07.05.2014: Unter diesem Titel führt gegenwärtig die DGB-Region Nordwürttemberg eine beachtliche und sehenswürdige Wanderausstellung durch. Es ist eine Auseinandersetzung und Chronologie mit den rassistischen Verbrechen des NSU und ihrer Blutspur, die sie durch ganz Deutschland zogen. Wie der Titel schon sagt, stehen im Mittelpunkt der Ausstellung die neun türkischen Mordopfer und die deutsche Polizistin Michele Kiesewetter.
Im ersten Teil der Ausstellung werden Biografien der Mordopfer mit Bildern dargestellt und die Mordvorgänge kurz beschrieben. Die Ausstellung zeigt die Opfer des NSU mit einem sehr menschlichen Bezug. Bewegend und ergreifend sind dabei Aussagen von einzelnen Familienangehörigen der Mordopfer. Gleichzeitig ist die Ausstellung eine Auseinandersetzung mit den Hintergründen dieser Mordserie und warum diese nicht aufgedeckt wurden. Sie zeigt das Zusammenspiel der neonazistischen Szene mit staatlichen Behörden, Institutionen, Polizei und Verfassungsschutz.
Im Begleitband zur Ausstellung heißt es dazu:
„Anstatt die Morde aufzudecken und „Neonazis zu suchen, hatte die Polizei bis November 2011 das Umfeld der Mordopfer verdächtigt, in kriminelle Machenschaften verstrickt zu sein. Während Rassismus als Tatmotiv weitgehend ausgeblendet worden war, waren die Ermittlerinnen und Ermittler jahrelang wie besessen von der Vorstellung, Türken oder andere Migranten seien die Täter. Konkrete Beweise lagen hierfür zu keinem Zeitpunkt vor.“ Der Begleitband vertieft einzelne Kapitel der Ausstellungstafeln und hat einen umfangreichen Quellennachweis. Ausstellung und Begleitband stellen fest „Rassismus und Vorurteile prägten die polizeilichen Ermittlungen.“ … institutioneller Rassismus (war) eine zentrale Ursache dafür, dass die Mordserie nicht gestoppt wurde.“
Institutioneller Rassismus Ursache, dass Mordserie nicht gestoppt wurde
Jahrelang ermittelten bis zu 160 Beamte mit großem Eifer im Umfeld der Mordopfer. Sie „verwanzten Autos von Opferangehörigen, hörten deren Telefonate ab und gaben sich als Journalisten aus, um die Hinterbliebenen auszuhorchen. Sie sprachen sogar mit Hellsehern und betrieben falsche Dönerbuden.“ Angehörige der Mordopfer wurden zu allem Schmerz auch noch Verdächtigungen ausgesetzt und deren Privatleben auf den Kopf gestellt. Die Bezeichnung der Morde als „Dönermorde“ und der zentralen Ermittlungseinheiten die sich „Halbmond“ und „Bosporus“ nannten“, lenkten bewusst von den rassistischen Morden ab. Nach dem Mord an der Polizistin „Michele Kiesewetter in Heilbronn, wurden Sinti und Roma als Täterinnen verdächtigt und öffentlich an den Pranger gestellt.“ Treffend zu diesen Methoden wird Semiya Simsek, die Tochter des ersten NSU-Mordopfers Enver Simsek zitiert „Elf Jahre lang durften wir nicht einmal reinen Gewissens Opfer sein. Elf Jahre hatte ich als Kind eines Drogendealers gegolten.“
Auch die Mär von einem NSU-Trio wird durch die Ausstellung widerlegt und nachgewiesen, dass hinter dem NSU ein ganzes Netzwerk stand und steht. Es sei „davon auszugehen, dass eine derartige Tatserie nicht ohne größeres Netzwerk umgesetzt werden konnte.“ Es war nicht nur ein Netzwerk „freier Kameradschaften“ sondern ging bis in den so genannten Verfassungsschutz hinein.
NSU – Morde und Netzwerk
In ihrer Eröffnungsrede zur Ausstellung im Theaterhaus Stuttgarter stellte die DGB-Kreisvorsitzende von Heilbronn und Sprecherin des Bündnisses „Heilbronn sagt Nein“, Silke Ortwein, fest: "Die drei Buchstaben NSU standen für sie bisher für die Abkürzung
Neckarsulmer Strickwaren Union. Heute stehen diese drei Buchstaben NSU für zehn Todes-Opfer, … für jahrelanges ungehindertes Morden von Menschen mit Wurzeln in anderen Ländern, da die Ermittlungen in die falsche Richtung gingen – ich nenne es mal bewusst „Ermittlungspannen“. Ermittlungspannen, die so nur passieren konnten, weil Ermittler selbst zutiefst rassistisch dachten“ und handelten. „Viele Fragen“ über Morde, Hintermänner und Netzwerk seien gerade in unserem Bundesland noch offen. Sind wir doch das Bundesland, in dem der mysteriöseste Mord in der Serie stattfand, in dem das Opfer eine Polizistin war, deren Vorgesetzter Mitglied im Ku-Klux-Klan war."
Sie forderte, wie schon die Landesdelegiertenkonferenz des DGB, die VVN/BdA und viele andere auch für Baden Württemberg einen NSU – Untersuchungsausschuss, um endlich mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Darauf hätte die Öffentlichkeit einen Anspruch.
Insgesamt eine sehr empfehlenswerte Ausstellung von der Ausstellungsmacherin Birgit Maier, die sich in mehreren Publikationen mit Neonazismus und Rassismus beschäftigt hat und beschäftigt. Die Ausstellung besteht aus 22 Tafeln. Zur Wanderausstellung gibt es auch einen Flyer.
Weitere Termine sind:
10. Mai – 7. Juni 2014 in der Volkshochschule Heilbronn Deutschhof
03.Juni – 1. August in Schwäbisch Hall in der Volkshochschule Schwäbisch Hall
Text/Foto: Dieter Keller