[DEG] Politischer Aschermittwoch der NPD

Dagewesene_r 28.02.2012 15:15 Themen: Antifa Antirassismus
Kritische Zusammenfassung des Politischen Aschermittwochs der NPD im niederbayerischen Deggendorf.
Früh wurde bekannt, dass die neofaschistische NPD ihren Politischen Aschermittwoch wieder in Niederbayern, 2012 in Deggendorf, abhalten möchte. Nach einer Serie kurzfristig angemeldeter Neonaziaufmärsche in Bayern (wie z.B. in München, Schwandorf oder jüngst in Landshut) wäre dies die Möglichkeit gewesen, eine breite Öffentlichkeit für Gegenaktionen zu mobilisieren und ein großes mediales Echo zu schaffen. Doch Deggendorf bot nur das übliche "Stadt XY ist bunt nicht braun" und konnte keine Inhalte, die über den Konsens, gegen Nazis zu sein hinausgingen, vermitteln.

In Deggendorf angekommen, fiel einem schnell das verhältnismäßig große Polzeiaufgebot ins Auge, die üblich repressiven Kontrollen und Provokationen der Polizei fielen wie erwartet aus. Am Oberen Stadtplatz, nur wenige Hundert Meter vom Gasthof „Gruber“ entfernt, sollte also die Gegenkundgebung stattfinden. Empfangen wurde man ungewohnt bürgerlich-dilettantisch mit bunten Luftballons und Kakao. Als Symbol (wofür wurde nicht geklärt) sollten die Luftballons nachher von den Gutmenschen zeitgleich in die Luft gelassen werden. Die Bühne, auf der Redebeiträge abgehalten und eine Band spielen sollte, wurde verziert mit dem üblichen, immer noch nichts aussagenden Motto „Deggendorf ist bunt“ oder Anti-“Extremismus“ Plakaten. Auch beispielsweise der Landrat sprach in seinem Redebeitrag von der „Bekämpfung eines jeden Extremismus“.

Hier scheinen die Initiatoren der Veranstaltung nicht einmal aus der jüngsten Vergangenheit gelernt zu haben. Neonazis, die im Schutze des Verfassungsschutzes einen Menschen nach dem Anderen ermorden, werden gleichgesetzt mit AntifaschistInnen, die durch ihr Engagement eine emanzipatorische und gleichgestellte Gesellschaft errichten und die systematische Ermordung von Randgruppen und Minderheiten verhindern wollen. Warf man einen Blick auf die Unterstützerliste dieser Kundgebung, wurde klar weswegen einem dieses unreflektiert-reaktionäre Gerede aufgetischt wurde: die CSU und die SPD und deren Jugendorganisationen, Kirchenverbände und sogar die „Jungen Liberalen“ (Julis) hatten das Bedürfnis, sich kollektiv bei diesem Deggendorfer Großereignis als stolze NazigegnerInnen zu inszenieren und auf diese Art und Weise vielleicht beim Ein oder Anderen Wähler Sympathien zu wecken.

Nach den abstoßenden Redebeiträgen, die sich inhaltlich kaum voneinander unterschieden und dem Auftritt einer Kinderband aus Regensburg die ebenso wenig Message hatten, ging es also auf zu einer Demonstration, auf der nochmals Flagge gezeigt werden sollte. Der Aufzug fand von einer Kirche zur nächsten statt, und die deutsche Community hat sich nach gut Hundert Metern des lautlosen Demonstrierens bereits ab nach Hause verabschiedet. Solch einen Eventcharakter bietet Deggendorf wohl erst wieder zur Fußball-EM in diesem Jahr, wo sich für die NazigegnerInnen die erneute Chance auf kollektive Selbstinszenierung bieten dürfte.

Eine neofaschistische, offensichtlich antidemokratische Partei hält also in einem Provinznest, das von sich selbst behauptet „bunt“ zu sein, ihren Quasi-Parteitag ab, und anstatt kritisch Stellung zu beziehen auf die Mordserie der Zwickauer Zelle (seit deren Bekanntwerden dürften sich wenigstens eine Handvoll Menschen gezwungen sehen, den Zustand in diesem Land zwar wahrzunehmen, aber dennoch weiterhin wegzusehen wenn ein verurteilter Rechtsterrorist wie Martin Wiese in ihrer Stadt zu Gange ist) oder den modernen Antisemitismus von Ahmadinejad über die Links- und die Piratenpartei bis hin zu FaschistInnen die sich frei und ungestört in der Stadt bewegen, bekommt man immer wieder die Extremismuskeule aufgesetzt und Naziverbrechen relativiert oder gar nicht erst angesprochen. Kritische Inhalte, die über den Konsens, gegen Nazis zu sein, hinausgingen, konnten also nicht vermittelt werden. Versuche von AntifaschistInnen, an die Nazikneipe heranzukommen und den Neonazis aus nächster Nähe die Meinung zu geigen, wurde vom großen Beschützer, der Polizei, provokativ-repressiv unterbunden.

Sollte in absehbarer Zeit kein Umdenken der Deggendorfer weg von Extremismustheorie und Akzeptanz sowie Gewaltfreiheit gegenüber antidemokratischen, geschichtsrevisionistischen und neofaschistischen Kräften stattfinden, wird Deggendorf eine Nazihomezone in Niederbayern bleiben. Es braucht eine progressive Kritik an den Verhältnissen in Stadt und Land und keine Gleichstellung von Rechts mit Links. Der Gasthof „Gruber“, der nicht erst seit dem 22.02. Neonazis aus ganz Bayern ein Zuhause bzw. die Möglichkeit, sich in Seelenruhe zu organisieren, bietet, sollte von den Einwohnern boykottiert, sabotiert und mit allen Mitteln bekämpft werden damit dem Naziladen der Geldhahn schnellstens zugedreht wird. Außerdem bleibt zu hoffen, dass sich in Deggendorf Leute an den Start bringen lassen, die in Zukunft seriös gegen weitere Naziveranstaltungen vorgehen, damit solche nicht weiterhin kritiklos bleiben.
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"nazihomezone" — auchbuntabranders

Gutmensch — Tut Nix

gutmenschen — Tut nix

gutmensch — ist

gutmensch — ***

@bond — james