Debatte zur Organisierung vor N!4

teilnehmende Beobachter 09.11.2012 02:58 Themen: Soziale Kämpfe
Streiks in Deutschland – Streiks in Europa - eine Debatte in Berlin im Vorfeld des ersten europäischen Generalstreiks
Wie reagiert die außerparlamentarische Linke auf den ersten europäischen Generalstreik. Am vergangenen Mittwoch wurde im Stadtteilladen Zielona Gora in Berlin-Friedrichshain von den Internationalen Kommunist_innen ( http://interkomm.so36.net/) eine Veranstaltung organisiert, die sich mit den Grenzen linker Gewerkschaftspolitik am Beispiel von Opel Bochum befasst.
Eingeladen war mit Wolfgang Schaumberg ein langjähriger Gewerkschaftsaktivist von Opel-Bochum, der in der linken Gruppe Gegenwehr ohne Grenzen ( http://www.labournet.de/branchen/auto/gm-opel/bochum/gog-sonst.html) organisiert war. Sie hatte in den letzten 25 Jahren gegen Standortlogik agiert und bei den Beschäftigten ein Bewusstsein gefördert, dass es ein Leben jenseits von Opel gibt. Schaumberg berichtete, wie es der Gruppe zeitweise gelang, eine linke Stimmung im Werk herzustellen. Der einwöchige „wilde“ Streik von Opel-Bochum 2004, der bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte, ist dadurch möglich gewesen. Ein film zeigte Ausschnitte aus den 80er Jahren, als die Kolleg_innen im Werk auf Vollversammlungen heftig nicht nur über die Arbeitsbedingungen diskutierten.
Allerdings hat Schaumberg angesichts der neuen Schließungsdrohungen von Opel-Bochum vor einen falschen Optimismus gewarnt, dass sich ein Ausstand wie 2004 einfach wiederholen lasse. Dazu habe beigetragen, dass sich viele Kolleg_innen ausrechnen, was es für sie bringt, wenn sie mit einer Abfindung aus dem Betrieb ausscheiden. Es wird also viel hin und her gerechnet und überlegt, ob die Abfindung passt und weniger ein kollektiver Widerstand gesucht. Diese Entwicklung setzte schon 2004 ein, nachdem die IG-Metallführung den kämpferischen Arbeitskampf, der von der Basis getragen wurde, abgewürgt hatte. Die Folge war, viele enttäuschte Aktivist_innen, von denen später manche das Werk ebenfalls mit einer Abfindung verlassen haben.
Wenn eine solche Diskussion hegemonial wird, lässt sich auch von außerhalb des Betriebs keine Solidarität erzeugen, erklärt Schaumberg.

Veränderungen in der Produktionskette
Die Tendenz, sich mit Abfindungen raus kaufen zu lassen, wird auch durch Veränderungen in der Produktionskette gefördert, die dafür sorgten, dass die Beschäftigten bei Opel Bochum an realer Produzent_innenmacht eingebüßt haben. Noch 2004 konnten sie das Presswerk stilllegen, das Teile für sämtliche europäischen Opelwerke produziert hat. Nach dem einwöchigen Streik gab es massive Engpässe. Daher drängte die Geschäftsleitung auch so auf Beendigung des Streiks. Mittlerweile wurde die Produktionskette so umorganisiert, dass die nötigen Teile in jedem Werk separat produziert werden.

Linke Solidarität mit den emanzipatorischen Betriebskämpfen?
Schnell lenkte Schaumberg die Diskussion auf die Frage, wie denn radikale Linke sich zu solchen Betriebskämpfen verhalten sollen. Dabei betonte er, es sie wichtig anzuerkennen, dass noch immer sehr viele Menschen in Fabriken arbeiten und daher auch die Beschäftigung mit der Betriebsarbeit nicht vorschnell aufgegeben werden solle. Es sei zudem auch möglich, mit Zeitungen und anderen Informationsmaterialien die Diskussion auch innerhalb der Betriebe anzuregen. So hätte es über vor dem Werk verteilte Flugblätter in der Belegschaft durchaus lebhafte und kontroverse Debatten gegeben. Wichtig sei aber, die dass die Informationsmaterialen nicht in der Erwartung verfasst sind, die Kolleg_innen müssten irgendein Kampf führen oder die Fabrik besetzen. Erklärungen, was sie machen und lassen sollen, brauchen die Kolleg_innen nicht. Aber fundierte Artikel zu sozialen und politischen Themen seien durchaus sinnvoll.

Von M31 zu N14?

Die hier aufgeworfenen Fragen sind durchaus wichtig im Vorfeld des ersten europaweiten Generalstreiks am 14. November. Damit wird der Kampf gegen das wesentlich von Deutschland getragene europäische Krisenprogramm fortgesetzt, der am 31. März einen ersten Höhepunkt erreicht hatte. Damals sind im Rahmen des europaweiten antikapitalistischen Tags Tausende nach Frankfurt gekommen, allein von Berlin sind fünf Busse und zahlreiche PKW gefahren. Für kommenden Mittwoch wird nun auch in Berlin, wie in verschiedenen anderen Städten zu Solidaritätsaktionen mit dem Streik aufgerufen. Der DGB macht eine Kundgebung Mittlerweile gibt es vom NAO-Prozess eine eigene Mobilisierung zu den Aktionen, die mit der Notwendigkeit einer revolutionären Organisierung verbunden wird. Diese Orientierung hat Wolfgang Schaumberg indirekt auf der Berliner Veranstaltung gut begründet, in dem er vor der Vorstellung warnte, durch immer mehr Streiks oder Proteste im Betriebe käme automatisch ein revolutionäres Bewusstsein. Die von Betriebslinken bei Opel Bochum wie in anderen Betrieben gemachten Erfahrungen belegen diese Vorstellung nicht. Dass bedeutet, dass es einer revolutionären Organisierung bedarf, die in unterschiedlichen Streiks, Kämpfen, Betriebsbesetzungen, Mieter_innenkämpfe gegen Zwangsumzüge, die Selbstorganisation der Flüchtlinge, um nur einige aktuelle Kämpfe zu nennen, verallgemeinert. In diesen Sinne könnte der 14. November auch hier zulande, wo nicht gestreikt wird, ein kleiner Beitrag für eine neue linke Organisierung sein. Es wäre ein nicht zu unterschätzender Erfolg, wenn sich in Deutschland, dem europäischen Bollwerk der reaktionären Krisenlösungsmodelle eine solche Bewegung herausbilden würde.
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Ergänzungen

Aufruf der Fau

d.dreck 09.11.2012 - 10:23
hier noch der Aufruf der Fau Berlin!

 https://www.fau.org/artikel/art_121104-220908

beste gruesse und wir sehen uns!

Aufruf des Berliner M31-Bündnisses

egal 12.11.2012 - 22:36

Unsere Solidarität gilt nicht dem Standort – Antikapitalistischer Aufruf zum europaweiten Aktionstag am 14. November


Am 14. November findet ein europäischer Aktionstag anlässlich der massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen der Menschen in Europa statt. In Spanien, Portugal, Malta, Zypern und Italien sind die Menschen zu einem Generalstreik aufgerufen, womit die Kämpfe gegen die kapitalistische Zurichtung erstmals den Ausdruck eines gemeinsamen südeuropäischen Streiks finden. Damit wird der koordinierte Widerstand gegen das europäische Krisenprogramm fortgesetzt, der in vielen Ländern mit dem Aktionstag M31 am 31.März dieses Jahres Tausende auf die Straße brachte. Wir haben uns an diesem Tag an der erfolgreichen Berliner Mobilisierung zur antikapitalistischen Demonstration nach Frankfurt/Main beteiligt.

Auch wenn oder gerade weil die gewerkschaftliche Politik hierzulande davon meilenweit entfernt ist, gilt es sich in Berlin solidarisch auf die angekündigten Aktionen zu beziehen. Mit der Demonstration am 14. November, die die deutsche Rolle bei der Durchsetzung der Austeritätsmaßnahmen kritisiert, wird den Protestierenden in Südeuropa zumindest symbolisch vermittelt, dass die von Deutschland zelebrierte Rolle des bad cops im kapitalistischen Krisenvollzug nicht von allen hingenommen wird.

Krise, fast überall

Die Krise verschärft die ablaufende Verschlechterung der sozialen Lage der Lohnabhängigen vor allem in Südeuropa. Neoliberale Maßnahmen werden durchgedrückt, die Wirtschaftskrise verschärft sich. Dabei ist die Krise weder ein Resultat der Handlungen von gierigen Bankern an der Wallstreet in „Bankfurt“ oder sonst wo noch den unterstellten Charaktereigenschaften der Griech_innen anzudichten. Krisen sind notwendiger Ausdruck der kapitalistischen Organisierung der Ökonomie. In deren derzeitiger Ausformung ist Deutschland aufgrund spezifischer Bedingungen (großer Industriesektor, hohe Produktivität, wachsender Niedriglohnsektor, Hartz IV) als fast einziges EU-Land bisher nicht stark von der Krise betroffen. Deutschland sieht sich selbst als Modell für eine wettbewerbsfähige Nationalökonomie und forciert die Durchsetzung dieses Modells in Europa. Dies wird von den herrschenden Eliten in vielen Ländern begrüßt. Die maßgeblich von der Regierung Schröder/Fischer initiierten Reformen werden nun auch anderen europäischen Staaten als Kur gegen die wirtschaftliche Misere verschrieben. „Der Deutsche“ fühlt sich in der Krise bestätigt und anderen „Nationen“ überlegen. Er fühlt sich als fleißiger und arbeitsamer. Damit wird die Krise als Überlebenskampf in der nationalen Konkurrenz umgedeutet. Der Angriff auf die Gesellschaften unter dem Mantra der Wettbewerbsfähigkeit wird hier als begrüßenswertes Leid für die schwächeren Nationen bzw. Menschen gesehen.

Die in den Widersprüchen kapitalistischer Vergesellschaftung erkämpften sozialen Errungenschaften, werden als nicht mehr leistbarer Luxus abgetan. Die von den Märkten verkündete Wahrheit der Kreditwürdigkeit, der Profitabilität und der Abwälzung der Krisenkosten auf die Lohnabhängigen wird in Deutschland von der Springerpresse bis zu den großen Gewerkschaften bejaht und hingenommen. In diesen Kontext gehört auch das Motto des europäischen Gewerkschaftsbundes „For jobs and solidarity in Europe“, das sich wenig um die Ursachen der Krise kümmert. Die IG-Metall spricht in ihrem Aufruf mit dem Titel „Für ein krisenfestes Deutschland und ein soziales Europa „ gar davon, „die Lokomotive Deutschland stößt ordentlich Rauch aus und ist auf Touren“ und fordert, diese Lokomotive mit einigen Sozialreformen weiter am Dampfen zu halten. Die Proteste im Süden Europas werden nicht erwähnt. Das ist das Beispiel für jenen Standortnationalismus, der die Gewerkschaften mit dem Staat zusammenbindet.

Widerstand

Gleichzeitig regt sich an den Orten des Elendvollzugs Widerstand, es kommt zu Generalstreiks und Demonstrationen. Häufig sind es aber die Aktionen von unten, die Selbstorganisierung, welche mehr Hoffnungmachen, als das appellative Abwehren von Krisenmaßnahmen. Dass dabei selbstredend auch faschistische Bewegungen auftrieb erhalten, wie beispielsweise in Griechenland, muss immer in Erinnerung bleiben. Es ist daher wenig gewonnen, sich naiv mit allen Krisenprotesten zu solidarisieren. Stattdessen muss im Hinblickauf einen emanzipatorischen Ausweg aus der Krise eine grundsätzliche Position gegen Staat, Nation und Kapital eingenommen werden. Als antikapitalistische Linke ist es unsere Aufgabe, die Krise nicht als Unfall zu verklären, der von anderen Regierungen oder einer Umverteilung von Vermögen beseitigt werden könnte.

Die Krise heißt immer noch Kapitalismus.
Unsere Solidarität ist antinational.

Berliner M31-Bündnis