Dresden: Bewährungsstrafen für Nazischläger

addn.me 12.06.2012 09:27 Themen: Antifa Blogwire
Am Montag hat nach mehreren Jahren Verfahrensdauer das Landgericht Dresden ein Urteil gesprochen. Angeklagt waren fünf mutmaßliche Führungsmitglieder von "Sturm 34", die von 2006 bis 2007 eine ganze Region mit rechten Gewalttaten überzogen hatten und erst nach monatelangem Schweigen durch die Verantwortlichen in Politik und Behörden verboten wurden. In ihrem Urteil ging das Gericht nur etwas über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus und verurteilte vier der Angeklagten zu Bewährungsstrafen von sechs Monaten bis zwei Jahren, einer der Beschuldigten kam mit einer Geldstrafe davon. Der Prozess war notwendig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof die Vereinigung im Dezember 2009 als "kriminell" eingestuft hatte und damit der Revision der Staatsanwaltschaft nach einem ersten Urteil zugestimmt hatte.
Im Prozess gegen die Nazigruppierung "Sturm 34" hat am Montag das Dresdner Landgericht nach beinahe fünf (!) Jahren Verfahrensdauer ein abschließendes Urteil gefällt. Danach wurden die fünf Beschuldigten zwischen 23 und 44 Jahren vom Vorsitzenden Richter Herbert Pröl zu vier Bewährungs- und einer Geldstrafe verurteilt. Staatsanwalt Gunther Bayer begründete in seinem Plädoyer seine Forderung nach einem verhältnismäßig milden Urteil damit, dass die Angeklagten ihr Leben inzwischen "stark geändert hätten". So würden sie mittlerweile "einer geregelten Beschäftigung" nachgehen, zum Teil Familie haben und seit mehreren Jahren straffrei leben. Das Verfahren war nötig geworden, nachdem der Bundesgerichtshof dem Einspruch der Staatsanwaltschaft Recht gegeben hatte, die im ersten Verfahren eine Verurteilung wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" gefordert hatte.

Von 2006 bis 2007 hatte die von den Ermittlungsbehörden als straff organisierte Gruppe bezeichnete Vereinigung in der Region Mittelsachsen immer wieder mit rechten Übergriffen und Propagandaaktionen auf sich aufmerksam gemacht, zum Schluss zählte die Polizei mehr als 70 Straftaten, darunter etliche Körperverletzungen. Ziel der rund 50 Mitglieder zählenden Gruppe war die Errichtung einer so genannten "national befreiten Zone" in der Region um Mittweida. Zeitweise soll die sächsische NPD Mitglieder von "Sturm 34" für den Schutz von Parteiveranstaltungen eingesetzt haben. Knapp ein Jahr nach ihrer Gründung wurde nach einer Großrazzia im April 2007 die Gruppe vom damaligen Innenminister Albrecht Buttolo (CDU) verboten. Im anschließenden Prozess verurteilte das Dresdner Landgericht im August 2008 zunächst zwei der Führungspersonen wegen gefährlicher Körperverletzung zu Jugendhaftstrafen zwischen drei und dreieinhalb Jahren. Den Angeklagten fehle es “überwiegend am intellektuellen Inventar” so der Richter damals in seiner Urteilsbegründung. Im Dezember 2009 hob der Bundesgerichtshof diese Entscheidung wieder auf.

Auch Monate nach den Taten kam es in der Region immer wieder zu Übergriffen von Personen aus dem Umfeld von "Sturm 34". Höhepunkt war der Überfall auf einen Dönerladen, eine Turnhalle und ein Elektrogeschäft in Colditz im Februar 2008. Dabei randalierten etwa 100 vermummte Nazis, zerstörten zahlreiche Scheiben und verursachten einen Sachschaden von fast 100.000 Euro. Schon Tage zuvor waren in der Stadt immer wieder alternative Jugendliche zunächst beleidigt und wenig später angegriffen worden. Ein Jahr darauf musste ein antirassistisches Fußballturnier in der Stadt wegen befürchteten Racheaktionen der lokalen Naziszene abgesagt werden. Im August 2010 brannte einen Tag nach einem Prozess gegen Mitglieder von "Sturm 34" ein Transparent an der Außenfassade des alternativen Kulturvereins Treibhaus e.V., Wochen zuvor waren bei Brandstiftungen die Autos einer Mitarbeiterin des Treibhaus e.V. und eines weiteren Vereinsmitglieds stark beschädigt worden.

Der Grüne Landtagsabgeordnete Miro Jennerjahn begrüßte die Verurteilung wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" als "wichtiges Signal" und forderte in Anbetracht der langen Dauer des Verfahrens eine "zügigere" Anklage als "beste Prävention". Der SPD Politiker Henning Homann bezeichnete das Verfahren als "Schlag ins Gesicht der Opfer" und forderte die Landesregierung ebenfalls dazu auf, "Schlüsse aus der langen Prozessdauer " zu ziehen. Auch die Abgeordnete der Linken, Kerstin Köditz, kritisierte die lange Verfahrensdauer. Das Urteil vom Montag sei eine "Demütigung" für die Opfer, die schon zuvor von Polizei und Politik "im Stich gelassen" wurden, so Köditz in einer Pressemitteilung weiter.

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Ergänzungen

Nicht nur Grüne und Rosa

Klarname 12.06.2012 - 15:13
Kerstin Köditz zum „Sturm 34“-Urteil: Ein mahnend erhobener

Zeigefinger ist keine Strafe – in diesem Fall Gerichtsschelte nötig



Zum heutigen Urteil des Landgerichts Dresden gegen fünf Führungskader der Neonazi-Gruppe „Sturm 34“ erklärt Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag:



Das Urteil unterstreicht einmal mehr die Binsenweisheit, dass das gesprochene Recht oftmals nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun hat. Die verhängten Strafen dürften bei den Angeklagten ein ebenso belustigtes wie zufriedenes Grinsen zur Folge haben. Die Verurteilungen auf Bewährung sind letztlich nicht mehr als das Drohen mit dem mahnend erhobenen Zeigefinger.



Die lange Reihe der Skandale um die Straftatenserie dieser kriminellen Vereinigung, die über mehrere Jahre eine ganze Region in Angst und Schrecken versetzte, findet damit ihr unrühmliches Ende. Nachdem sich die Opfer zunächst im Stich gelassen fühlen mussten, da Polizei und Politik viel zu spät und viel zu zurückhaltend reagierten, folgte ihre Demütigung durch die Gerichte. Der negative Höhepunkt war dann die Untätigkeit des Landgerichts Dresden nach der Intervention des Bundesgerichtshofs, der das erste Urteil wegen falscher rechtlicher Würdigung der Fakten aufgehoben hatte. Letztlich führte genau diese Arbeitsverweigerung dazu, dass die lange Verfahrensdauer sich mindernd auf das Strafmaß auswirken musste.



Eigentlich soll man keine Gerichtsschelte betreiben. in diesem Fall aber halte ich dies nicht nur für zulässig, sondern für höchst notwendig. Ich werde nunmehr ernsthaft prüfen, ob eine Anzeige gegen die Verantwortlichen wegen Strafvereitelung im Amt erfolgversprechend ist. Wer will, dass sich neonazistische Bandenkriminalität wie bei „Sturm 34“ nicht wiederholen kann, darf sich mit einem solchen Richterspruch nicht einfach abfinden.

Zusatz

ferdinant 13.06.2012 - 02:26

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