Bericht Aktionstag "Access all areas"

unverträglich 17.12.2011 21:29 Themen: Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Erste Zusammenfassung der Ereignisse des Aktionstages „Access all areas - gegen kapitalistische Stadtentwicklung und Gentrifizierung“. Kundgebungen, Demonstrationen und Aktionen im Hamburger Stadtgebiet. Proteste und Demonstrationen in Frankfurt/Main, Köln, Berlin, Wien und Zürich. Bitte um weitere Berichte ergänzen.
Heute, am 17. Dezember, hat der von vielen Gruppen und Initiativen unterstützte Aktionstag „Access all areas - gegen kapitalistische Stadtentwicklung und Gentrifizierung“ stattgefunden. Über den Tag verteilt beteiligten sich im Hamburger Stadtgebiet ca. eintausend Menschen an unterschiedlichen Kundgebungen, Demonstrationen und Aktionen. Im Vorfeld gab es beschränkende Auflagen der Versammlungsbehörde und am Rande des Aktionstags kam es zu Übergriffen der Polizei.
Auch in anderen Städten gab es Proteste und Demonstrationen, u.a. in Köln, Freiburg, Wien, Zürich und Berlin. In Frankfurt/Main folgten 500 Menschen dem Aufruf des Netzwerks „Wem gehört die Stadt?“ und demonstrierten unter der Forderung „Wohnraum für alle!“, in Berlin zogen ca. 20 Bauwagen und Lkw für mehr Wagenplätze und unkommerzielle Freiräume durch die Stadt.

Der heutige Aktionstag richtete sich gegen Umstrukturierung, Verdrängung und Vertreibung – und war dabei auch Ausdruck der Solidarität mit dem nach wie vor umkämpften Projekt Rote Flora. Die öffentlichen Spekulationen der letzten Wochen um die Liquidität des formalrechtlichen Eigentümers Kretschmer haben die Alles-ist-geklärt-Haltung des Senats als den Versuch demontiert, den Konflikt herunterzuspielen. Der nicht-kommerzielle Ort wird solange bedroht sein, wie sich das Gebäude als Immobilie auf dem Markt befindet. Als besetztes Zentrum begreift die Flora sich in ihrer Unverträglichkeit zudem als „Störfaktor in der ökonomischen Verwertung des Stadtraumes“. Die Frage nach der Zukunft des Projekts ist daher eine gesellschaftliche Frage. Entsprechend stand am Aktionstag auch nicht die Flora selbst im Mittelpunkt, sondern die Frage nach den gesellschafltichen Verhältnissen.

Themen & Aktionen

Zum Auftakt des Aktionstages wurde das Feld städtischer Konflikte von Süden her aufgerollt und startete in Harburg. In einer „Rebel Art Mob Action“ wurden Leerstände markiert, um der Forderung der Initiative „Ja zur Nö“ nach einem selbstverwalteten soziokulturellem Zentrum in der Nöldekestraße Nachdruck zu verleihen. Die Polizei schikanierte, indem sie das legal geparkte Auto eines im Stadtteil aktiven Menschen ohne Grund abschleppte. In Wilhelmsburg folgte eine Aktion der Initiative „Der Zaun muss weg!“, die die Ursachen und lokalen Folgen von IBA und IGS ins Visier nahm. Am eingezäunten Menge-Park, dessen Besuch in Zukunft nur noch zu Tarifen zwischen 17 und 21 Euro möglich sein soll, äußerten gut 150 Menschen ihren Unmut über die Privatsierung und Kommerzialisierung öffentlicher Räume – als die Menschen den Ort des Protests verließen, fehlten dann auch mehrere Meter Zaun. In St. Georg gab es ein Radioballett gegen die Vertreibung von Sexarbeiter_innen mit 60 Teilnehmer_innen.

Um 15 Uhr kamen 280 Menschen zu einer ersten zentralen Kundgebung gegen Vertreibung auf dem Hachmannplatz am Hauptbahnhof zusammen. Unter dem Motto „Hamburg ist kein Schreibergarten“ wurde sich solidarisch gegen eine Politik der Ausgrenzung in St. Georg, am Hauptbahnhof und anderswo positioniert und zum Sturz des selbsternannten Bezirksfürsten von Mitte aufgerufen.
Als Wiederkehr der vermeintlich Verdrängten waren drei Bauwägen des kürzlich nach Altona verzogenen Platzes Zomia anwesend. Zomia wertete ein Preisausschreiben zur Suche nach geeigneten Orten für einen neuen Wagenplatz aus. Das Ergebnis fasst Zomia wie folgt zusammen: „Als Fläche für den sechsten Wagenplatz in Hamburg sind 17 verschiedene Flächenvorschläge eingegangen, davon sechs im Bezirk Mitte bzw. im Hafen (HPA).Die Auswertung ist noch nicht beendet, aber: auf keiner der Flächen ist ein Wagenplatz langfristig ohne den (politischen) notwendigen Willen möglich.“ Einmal mehr ist deutlich geworden, dass die Durchsetzung von Wagenplätzen eine Frage sozialer und politischer Kämpfe ist. Flächen gibt es genug.
Zudem gab es eine Liveschaltung zur zeitgleich in Frankfurt stattfindenden Demonstration und eine kurze Grußadresse aus Berlin.

Währenddessen enterte die Kampagne für ein Autonomes Zentrum in Altona den Alma-Wartenberg-Platz. Dort wurden Aufwertungs- und Verdrängungskonzepte des Zukunftsplans und der Neuen Mitte Altona kielgeholt und deutlich gemacht, dass es auch hier selbstverwalteter und selbstbestimmter Räume als Kontrapunkt zu Quartiersempowerment und simulierter Teilhabe in so genannten Partizipationsverfahren bedarf.
An verschiedenen Orten in Ottensen tauchte zudem immer wieder ein Ernie & Bert Flashmob auf, prüfte den Weihnachtsmarkt sowie im Einkaufzentrum Mercado die Rolltreppen auf ihre Demonstrationstauglichkeit und Parolenfestigkeit, lud in einem Schuhgeschäft zur Anprobe. Eine eilig herbeigerufene Hundertschaft der Polizei durchsuchte den Laden, konnte aber nur einige Schuhe sicherstellen.

Ab 16 Uhr startete in Altona, St. Pauli und der City mit „Hells Bells“ das Topfschlagen gegen Wohnungsnot und steigende Mieten. Durch die Innenstadt zogen topfschlagende Kleingruppen und verteilten Flugblätter gegen kapitalistische Stadtentwicklung. Auf der Reeperbahn startete die Stadtteilversammlung „SOS St. Pauli“ eine Unterschriftenkampagne
für ihren „12‐Punkteplan als Notreißleine gegen Gentrifizierung“ und für die Entkriminalisierung von Besetzungen.

In der Innenstadt ging es ab 16.30 Uhr weiter mit einer Kundgebung gegen Senatspolitik, Wohnungsnot und Innenstadtverbote an der Börse hinterm Rathaus und damit im Rücken der politisch Verantwortlichen. In unterschiedlichen Redebeiträgen wurde Position gegen die Krisenverwaltung der etablierten Politik bezogen. Die Flora warb für ihre Unverträglichkeit, Unterstützer_innen des Piratenprozesses kritisierten die herrschende Wettbewerbsordnung in ihrer rassistischen und globalen Dimension und ein Vertreter des Bündnisses „Mietenwahnsinn stoppen“ forderte die Vergesellschaftung von Wohnraum.
Im Fokus der Kritik stand zudem die langjährige Hamburger Tradition, unliebsame linke Demonstrationen mit politischen Innenstadtverboten zu belegen. Entweder durch die Konstruktion vermeintlicher Bedrohungsszenarien und Auflagen im Vorfeld oder durch polizeiliche Willkür im Einsatz, wie zuletzt am 5.11. bei der Zomia-Demonstration, die aufgrund massiver Repression noch vor Erreichen einer relevanten Öffentlichkeit aufgelöst werden musste.

Doch Innenstadtverbote führen nicht zur Auflösung von Widersprüchen, sondern ziehen kreative Lösungen nach sich, die eine solche verordnete Friedhofsruhe unterlaufen. Protest ist nichts Statisches, sondern entwickelt sich mit den Verhältnissen – und Aktionstage wie der heutige befördern diese Dynamik. Heute Nachmittag bekamen die behandelten Themen Hände und Füße und präsentierten sich im innerstädtischen Weihnachtstrubel durch eine Vielzahl von Aktionen und Protestnoten. Konfetti- und Flugblattaktionen vervielfältigten die Kritik, hunderte Demonstrant_innen kaperten lautstark die Weihnachtsmärkte und mehrere Spontandemonstrationen zogen durch die Straßen und Passagen.
Die Polizei stürmte daraufhin durch die Menschenmengen, verursachte Panik und schlug auf Umstehende mit Knüppeln ein. Mehrere Demostrant_innen wurden eingekesselt und erhielten für ihren legitimen Protest Platzverweise für die Innenstadt. Ein Mensch wurde wahllos in Gewahrsam genommen.

Perspektiven

Zum Abschluss des Aktionstages zeigte schließlich ab 18.30 Uhr auf der Reeperbahn eine Kundgebung gegen den Abriss der Esso-Häuser und Umstrukturierung mit gut 300 Beteiligten und Livemusik, dass St. Pauli mehr und etwas ganz anderes ist als eine Visitenkarte Hamburgs. Nämlich ein Stadtteil, in dem Menschen leben, die von Umstrukturierung, steigenden Mieten und Verdrängung massiv betroffen sind und die sich in einer Vielzahl von Initiativen zur Wehr setzen. Begleitet von den Klängen zweier Hiphop- und Electro-Acts wurden die Ereignisse des Tages zusammengetragen und bei einem Becher Glühwein machte sich die Gewissheit breit, dass die Zukunft der Städte und der Gesellschaft eine Frage sozialer und politischer Bewegungen ist und bleibt.

Wie der Tag hat gezeigt hat, läuft der immer häufiger zu hörenden Pauschalvorwurf des Senates an politische Initiativen, lediglich Partikularinteressen zu vertreten, ins Leere. Ein Aktivist der Kampagne „Flora bleibt unverträglich“ dazu: "Im Gegensatz zur etablierten Politik, die vor allem privatwirtschaftliche Interessen vertritt, entwickeln wir gesamtgesellschaftliche Fragen und Antworten zu Krise, Neoliberalismus und Kapitalismus weiter. Die selbstbestimmte Aneignung des öffentlichen Raumes sowie die Forderungen nach einer Vergesellschaftung von Wohnraum und einer Entkriminalisierung von Besetzungen als Mittel gegen Leerstand sind Beispiele hierfür."

Eine nächste Wegmarke ist dabei bereits gesetzt: Wir rufen auf zur Teilnahme an der Kundgebung „Die Stadt gehört allen“ am 12. Januar 2011 um 18 Uhr am Mönckebrunnen in der Innenstadt.

Kampagne „Flora bleibt unverträglich“
Vorbereitungsbündnis zum Aktionstag
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Ergänzungen

17.10. 2011 >>access all areas<< Aktionstag

mehr davon 17.12.2011 - 21:51
Unter dem Motto „¡bleibt unverträglich!“ wurde heute in Wien zu einer
Radrundfahrt geladen. Knapp 40 Menschen versammelten sich, brachten
Fähnchen und Banner an ihren Rädern an und fuhren mit Musik und
Trillerpfeifen durch die Straßen. Dabei wurden verschiedene
widerspenstige, unverträgliche Orte angefahren und in Wortbeiträgen die
jeweiligen Problematiken angesprochen.

Startpunkt war das Amerlinghaus, ein durch eine Besetzung entstandenes,
über drei Jahrzehnte altes selbstverwaltetes Kulturzentrum, das in letzter
Zeit immer mehr in Bedrängnis geraten ist, weil die Stadt zwar Förderungen
zahlt, diese aber im Gegensatz zur Miete nicht erhöht und nun zunehmend
eine Kommerzialisierung des Hauses verlangt.

Nicht weit vom Amerlinghaus war die nächste Station die Abrissruine des
Epizentrums, ein bis Anfang November für etwa einen Monat besetztes Haus,
in dem bis zur Räumung ein neues Soziales Zentrum im Aufbau war.

Danach ging es zum Westbahnhof, der in den letzte Jahren umgebaut und vor
kurzem als Einkaufscenter mit angegliedertem Bahnhof neu eröffnet wurde.
Im eigentlichen Bahnhofsbereich sind vor allem neue Kameras dazugekommen,
die meisten der vormals vorhandenen Sitzmöglichkeiten aber verschwunden.
Im Kontext des neuen Westbahnhofs steht aber vor allem auch eine
Aufwertung der umliegenden Gegend, die mit starken Mieterhöhungen und
Verdrängung alteingesessener Bewohner_innen einhergeht.

Als nächstes lag das Thema Sexarbeit auf unserer Route. Der Bereich rund
um die äußere Mariahilfer Straße ist einer der Gegenden, aus denen
Sexarbeiter_innen aufgrund eines neuen Gesetzes vertrieben wurden und
werden. Das Gesetzt stammt schon aus der Zeit der knapp ein Jahr alten
rot-grünen Koalitionsregierung in Wien und hat zur Folge, dass Sexarbeit
unsichtbar gemacht und aus Wohngebieten komplett verdrängt wird, was nicht
zuletzt die Gefahr von Gewaltübergriffen stark erhöht.

Nächster Punkt war das Kaleidoskop, ein Vereinslokal, das letzten Sommer
im Zuge einer Verhaftungswelle durchsucht wurde. Einige Aktivist_innen aus
dem Umfeld der Bildungsproteste wurden monatelang observiert. Als dann
irgendwann in der Nähe des Kaleidokops Mülltonnen vor einem Arbeitsamt
brannten, wurden vier Menschen bis zu sieben Wochen in Untersuchungshaft
gesperrt. Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft konstruierten eine
„terroristische Gruppe“ und einen „verbrecherischen Komplott“, mit dem sie
auch im Nachhinein die Überwachungsmaßnahmen rechtfertigten.

Weil es während der Rundfahrt angefangen hatte zu schneien, wurde der
Redebeitrag zum Karlsplatz im Kaleidoskop bei warmem Tee am Ofen angehört.
Der Karlsplatz und die U-Bahn-Passage waren lange ein Ort, an dem sich
auch Drogenuser_innen aufhielten und trafen. Seit Jahren fährt die Stadt
ein Säuberungsprogramm, das einzig auf Verdrängung und Unsichtbarmachung
ausgerichtet ist. Die Spritzentauschstelle wurde geschlossen, die Passage
zur „Kulturpassage“ umgetauft und teilweise erneuert, vor allem aber
patrouilliert militärisch gerüstete Polizei und vertreibt Menschen, die
nicht in das Bild des sauberen Wien passen aufgrund von absurden
Regelungen wie dem Verbot auf Verkehrsflächen „unbegründet“ stehen zu
bleiben.

Letzte Station war dann der Weihnachtsmarkt am Maria-Theresien-Platz, der
als Anlass genommen wurde, die Bettelverbotspolitik der Stadt zu
kritisieren. Über die Deklarierung jeglichen Bettelns als „gewerbsmäßig“
wurde Betteln und damit die darauf angewiesenen Menschen bereits fast
vorllständig aus der Innenstadt verbannt. Eine Nische war oder ist das
Verkaufen von („Obdachlosen“)-Zeitungen. Auf den Weihnachtsmärkten der
Stadt, die von zwei Firmen kontrolliert werden, sind nun dieses Jahr
erstmals systematisch Zeitungsverkäufer_innen von Privatsecurities
vertrieben worden. Mit dem Aufruf „Occupy Christkindlmarkt“ lud die
bekannteste der betroffenen Zeitungen zu Aktionen ein, die viel aufsehen
erregten und zumindest Besserungsbekundungen der Firmen zur Folge hatten.

Die Form der Stadtrundfahrt hat uns allen gut gefallen, die Stimmung war
super, die Aufmerksamkeit von Passant_innen hoch, es wurden viele Flyer
verteilt und wir waren als unangemeldete und laute Versammlung sehr
eigenständig durch die Stadt unterwegs: im Gegensatz zur monatlichen
Critical Mass ganz ohne Polizeibegleitung. Es hat Spaß gemacht, sich die
Stadt auf diese Weise ein wenig anzueignen und Menschen auf die
bestehenden Kontroversen aufmerksam zu machen.

Außer der Stadtrundfahrt gab es heute noch eine Reihe anderer
Interventionen in den öffentlichen Raum, unter anderem an einer der
Haupt-Einkaufsstraßen, der Mariahilfer Straße. So gab es zum Beispiel
einen Zombie-Walk und Terror-Punsch, es wurde auch von einem kleinen Mob
mit Soundsystem irgendwo berichtet, Infos über weitere direkte Aktionen
werden wohl in den nächsten Stunden eintreffen.

Gerne waren wir Teil von diesem überregionalen Aktionstag, nicht zuletzt
weil viele in Wien natürlich die Rote Flora kennen und zu schätzen wissen,
aber auch, weil es notwendig ist, unsere Kämpfe für ein Recht auf Stadt zu
verbinden und uns auszutauschen.

Auch Wien bleibt unverträglich! Und wir bleiben alle!


Links:
Einladung zur Radrundfahrt ¡bleibt unverträglich!
 http://at.indymedia.org/node/21860

als Flyer:
 http://at.indymedia.org/files/attachments/21860/10557.pdf

Flyer zum Zombie-Walk:
 http://platzda.blogsport.eu/2011/12/17/zombiewalk-17-12-aae/

infos zur kampagne

link 17.12.2011 - 21:52

was aus berlin

Berlin-Neukölln, Gratiseinkauf bei Biocompany 18.12.2011 - 00:36
Berlin-Neukölln, Gratiseinkauf bei Biocompany


 http://linksunten.indymedia.org/de/node/52113

Mopo über den laterenumzug

Acab 18.12.2011 - 11:17
Zitat mopo:
...laute Rufe erschallten: „Gegen die Hexe (gemeint war Bausenatorin Jutta Blankau) , gegen Gesetze, für mehr Bauwagenplätze“.

Bericht Berlin

access all areas 18.12.2011 - 13:45
Kurzer Bericht über die Wagendemo/ Parade in Berlin.

Etwa 50-100 Personen mit ca. 20 Bussen und LKW folgten dem Aufruf zur Wagendemo/ Parade gegen kapitalistische Stadtumstruckturierung und Gentrifizierung. Die geringe Teilnehmer_Innenzahl lässt sich wahrscheinlich mit der recht kurzfristigen Mobilisierung und der vorangehenden Demonstration in Neukölln gegen Polizeigewalt, Nazis und Faschisten erklären.
Die Demo startete etwa 15:45Uhr in der Persiusstraße, nähe des Ostkreuzes, gegenüber vom FIPS. In gemütlicher Schrittgeschwindigkeit, mit Parolen und unter Hupkonzerten ging es mit Soundwagen quer durch den Friedrichhainer Kiez. Im Live-Set vom Soundwagen wurden neben Video- Live- Projektionen Redebeiträge u.a. aus Wien, München und Freiburg eingebaut. An den Toren der an der Strecke liegenden Wagenplätze "Laster & Hänger" und "Convoi" gab es Aufwärmmöglichkeiten in Form von Glühwein und Feuertonnen. Es wurden zahlreiche Flugblätter am Rande der Demo verteilt und es kam zu einzelnen Gesprächen mit Passant_Innen.
Nach etwa dreistündiger "Fahrt" endete die Demo/ Parade auf dem alten Schlachthofgelände zwischen Townhouses, Kaufland und Stadler. Es gab noch etwa eine Stunde Musik mit Glühwein bis die Bullen, die sich an diesem Tag bis dahin zurückgehalten hatten, die Veranstaltung, die bis 22 Uhr angemeldet war, kurzerhand für beendet erklärten.
Alles in Allem war es trotz weniger Teilnehmer_Innen eine nette Demo mit guter Stimmung, lauten Beats und kreativen Transparenten- Sprüchen.

Nachfolgend der Redebeitrag der Wagengruppe "Rummelplatz":

Hallo liebe Anwohner_Innen, Sympathisant_Innen, Freundinnen und Freunde,

wir heißen euch willkommen zum Aktionstag gegen kapitalistische Stadtentwicklung und Gentrifizierung.Trotz des beschissenen Wetters wollen wir unseren Protest heute erneut auf die Straße bringen. Für viele scheint es vielleicht die alte Leier zu sein, jedoch ist die soziale Lage hier in Berlin und in den meisten anderen Städten nicht besser geworden. Im Gegenteil: Die Mieten steigen unaufhörlich, die Kieze werden angeblich „aufgewertet“. Diese Rechnung wird jedoch ohne Berücksichtigung der langjährigen Bewohnerschaft gemacht. Immer mehr Menschen und Projekte sehen sich in ihrer Existenz bedroht oder sind gar schon aus der Innenstadt verdrängt worden. Der alltägliche Konkurrenzkampf, die Hürden und Grenzen, vor denen sich manch eineR sieht, tragen dabei nicht zur Besserung der Lage von vielen Betroffenen bei. Es ist offensichtlich: die Kluft zwischen Oben und Unten wird immer größer und deutlicher.

Wir als Wagengruppe sehen es als wichtig an, gemeinsam und solidarisch gegen die herrschenden Verhältnisse zu kämpfen. Ob als Hausprojekt, Wagenplatz, Politgruppe, Wohngemeinschaft oder Einzelperson: um der kapitalistischen Verwertungslogik entgegentreten zu können, müssen wir gemeinsam zeigen, was wir vom herrschenden System halten und dass ein anderes Leben möglich ist. Dazu gehört auch sich nicht durch profitgierige Investor_Innen und Politiker_Innen vertreiben zu lassen, Widerstand zu leisten und sich solidarisch miteinander zu zeigen.

Die Wagengruppe „Rummelplatz“ bezog im Oktober 2010 ein Gelände in der Nöldnerstraße 13 in Lichtenberg, nachdem über ein halbes Jahr lang Gespräche und Verhandlungen mit Bezirkspolitiker_Innen und privaten Grundstücksinhaber_Innen geführt wurden. Zu dem Pachtverhältnis kam es letztendlich zwar unerwartet, jedoch gerade rechtzeitig vor Wintereinbruch. Im Oktober diesen Jahres erreichte die Bewohner_Innen des „Rummelplatzes“ die Kündigung des Pachtvertrages durch die mitlerweile zuständige Zwangsverwaltung „Wutzke und Förster“. Die Bewohner_Innen entschieden sich, das Gelände zu verlassen und mit ihrem weiteren Vorgehen die Problematik um Wagenplätze in die Öffentlichkeit zu tragen. Es kam zu der Besetzung der Hauptstraße 3 in Rummelsburg. Dadurch sollte eine Basis für die öffentliche Diskussion und für weitere Verhandlungen geschaffen werden. Es kam zu zahlreichen Gesprächen mit Lichtenberger Bezirkspolitiker_Innen und der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Nach etwa einer Woche Besetzung, Gesprächsversuchen und Warten stand fest: der Bezirk Lichtenberg werde keine bezirkseigenen Grundstücke für Wagenplätze oder andere kulturellen Projekte zur Verfügung stellen. Aus der Senatsverwaltung hieß es, es wurde eine politische Entscheidung getroffen. Diese sah die umgehende Räumung des besetzten Geländes in der Hauptstraße 3 vor. Da der Dialog von Senatsseite abgebrochen wurde und eine polizeiliche Räumung drohte, entschieden die Besetzer_Innen am 8.12. die Besetzung abzubrechen. Ein Verbleiben auf dem Gelände hätte womöglich unnötige Repressionen nach sich gezogen.
Mittlerweile steht der Rummelplatz seit über einer Woche auf der Straße. Aktuell wird mit dem Bezirk Friedrichshain über Gelände für eine zweckmäßige Nutzung als Wagenplatz gesprochen. Aus dem Büro des Bezirksbürgermeisters Franz Schulz heißt es, aktuell werde noch auf Antworten von privaten Grundstücksinhaber_Innen gewartet. Ob dies zu einer konstruktiven Lösung führt oder lediglich eine Hinhaltetaktik ist, wird sich zeigen. Die Warteposition, in der wir uns aktuell befinden und das Wohnen an der Straße ist für uns auf Dauer jedoch kein aktzeptabler Zustand. Bei den aktuell geführten Gesprächen geht es ebenfalls lediglich um eine Zwischennutzung. Sollte sich dabei ein Stellplatz für die Bewohner_Innen des Rummelplatz ergeben, ist dies als vorübergehende Lösung zu verstehen. Ein Abschieben der Angelegenheit auf private Ebene werden wir als Verantwortungsentziehung Seitens der Politik deuten und nicht akzeptieren, erst recht nicht vor der Tatsache, dass zahlreiche Baugrundstücke in Berlin brach liegen und darauf warten für höchst möglichen Profit veräußert zu werden. Wir fordern eine politische Lösung, die das Wagenleben nicht kriminalisiert, sondern es als Teil einer politisch kritischen Bewegung in der Gesellschaft akzeptiert.

Zwar geht es uns aktuell nicht zu Letzt um unseren Wohnraum, jedoch geht es gleichzeitig auch um einen Freiraum. Einen Freiraum wie viele andere, der selbstorganisiert, unkommerziell, emazipatorisch, und solidarisch gestaltet wird. Für diese Freiräume werden wir immer kämpfen. Ob als Hausprojekt, Wagenplatz oder sonstwas.

Wir sind die Rote Flora, das Zomia, die Wagentruppe Treibstoff, Kommando Rhino, die Schattenparker, der Wagenplatz Scheffelstraße und die Rigaer 94. Der Schwarze Kanal, Convoi, Laster und Hänger und die Liebig 34. Die HarzIV- Empfängerin, der Penner, die Nachbarin, der illegalisierte Asylsuchende und die Gefangenen. Wir sind aber auch die Rigaer Straße 84, die Liebig 14 und die Brunnen 183. Die Yorck59, das Ungdomshuset, Bambule, die Mainzer Straße und viele weitere mehr!
Wir sind keine Randerscheinung! Wir sind freie Menschen, die leben wollen wo und wie sie wollen und wir bleiben alle!!!

Für ein ganz anderes Ganzes! Kampf dem Kapitalismus!

Solidarische Grüße,
Wagengruppe Rummelplatz.

Augsburg

Soli 19.12.2011 - 09:56
In Augsburg gab's eine lustige Punkparty mit 30 Leuten in der Straßenbahn (plus spontane Beteiligung von Mitreisenden) mit Musik, Getränken, Spielen und ganz vielen Luftballons. Der Spruch des Abends kam allerdings von der Polizei bei einem Getränkeversorgungs-Zwischenstopp an der Halte vor dem Supermarkt (wo aus unverständlichen Gründen 30 Hausverbote ausgesprochen wurden): "Hier ist jetzt Schluss, Sie steigen jetzt alle in diese Straßenbahn ein!" Jawoll Herr Wachtmeister!

Die Beteiligung

war arg zerstreut 19.12.2011 - 14:40
Naja in der Innenstadt würde ich etwa 300 schätzen. 50 bei der Kundgebung am rathaus, 50 beim Topfklopfen und vermutlich noch ca. 200 in der Menge verteilt bei den Spontis. Dazu kommen dann noch mal jeweils 30 (?) auf der Reeperbahn und 60 Leute in Altona. Einige vermutlich noch so unterwegs in der Stadt. Das war alles unheimlich zerstreut und funktionierte nicht so ganz mit dem Sammeln.

Klar kommen bei unangemeldeten Aktionen weniger als zu angemeldeten Demos. Hätte trotzdem mit 300 Leuten mehr gerechnet. Schade drum. Grade in der Innenstadt wäre mehr drin gewesen, als Aktivist_innen sich vor die Weihnachtsparade der Gewerbetreibenden als "Demosspitze" gesetzt hatten. Ein Bild wie aus dem Märchenbuch mit Engeln und Kunstschnee und tausenden am Rand mit Fotos und Kameras :)

abendblatt sacht 150 am rathaus

zaungast 19.12.2011 - 16:11
hängt aber vermutlich vor allem davon ab wann man dort aufgelaufen is
kurz vor ende der kundgebung waren da höchstens noch 50 Leute
der rest war unterwegs zum kessel auf der möncke oder richtung st. pauli abgezogen...

In Freiburg war offenbar auch was los

schön bunt 19.12.2011 - 16:39

Zusammenfassung

einfachnurich 20.12.2011 - 18:19
 http://www.youtube.com/watch?v=mkcAHZk-E1Y


Dort sieht man, das wesentlich mehr als nur "50-100" leute aktiv waren in HH, da ja Aktionen zeitgleich an verschiedenen Orten waren...
Das Video zeigt, dass dieser Aktionstag doch ein erfolg war!

was ist eigentlich gentrifizierung

verlinker 21.12.2011 - 12:23
kleines video zum thema:

 http://vimeo.com/33877198

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

Ich war trotzdem in hh — Timo paske

Hamburg — o-o

Na ja — ...

@... — international

Ist doch Quatsch! — florist

schade — schade