Drei Jahre nach Erscheinen: “Feine Sahne Fischfilet”-Album soll indiziert werden

Kombinat Fortschritt 10.04.2012 00:23 Themen: Antifa Freiräume Kultur
Zwei Alben, Osteuropatouren und unzählige Konzerte im Bundesland und darüber hinaus – das ist die Bilanz, die “Feine Sahne Fischfilet” bisher vorweisen können. So ziemlich alle, die sich in MV als antifaschistisch verstehen dürften sie mal live gesehen haben. Ihre Konzerte sind für ausgelassene Stimmung, wütende Zwischenansagen und nicht minder wütende Texte bekannt. Neonazis, aber auch die Behörden, haben besonders im Nordosten immer wieder versucht, Konzerte mit Drohungen und Angriffen zu verhindern. Nun prüft die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in Bonn die Indizierung des ersten Albums der Band.
Das das Engagement der Bandmitglieder nicht unbeobachtet bleibt und schon gar nicht auf reine Gegenliebe stößt, liegt auf der Hand. Polizei, Staatschutz und Neonazis versuchten in der Vergangenheit schon oft, Bandmitglieder und Veranstalter einzuschüchtern und Konzerte zu verhindern. Einige Beispiele:

Im Januar 2009 wollte die Band das Release ihres ersten Albums “Backstage mit Freunden” in Loitz, einer Kleinstadt im ehemaligen Landkreis Demmin, feiern. In den Jahren zuvor hatten dort schon mehrere Benfizkonzerte mit “FSF” stattgefunden. Wenige Tage vor dem Aktionstag, an dessen Ende das Konzert stehen sollte, klebten Nazis unter dem Label “KS Loitz” Plakate und Aufkleber, auf denen vor einem “linken Haßkonzert” gewarnt und “Loitz bleibt deutsch” proklamiert wurde. Die “Mobile Aufklärungseinheit Extremismus” (MAEX) des Staatsschutzes wirkte auf den damaligen Bürgermeister Johannes Winter ein, stellte eine negative Gefahrenprognose auf und dieser knickte ein. Das Konzert in Loitz wurde abgesagt und fand stattdessen mit 400 Menschen in der Hansestadt Greifswald statt.

In Stralsund, wo alternative und antifaschistische Jugendliche mit einem massiven Naziproblem zu kämpfen haben, zündeten Neonazis nicht nur den Treffpunkt der alternativen Jugendlichen an, sondern versuchten auch vor einem Feine Sahne-Konzert anreisende Besucher und Bandmitglieder anzugreifen. Dirk Arendt, NPD-Vertreter im Stralsunder Stadtparlament, soll damals vorne mit dabei gewesen sein.

In Tessin bei Rostock schmissen Ende 2010 Neonazis am Vorabend eines kleinen Festivals, bei dem auch Feine Sahne Fischfilet spielen sollten, die Fensterscheiben des örtlichen Veranstaltungshauses ein und verschütteten Buttersäure. Das Festival fand danach trotzdem statt, Besucher sahen sich jedoch vor dem Gebäude mit Neonazis konfrontiert die sich mit der eingesetzten Sicherheitsfirma munter abgrüßten.

Neonazis ließen mehrere Tausend Aufkleber drucken, die den Sänger mit gespaltenem Kopf zeigten. Auch Einschüchterungsversuche gegenüber Bandmitgliedern durch Polizei und Staatsschutz waren in der Vergangenheit nicht selten. Zum Teil wurde auch versucht, die Betreiber der Konzertorte im Vorfeld davon zu überzeugen, die Band nicht spielen zu lassen.

Die aufgeführten Beispiele zeigen, dass Feine Sahne Fischfilet nicht nur den Neonazis, sondern auch den Ermittlungsbehörden ein Dorn im Auge sind. Die Band spielt auch an Orten in MV, in denen das Auftauchen von Neonazis hervorsehbar ist. Während der Skandal im selbstbewussten Auftreten der Neonazis und ihren Versuchen Besucher und Band anzugreifen, Konzerte zu verhindern und Veranstaltungsorte zu demolieren, besteht, sehen die Behörden das Problem wohl bei Band und Publikum: Als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Diese Deutung übernehmen Lokalpolitiker oftmals gern, wie das Beispiel von Johannes Winter in Loitz zeigte. Auch das die Band einen Identifikationspunkt für die Szene, insbesondere für jüngere linke und alternative Jugendliche, bietet, dürfte eine Rolle spielen. In einem dünn besiedelten Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern, sind Konzerte gerade außerhalb der großen Städte wichtige Orte der Identifikation für junge Menschen. Konzerte mit mehreren hundert Besuchern in Ostvorpommern geben nicht nur der Band sondern auch den Besuchern Kraft, um im täglichen Kampf gegen Neonazis auch auf dem platten Land zu bestehen.

Nun soll das erste Album “Backstage mit Freunden” mehr als drei Jahre nach seinem Erscheinen indiziert werden. Die Anregung dazu kommt vom Landeskriminalamt. Dabei war das LKA nicht mal in der Lage den Titel des Songs korrekt wiederzugeben, so bilden zwei Strophen des Liedes “Staatsgewalt” das corpus delicti, als Songtitel wird jedoch “Meine Cora” angegeben.

Es kann dem LKA nicht darum gehen die Verbreitung des Albums zu verhindern. Das Album ist längst ausverkauft und auf Konzerten wird “Staatsgewalt” schon seit 1,5 Jahren nicht mehr gespielt. Würde das Lied heute geschrieben, Zeilen wie “und danach schicken wir euch [die Polizei] dann nach Bayern, denn die Ostsee soll frei von Bullen sein” würden darin nicht mehr vorkommen. Sie ist einer der Gründe, warum FSF den Song nicht mehr auf Konzerten spielen.

Man kann davon ausgehen, dass diese Umstände dem LKA nicht unbekannt sind, dennoch wünscht es sich die Indizierung. Es liegt der Verdacht nahe, dass sich die Behörden lediglich selbst mit einem neuen Argument ausstatten möchten, mit dem in Zukunft Veranstaltern und Veranstaltungsorten gegenübergetreten werden kann. Mit einer Indizierung in der Hinterhand, fiele es der MAEX zukünftig sicher leichter Kommunalpolitiker und Veranstaltungsorte davon zu überzeugen, den “Linksextremisten” mit dem indizierten Album keine Bühne zu bieten.

Feine Sahne möchten sich die Verhandlung vor Kunsthistorikern, Lehrern und Religionsvertretern am 3. Mai in Bonn nicht entgehen lassen. Und weil sie schon mal dort sind, geben sie am Abend im nahegelegenen Köln noch ein Konzert. Sie lassen sich nicht einschüchtern, sie wollen weitermachen: Dieses Jahr soll das dritte Album der Band veröffentlicht werden – wieder auf einer Releaseparty irgendwo in Mecklenburg-Vorpommern.

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Ergänzungen

HIntergrund zum Konzertverbot in Loitz

Verlinker_In 10.04.2012 - 10:59
Wie bereits auf indymedia berichtet (1 , 2) wurde die CD-Release - Party der Band 'Feine Sahne Fischfilet' nach Greifswald verschoben. 350 Konzertgäste, viele davon aus dem Fussballspektrum und der Antifaszene, feierten ausgelassen. Ursprünglich sollte dies in Loitz stattfinden und durch ein antifaschistischen Rahmenprogramm (Vorträge, Filmvorführung) ergänzt werden. Nach Drohungen aus der rechten Szene kündigte der CDU-Oberbürgermeister die Räume und ein anderer Ort musste eilends gefunden werden. Störungen seitens Neonazis blieben wie erwartet aus, die Polizei war mit einem großen Aufgebot präsent...

Legal? Illegal? Scheißegal?

leser 11.04.2012 - 12:57
Zu einer verbotenen Band zu gehen, ist natürlich viel cooler. Ich höre mir gleich nochmal dasAlbum an und versuche, die besonders bösen Zeilen zu finden.
Würde ich ja auch so sehen. Im übrigen ist die Rechtswirkung einer Indizierung aber auch nicht, dass die Band nicht mehr auftreten darf. Es ist auch nicht der Sinn und Zweck dieser Behörde zu entscheiden, ob der musikalische Inhalt ihr politisch gefällt oder nicht; sondern die haben halt zu prüfen, ob und welche Altersgruppen von Jugendlichen durch die Musik in ihrer persönlichen Entwicklung zum mündigen Bürger gefährdet werden. Was genau soll denn das Problem sein: Ist die Musik etwa zu militant?

Aber wie auch immer: Zuendegedacht hat das LKA das in der Tat nicht. Für jugendliche "Musikpiraten" ist das eher ein Werbeargument; als Argument für Veranstaltungsverbote ist das auch nur mäßig geeignet, zumal die Jugendgefährdung wenn die so argumentieren auch für jedes einzelne Stück separat zu prüfen wäre. Nervig wäre einzig und allein die Rechtswirkung einer solchen Indizierung, dass eine Aufführung indizierter Stücke nicht in Gegenwart von unter 18-jährigen (weiß nicht, ob die weitere Altersstufen haben) zulässig wäre und Veranstalter somit entweder ihre Zielgruppe aussperren oder aber auf ein oder zwei Titel verzichten müssen. Ob es soweit kommt, würde ich jedoch erst einmal abwarten, nicht alle Behörden sind so blöd wie die Polizei und ignorieren beharrlich die Rechtssprechung zu ihrem eigenen Tätigkeitsbereich; das kann nämlich richtig teuer werden, wenn die Klägerseite nur will. Um den Streitwert auf 50.000 Euro zu bekommen, dürfte ja schon die Ankündigung einer Neuauflage von 5.000 Tonträgern genügen.

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