Zu Chancen und Grenzen des Bundespräsidenten
Nachdem soeben Joachim Gauck durchaus gegen den anfänglichen Willen der Bundeskanzlerin zum elften Bundespräsidenten gewählt wurde, werden quer durch sämtliche Lager alte Rechnungen aufgemacht. Den Vorwurf, Angela Merkel habe zuvor mit Horst Köhler und Christian Wulff gleich zweimal das höchste Staatsamt degradieren wollen, kontern konservative Zyniker damit, dass es durchaus richtig gewesen sei, das Amt nach der expansiven Amtsauffassung Richard von Weizsäckers wieder „auf den konstitutionellen Topf zu setzen“. Denn das erste Qualitätskriterium eines Bundespräsidenten könne gerade nicht in der großzügigen Wahrnehmung seiner Kompetenzen bestehen, sprich: als geschichtspädagogischer Oberlehrer aufzutreten, die Parteien ständig zu rüffeln und damit den Kanzler oder die Kanzlerin zu ärgern.
Tatsächlich glaubte Angela Merkel offenbar, das Amt des Bundespräsidenten als solches nach dem Weizsäcker-Trauma der Union mit Kandidaten der Handelsklasse B wieder in seine Schranken weisen zu können. Sowohl Köhler als auch Wulff waren letztlich Kandidaten zur Verhinderung von größerer Amtsautorität: Mit Köhler sollte Schäuble und mit Wulff sollten Lammert oder eben Gauck verhindert werden. Der dritte Anlauf ist nun gründlich schief gegangen.