Deutschland hat er einen Tag nach Hitlers Machtergreifung verlassen, Frankreich einen Tag vor dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris und Hollywood ein Jahr vor der Einführung von CinemaScope. So resümierte Robert Siodmak einmal sein Leben: als einer, der davongekommen ist, der regelmäßig entwurzelt wurde und vielleicht gerade im heiklen Exil die eigene Fantasie angeregt fand.
Es liegt, freilich, etwas Uneingelöstes in dieser Emigrantenkarriere. Nicht immer gelang es Siodmak, sich bei all den Umbrüchen und Blickverschiebungen neu zu erfinden. In der BRD feierte er zwar mit schwerblütigen Literaturverfilmungen wie Die Ratten (1955) ein Comeback. Bald ereilte ihn jedoch das Los aller Re-Emigranten, die sich bei Artur Brauners CCC verdingen mussten und ihre Karrieren mit unvermutet schlampigem Handwerk beschlossen.
Kein Wunder, dass Siodmak ein Streitfall der Autorentheorie geblieben ist; die Qualität seiner Filme hing immer von spezifischen Rahmenbedingungen ab. Seine schöpferischste Periode erlebte er in den vierziger Jahren, als er zu den Virtuosen des Helldunkel zählte, von denen die pessimistischen Melodramen des Film noir nicht wenige hervorbrachten. Siodmaks Faible für inszenatorische Bravourstücke, seine persönliche Handschrift und thematischen Vorlieben waren unverkennbar. Deshalb lässt sich aus Anlass der großen Retrospektive im Berliner Zeughauskino nicht ketzerisch fragen: Worin genau liegt Siodmaks Beitrag etwa zu einem Film wie Gewagtes Alibi (1948), wenn man Franz Planers dramatisch-kontraststarke Fotografie, Daniel Fuchs’ rissiges Drehbuch, Boris Levens klaustrophobische Dekors und Miklós Rózsa nervös pulsierende Partitur abzieht?
Siodmak war ein Meister der atmosphärischen Inszenierung, der dramatischen und sinnlichen Verdichtung. Schauplätze etablierte er mit einem Blick für das Typische, Wiedererkennbare. Dekors sind in seinen Filmen nicht einfach Kulissen, sondern prekäre Lebenssphären. Die bedrohliche Wahrnehmungsfülle, die fiebrige Urbanität von US-Großstädten vermochte er selbst in Studiodekors stimmig einzufangen. In Die Wendeltreppe (1945) und Rächer der Unterwelt (1946, nach Hemingways The Killers) ziehen Kamerafahrten Figuren und Zuschauer in eine düstere Welt. Dort herrschen pathologische Liebes- und Familienbeziehungen. Ein Universum der Duplizität und Täuschung – selbst in dem ausgelassenen Piratenfilm Der rote Korsar (1952) warnt Burt Lancaster die Zuschauer, nicht alles zu glauben, was sie sehen werden – , bevölkert von gespaltenen Persönlichkeiten und Doppelgängern.
Die Szenarien kunstvoller Ausweglosigkeit (auffallend, wie häufig in ihnen nachträglich Charaktere und Schicksale rekonstruiert werden) verraten vielleicht am stärksten einen europäischen Blick, der den uramerikanischen Optimismus in Zweifel zieht. Siodmaks Figuren werden zu Opfern – nicht eines tragischen Schicksals, sondern der eigenen Leidenschaften. Vergangenheit sucht sie heim. So empfahl sich Siodmak in der BRD mit Nachts, wenn der Teufel kam (1957) als Protagonist eines Kinos des unruhigen Gewissens. Den Wahn der Nazis, der in seinen Hollywood-Filmen noch Vorahnung gewesen war, erforschte er hier als konkretes Schattenreich. Dass Albträume wahr werden können, wird zu den Alltagserfahrungen als Exilant gehört haben.
Robert Siodmak. Retrospektive Bis 29. Juni im Berliner Zeughauskino. Programm unter dhm.de/zeughauskino
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