Baskenland: Pfeifkonzert als Terrorismus

Uschi Grandel (Info Baskenland) 22.01.2012 22:08 Themen: Repression Weltweit

Neunzehn Basken wegen friedlichen Protests vor dem Sondergericht in Madrid. Zwischen drei und sechs Jahre Gefängnis, insgesamt achtundachzig Jahre, fordert der Staatsanwalt in einem Prozess, der am Montag, den 23. Januar 2012 in Madrid vor dem spanischen Sondergericht Audiencia Nacional beginnt. „Surrealistisch“ nennt Lali Aramendi, eine der Angeklagten, das Verfahren.

Das hatten bisher auch die lokalen Gerichte geurteilt. Sie stellten das Verfahren, das auf Betreiben zweier Mitglieder der rechten Partido Popular (Volkspartei) begonnen wurde, ein. Der oberste spanische Gerichtshof hob diese Einstellung auf und will die neunzehn Basken als Terroristen verfolgt wissen.

Protest gegen Wahlmanipulation

Es geht um einen friedlichen Protest aus dem Jahr 2003. Bürger des baskischen Städtchens Laudio waren mit Plakaten und Pfeifen zur ersten Sitzung des Gemeinderats erschienen, um gegen dessen undemokratische Zusammensetzung zu protestieren. Auf ihren Plakaten stand „Gegen Wahlbetrug“ und „Demokratie für Euskal Herria (das Baskenland)“. Sie protestierten mit Pfeifen gegen die Annulierung der 2.033 Stimmen, die die Liste der baskischen Linken bei den Kommunalwahlen im Jahre 2003 erhalten hatte. In dem kleinen Ort Laudio mit insgesamt 18.000 Einwohnern waren das etwa 20% der abgegebenen Stimmen. Im Vorjahr war Batasuna (Einheit), die Partei der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung verboten worden.

Während des Protests war die Stimmung gereizt und es kam zu einer lautstarken verbalen Auseinandersetzung, der Protest blieb jedoch friedlich. „Irrsinning“, nennt es Iker Roiz, ebenfalls einer der Angeklagten, „Personen als Terrosristen anzuklagen, die gegen die Verletzung von Bürgerrechten protestieren.“

Politische Gesinnung verfolgt

Der Massenprozess gegen die neunzehn Bürger von Laudio illustriert auf plastische Weise, wie weit der oberste spanische Gerichtshof und das Madrider Sondergericht den Begriff Terrorismus spannen. Die UN Menschenrechtskommission hatte dies in der Vergangenheit mehrfach kritisiert. Baskische Menschenrechtsorganisationen schätzen, das sich derzeit etwa 120 Basken auf Grund ihrer politischen Gesinnung in Haft befinden. Weitere 180 Personen sind von Gerichtsverfahren dieser Art bedroht.

„Es muss Schluss sein mit diesen politischen Prozessen und Urteilen“ fordern immer mehr Menschen im Baskenland. Sie wollen nicht länger hinnehmen, dass die spanische Regierung politische Aktivisten unter dem Vorwand des Terrorismus verfolgt, schon gar nicht, seitdem ETA im Oktober vergangenen Jahres ihren bewaffneten Kampf beendete und eine Lösung des baskisch-spanischen Konflikts auf friedlichem Wege möglich ist. Die baskische Zivilgesellschaft geht in die Offensive. Mitte Januar meldete sich beispielsweise eine Gruppe baskischer Künstler zu Wort, um gegen die politischen Prozesse Stellung zu beziehen. Das Problem sei nicht nur eine falsche Anwendung des Parteiengesetzes. Der spanische Staat habe sich das Parteiengesetz so zurechtgestutzt, dass es für die Verfolgung aller Bereiche der baskischen linken Unabhängigkeitsbewegung ein zwar illegitimes, aber legales Werkzeug biete.

Internetaktivist "vorbeugend" in Haft

Das bekam auch Miguel Angel Llamas zu spüren. Seit einem Jahr ist der Internetaktivist und Betreiber der Internet-TV-Plattform apurtu.org ohne Gerichtsverfahren „vorbeugend“ in Haft. Berichte seines Internetfernsehens über die Verletzung von Bürger- und Menschenrechten im Baskenland seien Propaganda im Auftrag von ETA. Der Karikaturist der baskischen Tageszeitung GARA bemerkte dazu ironisch, die Vorwürfe seien sicherlich über jeden Zweifel erhaben. Auf baskisch heiße Internet schließlich InternETA.


Foto: Viele Bürgerinnen und Bürger beteiligen sich an einer Solidaritätskundgebung in Laudio für die Angeklagten

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