CDU-Basis schert auch in Sachsen rechts aus

addn.me 25.01.2012 00:45 Themen: Antifa Blogwire
Vor etlichen Jahren sorgte der langjährige sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche für einen Eklat, als er auf einer Parteiveranstaltung seiner Partei in Ostsachsen gegen die "Multi-Kulti-Schwuchteln in Berlin" hetzte. Es folgte der Parteiausstieg 2006 und die Neugründung der Wählervereinigung Arbeit-Familie-Vaterland, mit der er in der Folgezeit nur noch mäßigen Erfolg haben sollte. Inzwischen schickt sich bundesweit ein Kreis aus CDU-Mitgliedern sowie Bürgerinnen und Bürgern an, das inhaltliche Vakuum am rechten Rand der Partei mit Inhalten zu füllen, um damit "eine grundsätzliche Kursänderung der Unionsparteien" zu erreichen. Dabei werden nicht nur Schnittmengen zu populistischen Positionen rechter Parteien deutlich, sondern auch klar, dass Teile der Partei auf der Suche nach einem politischen Programm, einmal mehr am rechten Rand fündig werden.
Dass die CDU in Sachsen inzwischen deutschlandweit zu den Hardlinern in Sachen konservativer Politik zählt, sollte mittlerweile kein Geheimnis mehr sein. So ist der Schritt einiger selbst ernannter "Freunde der Partei" nicht verwunderlich, die mit einer im letzten Jahre gestarteten Kampagne versuchen wollen, den "Linkstrend" innerhalb der Bundes-CDU zu stoppen, um damit indirekt auch den politischen Führungsanspruch und Kur von Bundeskanzlerin Angela Merkel anzugreifen.

Die Forderungen die dabei geäußert werden, erinnern bisweilen stark an Positionen rechtpopulistischer Parteien wie der FPÖ in Österreich oder der von Politikern wie des niederländischen Islamkritikers Geert Wilders. Der Startschuss für die Aktion in Sachsen fiel auf einem Regionaltreffen am 17. Januar im "Hotel Stadt Dresden" in Nossen, im kommenden März will sich die selbsternannte "Basisbewegung" um Marc und Thomas Schneider aus Breitenbrunn an gleicher Stelle erneut zusammensetzen. Das erklärte Ziel ihrer Initiative ist es, "die christlich-konservativen Kräfte innerhalb der CDU zusammen[zu]führen" und "ihren politischen Einfluss auf kommunaler, Landes- und Bundesebene aus[zu]bauen".

In ihrem Manifest kritisiert die Initiative unter anderem das "Gender Mainstreaming", die "Homo-Ehe" aber auch das schon 2006 geschaffene Antidiskriminierungsgesetz als Maßnahmen "linker Gesellschaftspolitik". Sie setzen sich für ein Ende der "Multi-Kulti"-Integrationspolitik in Deutschland und für eine "klare Leitkultur" ein. Den Beitritt der Türkei in die EU lehnen sie ab, stattdessen warnen sie vor der Gefahr einer "Islamisierung", der sie das "christliche Erbe" entgegenstellen wollen. Außerdem sprechen sie sich gegen "die hunderttausendfache "straffreie" Kindestötung" und damit Positionen aus, die zumindest auch von Teilen der Führungsspitze in der sächsischen CDU getragen werden.

Aber auch bei den Verweisen der Seite wurde nicht mit Hinweisen auf rechtsoffene Initiativen und Gruppen gespart. So fand sich auf der Internetseite bis vor kurzem neben der rechtskonservativen Wochenzeitung "Jungen Freiheit" auch ein Link zum islamfeindlichen Blog von Politically Incorrect. Die Seite, die täglich von mehreren zehntausend Nutzerinnen und Nutzer frequentiert wird, zeichnet sich durch eine offen propagierte Islamfeindlichkeit und "ein gestörtes Verhältnis zum demokratischen Rechtsstaat" aus. Aus diesem Grund befürworten mehrere Politikerinnen und Politiker inzwischen eine Beobachtung der Aktivitäten durch den Verfassungsschutz. Erst im November vergangenen Jahre hatte der ehemalige Leiter des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung, Wolfgang Benz in einem Interview mit der Berliner Zeitung, der Internetseite öffentliche Diskriminierung und Volksverhetzung vorgeworfen und eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz befürwortet.

Kritik kommt bisher aus den Reihen der SPD und der Linken. So forderte der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Martin Dulig, in einer Pressemitteilung den sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) dazu auf, "sich unmissverständlich von Inhalt und Form der von der ALS verbreiteten Ansichten zu distanzieren". Als Reaktion auf die Äußerungen von Dulig zeigten sich einige Mitglieder der gleichnamigen Facebookgruppe empört über das "dumme Stasigesindel" und wiesen die Vorwürfe des SPD-Politikers als Versuch, sich "das Maul verbieten [zu] lassen", zurück. Auch die Linke-Landtagsabgeordnete Freya-Maria Klinger zeigte sich schockiert und äußerte ihr Unverständnis gegenüber Steffen Flath (CDU), der zuvor gegenüber der BILD-Zeitung die "innerparteiliche Meinungsfreiheit" ausdrücklich begrüßt hatte. Dieser hatte schon im November an einem Stammtisch der "Aktion Linkstrend stoppen" teilgenommen und dabei zu den Themen "aktuelle Lage in Europa und die Euro-Rettung, die fortschreitende Islamisierung, sowie der Schutz des Lebens" gesprochen.

Inzwischen wurde nach einer Äußerung des sächsischen CDU-Generalsekretärs Michael Kretschmer, der mit Hinweis auf PI die Verantwortlichen davor warnte, für dessen Inhalte auch "in Mithaftung genommen" zu werden, der Verweis auf die Internetseite von "Politically Incorrect" entfernt. Ganz so weit wollten sie sich dann letztlich die Retter des christlichen Abendlandes doch nicht aus dem Fenster lehnen.
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Ergänzungen

Immer wieder Sachsen

afa 25.01.2012 - 17:50
Auch Caren Lay soll nach Dresdner Blockade die Immunität entzogen werden
Caren Lay soll ihre Immunität als Bundestagsabgeordnete der LINKEN verlieren, weil sie an der Blockade gegen Neonazis im letzten Jahr in Dresden teilgenommen hat. Der Antrag gilt auch ihrem Fraktionskollegen Michael Leutert. Lay ist Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei. Mit ihr sprach Uwe Kalbe.


nd: Die Dresdner Staatsanwaltschaft hat die Aufhebung Ihrer Immunität als Bundestagsabgeordnete beantragt. Warum?
Lay: Mir und meinem Fraktionsgenossen Michael Leutert wird die »Sprengung einer Versammlung« vorgeworfen. Gemeint ist unsere Teilnahme an den Protesten gegen den Neonaziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden.

Was haben Sie dort gesprengt?
Wir haben nichts gesprengt, allerdings haben wir mit einer friedlichen Demonstration den europaweit größten Aufmarsch der Nazis verhindert. Dass uns das gelungen ist, haben wir als großen Erfolg empfunden.

Wem verdanken Sie die Klage, die zum jetzigen Antrag im Bundestag führt?
Die NPD ist Kläger. Das sollten sich alle vor Augen führen, denen die Aufhebung der Immunität vielleicht irgendwie gerechtfertigt erscheint. Man kann nicht über ein NPD-Verbot diskutieren, die man für verfassungsfeindlich hält, und zugleich den Widerstand der Zivilgesellschaft strafwürdig finden.

Vor Ihnen wurde schon mehreren Landtagsabgeordneten der LINKEN in Hessen, Sachsen und Thüringen die Immunität entzogen. Einige erhielten Strafbefehle über mehrere tausend Euro.
Ja, und zugleich werden 27 Bundestagsabgeordnete und elf Landtagsabgeordnete vom Verfassungsschutz beobachtet.

Sehen Sie einen Zusammenhang?
Wenn Teile der LINKEN wie Verfassungsfeinde behandelt werden, obwohl sie es nicht sind, und Genossen wegen angeblicher Vergehen angeklagt werden, die doch eine Verteidigung der Demokratie sind, dann gibt es augenscheinlich einen sachlichen Zusammenhang.

Eine konzertierte Aktion des politischen Gegners?
Ich glaube nicht an Verschwörungen und an Absprachen. Aber ein gemeinsames Interesse, die LINKE zu stigmatisieren, sehe ich schon. Es stünde in der Macht der Bundesregierung, das Treiben des Verfassungsschutzes zu beenden. Dies ist bisher nicht geschehen.

Bundesinnenminister Friedrich hat die Beobachtung von Linkspolitikern mit der Beobachtung der NPD verglichen. Wer das eine erlaubt, kann das andere nicht verbieten?
Diese Gleichsetzung ist doch absurd! Die LINKE verteidigt das Grundgesetz, die Gleichheit und Freiheit aller Menschen, die NPD bekämpft sie. Die absurde »Extremismustheorie« ist der Kern des Problems.

Die Frage Ihrer Immunität muss das Parlament beantworten.
Ich hoffe hier auf die Solidarität der Demokraten in allen Fraktionen. Es ist ein fatales Signal, wenn angesichts der aktuellen Diskussion zum politischen Versagen bei der Bekämpfung der rechten Terrorzelle diejenigen verfolgt werden, die Widerstand gegen Neonazis leisten. Ich bin gespannt, ob dies von einer Mehrheit des Bundestages auch so gesehen wird, und damit anders als in einigen Landtagen. Wir haben erst vor kurzem eine gemeinsame Erklärung aller Fraktionen gegen Rechts verabschiedet. Ich hoffe sehr, dass das jetzt auch in der Praxis gilt.

Wieso kommt der Antrag der Staatsanwaltschaft Dresden auf Aufhebung Ihrer Immunität erst jetzt, ein Jahr nach den Blockaden?
Die Anträge gegen die Abgeordneten meiner Partei in den drei Landtagen sind mit deren Demonstrationen im Jahr 2010 begründet, das ist zwei Jahre her. Die Mühlen der Justiz mahlen wohl wirklich langsam. Jetzt soll offenbar noch einmal ein Exempel statuiert werden vor den Protesten im Februar. Ich kann nur hoffen, dass sich niemand davon abschrecken lässt, auch in diesem Jahr nach Dresden zu fahren, um den Neonazi-Aufmarsch zu verhindern.


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