15.2.2012, Cottbus: (Mit) Energie gegen Nazis

Matthias Berg 19.02.2012 17:36 Themen: Antifa
Nur zwei Tage nach Dresden marschierten am vergangenen Mittwoch die Faschisten durch Cottbus. Ebenfalls unter dem Vorwand den Opfern der alliierten Bombenangriffe des 2. Weltkrieges gedenken zu wollen. Ihre Demo wurde auf Grund der zahlreichen antifaschistischen Blockaden zu einem Stop-and-go-Marsch. Erst um 23.00 Uhr, erreichten sie den Endpunkt ihrer Demo.
Mittwochabend in Cottbus. Es ist dunkel, kalt und ein Nieselregen setzt ein. Am Rande einer Menschenmenge steht eine vierköpfige Familie beisammen. Wie viele der Umstehenden tragen sie kleine rote Leuchtringe an ihren Jacken. Mit ruhiger Stimme liest der Vater aus einem Flugblatt vor. Es geht um die Fünf-Finger-Taktik zur gewaltfreien Blockade des heutigen Naziaufmarsches. Die Kinder, zwei Jungen im Alter von 10 und 12 Jahren, wirken nicht ängstlich, aber ernst und konzentriert. Der jüngere fragt, ob nach der dritten polizeilichen Aufforderung die Blockade beendet werden muss. Die Mutter antwortet mit der Betonung auf „wir vier“: „Wir vier werden dann besser die Straße verlassen“.

Nur zwei Tage nach dem faschistischen „Trauermarsch“ in Dresden sind die Nazis nun nach Cottbus gekommen. Wieder unter dem Vorwand den Opfern der alliierten Bombenangriffe des 2. Weltkrieges zu gedenken. 200 Faschisten haben sich gegen 18 Uhr am Cottbusser Spreewaldbahnhof versammelt. Sie werden, wie in Deutschland üblich, durch ein riesiges Polizeiaufgebot geschützt.

Bereits um 16.00 Uhr formiert sich am Hauptbahnhof ein antifaschistischer Demonstrationszug, der bis auf 500 Personen anwächst. Ziel ist die Kammerbühne, wo auf dem Vorplatz ein Kulturprogramm mit Reden von Zeitzeugen, Lesungen und Musik stattfindet. Getragen werden diese Aktivitäten von einem breiten Bündnis aus antifaschistischen Gruppen, Parteien, Gewerkschaften, Sportvereinen usw.
Nur 100 Meter von der Kammerbühne entfernt ist der Treffpunkt von „Cottbus Nazifrei“. Hier sammeln sich all die Leute, die später den Nazimarsch blockieren wollen. Gegen 17.30 Uhr werden die verschiedenen „Finger“ informiert, dass es losgeht. Ein Grossteil der Menschen unterschiedlichstem Alter und Herkunft, die vorher dem Kulturprogramm lauschten, schließen sich den aufbrechenden Blockadegruppen an.

Einer größeren Gruppe gelingt es innerhalb weniger Minuten über Park- und Wirtschaftswege der Polizei auszuweichen und auf die Hallenser Straße zu gelangen. Die plattenbauumsäumte Straße ist Teil der nördlichen Wegstrecke der Nazis. Bald sitzen bzw. stehen hier 400 Blockierer.
Anderen kleineren Gruppen gelingt es weiter südlich im näheren Abstand zum Nazisammelpunkt die Route zu blockieren. Während diese Antifaschisten nach und nach von der Polizei geräumt werden, wird die große Blockade in der Hallenser Straße kurzzeitig eingekesselt und der Nazimarsch herumgeleitet.

Bei ihrem Vorgehen gegen die Antifaschisten zeigt sich die Polizei zurückhaltend aggressiv. Nur vereinzelt werden Pfefferspray und Schlagstock eingesetzt. Allerdings kommt es zu ca. 50 Personalienfeststellungen und zwei Anzeigen wegen Widerstand.

Auf Grund der Blockaden gestaltet sich für die Nazis ihre Demonstration zu einem nervenaufreibenden Stop-and-go-Marsch. Für ihre 4 km lange Demostrecke benötigen sie ganze 5 Stunden. Erst gegen 23.00 Uhr gelangen sie zu ihrem Endpunkt. Garniert wird ihr „ehrenvolles Gedenken“ durch eigene Dauerbeschallung mit verzerrt klingender Trauermusik von Beethoven. Schon nach 1 1/2 Stunden sind von den Anfangs 200 Faschisten nur noch rund 100 anwesend. Gegen Ende nur noch 50.
Der ehemalige Politologiestudent Ronny Zasowk und der Waffen- und Bekleidungshändler Sebastian Schmidtke, beide führende NPD-Funktionäre, treten bei den Zwischenkundgebungen als Redner auf. Zasowk ereifert sich insbesondere darüber, dass an solch einem Gedenktag vor der Kammerbühne ein "primitives Multikultifest mit Buschtrommeln" abgehalten wird.

Die örtliche Polizeiführung hätte auf Grund der zahlreichen Blockaden den juristischen Spielraum gehabt, den Nazimarsch auf eine stationäre Kundgebung oder eine Kurzstrecke einzuschränken. Dass sie es nicht getan hat, spricht sprichwörtliche Bände. Gerade einmal drei Monate sind vergangen, als nach dem Selbstmord zweier Faschisten in Eisenach das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden gegenüber dem faschistischen Terror nicht mehr geleugnet werden konnte. Mittlerweile ist offensichtlich wieder Alltag in Deutschland eingekehrt. Es vergeht kaum ein Tag ohne das die Faschisten, weitestgehend behütet durch Gerichte und Polizei, ihre Hetze auf deutschen Straßen verbreiten können.


Fotos von antifaschistischer Demo, Kulturfest, Blockaden und Nazimarsch hier:
 http://www.flickr.com/photos/bergm13/sets/72157629385811213/show/
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Ergänzungen