Das Atom macht den Nazi nicht schlauer

guckenkackenpackenpicken 07.12.2011 19:10 Themen: Antifa Atom
Die Diskussionsteilnahme der Nazis beispielsweise der NPD um das polnische Atomprogramm ist eine weitere Stufe ihres Schwachsinns, der nicht erst zu den Castortransporten durch Mecklenburg-Vorpommern seinen Ausdruck finden musste.
Zum 2010er Lubmin-Castortransport wurde in einem Nazi-kritischen Beitrag festgestellt: „Im Kern geht es den Nazis also nicht um die Abschaffung der Kernenergiegewinnung weltweit sondern nur um einen Machtgewinn in der strukturschwachen Region MV, indem sie sich als Sachwalter der Interessen der dortigen Bevölkerung gegen vermeintliche Interessen der sogenannten Industrieregionen gerieren“ [1], oder gegen die Regionen bzw. Länder, die ihre Industrie umzugestalten und auszubauen gedenken, wie etwa Polen.

An der nicht nur 2010 gemachte Erkenntnis hat sich nichts geändert: „Es ist die übliche Taktik der Nazis, an Proteste und gesellschaftliche Kontroversen anzuschließen, in der Hoffnung, dadurch mehr gesellschaftlichen Einfluss zu erlangen. In diesem Zuge präsentieren sie sich und einen starken Staat, nationale und rassistische Ideologien als Lösungsmuster.“ [1] Dies sei an der Thematik des Atomkraftprogramms Polens aufgezeigt.

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Eine kurze Recherche bringt bereits hervor, was die politischen Repräsentanten der Nazis, die NPD, tatsächlich denken. So heißt es in ihrer Drucksache 5/2622 vom 03.06.2009 im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns: „Nach der von Polen durchgeführten ethnischen Säuberung Hinterpommerns nach 1945 ist die Errichtung eines Atomkraftwerkes auf dem Boden von Hinterpommern nicht anders zu bewerten, als eine weitere Provokation der Deutschen.“

Dem folgt in ihrer Drucksache. 5/4266 vom 30.03.2011 im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns: „Polen erhält erhebliche Transferleistungen aus der Europäischen Union, welche zum Großteil vom deutschen Steuerzahler aufgebracht werden.“

Noch deutlicher wird die Website des NPD-Kreisverbands Naheland: „Strahlen kennen keine Grenzen! Die NPD entzaubert die Heuchelei der Grünen und den schöngefärbten Atomausstieg. Deutschland finanziert den Aufbau einer Atomindustrie in Polen und macht sich schon jetzt von der Energie aus dem Ausland abhängig!“ [2], was der NPD-Kreisverband Lausitz meint, konkretisieren zu können: „2020 soll der erste Reaktor ans Netz gehen, weitere sollen laut Regierungsplänen folgen. Deutlich wird nicht nur der polnische Egoismus, sondern auch die Kurzsicht der bundesdeutschen Politik. Die eigenen, verhältnismäßig sicheren Reaktoren werden aufgrund einer medial erzeugten Hysterie abgeschaltet, ohne aber den notwendigen Ersatz durch regenerative Energiequellen gewährleistet zu haben. Nun müssen wir bei Energieengpässen den Atomstrom aus Polen und anderen osteuropäischen Ländern kaufen und bezahlen somit für die politisch verursachte Unsicherheit.“ [3]

Glücklicherweise blieb das nicht ohne Gegenrede. Beispielsweise nahm Gottfried Timm von der SPD in seiner Rede am 18.03.2011 Stellung: „Wie auch immer, dem Urheber dieses Antrages auf Drucksache 5/4266 scheint es nicht möglich zu sein, auf Atomkraftgegner im Nachbarland Polen direkt und persönlich zuzugehen und diese mit eigenen Standpunkten zu unterstützen. Dem Leser des Antrages muss sich die Schlussfolgerung aufdrängen, dass der Urheber des Antrages den direkten Weg ins Nachbarland scheut, vermutlich deswegen, weil er dort auf das Gegenteil von dem stößt, was man Sympathie nennen muss. Der Umweg über den deutschen Staat, diesen nämlich zu beauftragen, eine Aufgabe zu erfüllen, die man auch auf direktem Wege erfüllen könnte, ist nicht gangbar, weil nämlich der Urheber des Antrages den deutschen Staat abschaffen will als demokratischen Rechtsstaat.“ [4]

In einem schlechten Video-Beitrag zur Atom-Thematik beschwören NPD-Parteimitglieder noch mehr Unheilvolles am Beispiel des Standorts Lubmin: „[...] Zwischenlager heißt, es kann früher wieder abgeholt werden, aber tausend Jahre für ein Zwischenlager sind gar nix. Das hier [Anm.: eingeblendet wird alles, nur nicht das Zwischenlager Nord, worauf jedoch angespiel wird] ist schon auf achzig bis hundert Jahre konzipiert und ob es so lange dauert oder noch viel länger, das hängt davon ab, ob hier nur Kernstoffe aus deutschen Atomkraftwerken oder deutschen Forschungsreaktoren zwischengelagert werden. Es besteht aber die Gefahr, dass das hier sich zu einem Atomklo und einem Endlager für polnische radioaktive Stoffe entwickeln könnte, denn unser lieber Nachbar Polen plant, mindestens vier Kernkraftwerke aufzubauen, das erste soll schon 2020 ans Netz gehen, es wird etwa dreihundert Kilometer von der deutschen Grenze entfernt sein in Danzig; wenn dort etwas geschehen sollte à la [sic!] Fukushima, werden wir hier voll verstrahlt werden; die Bedrohung ist erheblich, sodass sich unser Atomausstieg als Witz herausstellt.“ [5] Symptomatisch für NPD-Gelaber ist der Mangel der doch eigentlich gewollten Verknüpfung der Themen ZLN und polnisches Atomprogramm: Aus einem Zwischenlager für deutsche „Kernstoffe“ wird unter Zuhilfenahme des polnischen Atomeinstiegs die Gefahr eines Endlagers beschworen, ohne dabei den GAU auszulassen, der, wenn man mal genau nachdenkt, unter derartig dramatischen Vorzeichen natürlich auch das Zwischen-/Endlager betreffen würde – was für eine geistige Verrenkung ... Aber es kommt – oder auch nicht – noch schlimmer, denn die NPD Mecklenburg-Vorpommern meint: „Lediglich die Bauabsichten nahe Greifenhagen wurden zugunsten eines Standortes bei Danzig verlegt. Es wird sich zeigen, wann Polen neue Absichten vorstellen wird, Kernspaltkraftwerke oder andere Hochrisikotechnologien in der Grenznähe zu Vorpommern, Brandenburg oder Sachsen zu errichten.“ [6]

Zum Landtagswahlkampf berichtet das Netz gegen Nazis: „Noch ein polenfeindliches Plakat, das Ängste vor Atomkraft mit rassistischen Ressentiments anreichert. Dabei dramatisiert die NPD die Realität erheblich: Polen will zwar zwei Atomkraftwerke bauen, nur ist es mitnichten so, wie die NPD darstellt, dass diese an der deutsch-polnischen Grenze entstehen sollen (der Standort ist noch gar nicht klar, präferiert werden aber rund 300 km von der Grenze entfernte Standorte). Außerdem hat sich der polnische Umweltminister bereits für sehr umfassenden Austausch mit Deutschland bereit erklärt. Demokratische Initiativen arbeiten auf den verschiedensten Ebenen daran, den Bau der Atomkraftwerke zu verhindern. Die sich hier so >ökologisch< gebende NPD hat dazu noch keinen sinnvollen Beitrag geleistet oder es auch nur versucht.“ [7][8][9]

Passend zum polenfeindlichen Atom-Plakat der NPD brachte der Nazi-Flyer den Wahnsinn auf den Punkt: „Polnische Atompläne bedrohen Deutschland – 1945 hat Polen große Teile Deutschlands an sich gerissen. Von diesen mit nachträglicher Billigung der in Deutschland herrschenden Bonzenparteien geraubten Gebieten aus gefährdet die polnische Regierung nun auch noch das verbliebene Deutschland mit größenwahnsinnigen Atomplänen. – Sind polnische Politiker tatsächlich verantwortungslos genug, um nach Fukushima mitten in Europa neue Atomkraftwerke bauen zu wollen? Leider ja. 300 Kilometer von der derzeitigen deutschen Grenze entfernt, bei Danzig, plant Polen den ersten Kernreaktor, der 2020 in Betrieb gehen soll. Das polnische Parlament billigte die Pläne mit großer Mehrheit. – Hat Deutschland in dieser Angelegenheit irgend etwas zu sagen? Natürlich nicht. Polen quatscht zwar ständig in innerdeutsche Angelegenheiten hinein. Man will uns sogar vorschreiben, wie wir unserer Vertriebenen zu gedenken haben. Aber ein Atomkraftwerk in unserer Nähe, bei der alten deutschen Hansestadt Danzig, das geht uns nichts an! – Wer bezahlt die polnischen Atomprojekte? Wir Deutschen, indirekt über unsere Abgaben an die EU. Polen kassiert jährlich 6 Milliarden Euro netto aus Brüsseler Kassen, hauptsächlich deutsches Geld. Genug für viele Atommeiler – Woher kommt das technische Wissen? Das hätte Warschau gern von Deutschland. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk sprach bereits den Essener Energiekonzern RWE, einen erfahrenen Atomkraftwerksbetreiber, an und lud ihn ein, sich an der Investition zu beteiligen. Die Firma lehnte zwar ab, aber sicherlich wird Polen einen Weg finden, an deutsche Fachkenntnisse zu gelangen. – Wer wird Polen den Atomstrom abkaufen? Mit Rücksicht auf unsere schlimme Vergangenheit selbstverständlich wir! Das werden uns die Betroffenheitspolitiker schon klarmachen. Und wo landet der Atommüll? In Lubmin in Ostvorpommern. Das ewige Zwischenlager, bietet sich an. Keine BRD-Regierung wird es wagen, nein zu sagen. Wenn es in dem neuen polnischen Reaktor zu einem Unfall kommt, werden große Teile Deutschlands radioaktiv verseucht werden. Verstrahltes Wasser, vergiftete Nahrung, Mißbildungen bei neugeborenen Kindern. Mit dem Risiko müssen wir ab 2020 leben, weil es der polnische Nachbar so will. – Der BRD-Atomausstieg ist eine Lüge!“ [10]

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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Nazis seit Jahren wegen sowohl der deutschen als auch der polnischen Atompläne rumheulen, ohne sich auf die Fakten einzulassen. Stattdessen werden von ihnen noch weitere Hirngespinste ersonnen und als Gegenargumente verkauft, wie beispielsweise etwaige aus dem von Deutschland angezettelten Zweiten Weltkrieg resultierende Racheglüste der Polen, Endlager- und –lösungsszenerien, apokalyptische Untergangsphantasien, Staatsplünderung und dergleichen. Eine solche Realitätsverweigerung kann niemals dazu führen, dass 1. das Atom die Nazis schlauer macht und 2. sie auf diskursiver Ebene Substanzielles hervorbringen werden. Stattdessen bleiben Hass, Menschenverachtung, Größenwahn und Geltungssucht als immanente Bestandteile des Nationalsozialismus Triebfedern ihres Handelns und Denkens.

„Für uns ist der Kampf gegen Atomenergie verbunden mit dem Kampf für eine emanzipatorische und solidarische Gesellschaft. Nazis wollen etwas anderes.“ [1]

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Was tun? Was tun.

Es führt kein Weg daran vorbei, sich mit den polnischen, deutschen und europäischen Atomplänen zu befassen, um braunes Gedankenschlecht entlarven zu können und nicht darauf hineinzufallen, wenn es mal nicht offensichtlich daherkommt. Nazis zählen darauf, dass sich die Menschen in der Thematik genauso mies auskennen wie sie selbst. Dann hat ihre dumpfe Propaganda eine höhere Chance, zu verfangen und Menschen weiter zu verblöden.

Bildet euch, andere und – wenn’s hilft – auch Banden!




Mecklenburg-Vorpommern / Deutschland, 07.12.2011


Quellen

[1] betriebsstörung: „Was hat der Castor-Transport nun mit den Nazis zu tun?“,  http://betriebsstoerung.blogsport.de/2010/12/06/was-hat-der-castor-transport-nun-mit-den-nazis-zu-tun/
[2] NPD-Kreisverband Naheland: „Keine neuen Atomkraftwerke in Polen“, hxxp://anonym.to/? http://bit.ly/sUJlyR
[3] NPD-Kreisverband Lausitz: „Polen macht auf Atomkraft – und wir schauen zu?“, hxxp://anonym.to/? http://bit.ly/w2oEdu
[4] Gottfried Timm: „Rede zum NPD-Antrag: Keine Atomkraftwerke in Polen“,  http://www.gottfried-timm.de/?p=849
[5] NPD-Video: „Keine neuen Atomkraftwerke in Polen!“, hxxp://anonym.to/? http://bit.ly/pcGnPB
[6] NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern: „Atomkraftwerk in Greifenhagen vom Tisch“, hxxp://anonym.to/? http://bit.ly/uztnNF
[7] NPD--Landesverband Mecklenburg-Vorpommern: Plakat „Atomtod aus Polen stoppen!“,  http://www.netz-gegen-nazis.de/files/9-npd-mv-2011.jpg
[8] Netz gegen Nazis: „Atomtod und Moscheen: Was NPD-Plakate sagen und was sie meinen – Teil 2: Mecklenburg-Vorpommern“,  http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/wahlkampf-plakate-der-npd-mv-ii-9988
[9] per(re)spektywa: „Fakt ist ... Argumente gegen polenfeindliche Parolen“,  http://www.netz-gegen-nazis.de/files/RAA_Flyer_polenfeindliche_Parolen.pdf (PDF)
[10] NPD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern: Flyer „Atomtod aus Polen stoppen!“ hxxp://anonym.to/? http://bit.ly/ty09AF
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