, die drei Monate alt war, als sie in La Plata von Mitgliedern der Militärjunta entführt wurde. Gemeinsam mit anderen Frauen der Organisation Großmütter der Plaza de Mayo wandte sich Mariani zuerst an die Kirche und an die örtliche Polizei. Jedoch wurden ernsthafte Nachforschungen sehr schnell von einem Geistlichen der Marine in Buenos Aires, Emilio Teodoro Graselli, mit der Aussage abgewehrt, dass die Enkelin von Mariani sich in den Händen einer hochrangigen Familie befinde, die anzutasten ein Ding der Unmöglichkeit sei. Danach gelang es Mariani nicht mehr, weitere Informationen über den Verbleib von Clara Anahí zu bekommen. Im April vergangenen Jahres forderten die Großmütter der Plaza de Mayo schließlich Papst Franziskus dazu auf, die Archive des Vatikans und der argentinischen Kirche zu den Jahren der Militärherrschaft zu öffnen. Der Papst sicherte ihnen dabei seine Unterstützung zu.

In diesem Zusammenhang gab Mariani an, sich nicht mehr von Worten und Gesten täuschen lassen zu wollen: "Ich möchte Wahrheiten und ich möchte meine Enkelin finden, bevor ich sterbe. Von Informationen über die verschwundenen Erwachsenen weiß ich nichts, jedoch bin ich sicher, dass es von den entführten Kindern Unterlagen im Vatikan gibt."

Während der Militärdiktatur in Argentinien von 1976 bis 1983 wurden mehr als 500 Kinder ihren leiblichen Eltern weggenommen, bevor man diese als so genannte "Regimegegner" ermordete. Später übergab man die Kinder zur Adoption an Militärangehörige weiter.