FÜ: „Wem gehört die Stadt?“ Innenstadtaktion

Antifaschistische Linke Fürth (ALF) 06.12.2011 23:43 Themen: Freiräume Kultur Soziale Kämpfe
Am Dienstag, den 06.12.2011 veranstaltete die Antifaschistische Linke Fürth (ALF) eine Kundgebung zu der Kampagne „Wem gehört die Stadt?!“. Dazu wurden zahlreiche Zelte in der Fußgängerzone aufgebaut, unter anderem um auf die Mietproblematik in Fürth aufmerksam zu machen.
Wem ge­hört die Stadt?

Über­all in Fürth ist das glei­che Bild zu sehen: Un­zäh­li­ge Ge­bäu­de sind von Ge­rüs­ten um­ge­ben, Bau­krä­ne sind an allen Ecken zu sehen und neue mo­der­ne Woh­nun­gen und Lu­xus­lofts schie­ßen aus dem Boden. Diese Maß­nah­men haben die lang­fris­ti­ge Auf­wer­tung be­stimm­ter Stadt­tei­le zum Ziel. Folge die­ser sind nicht nur stei­gen­de Mie­ten, son­dern auch die Ver­trei­bung von Men­schen aus ihren Woh­nun­gen. Sie müs­sen um­zie­hen und ehe­mals güns­ti­ge Stadt­tei­le wer­den meist kom­plett um­struk­tu­riert. Wie­der ein­mal trifft es dabei die schwä­cher Ge­stell­ten. Die Stadt Fürth lässt den Im­mo­bi­li­en­fir­men dabei wei­test­ge­hend freie Hand, schließ­lich pro­fi­tiert auch sie von zah­lungs­kräf­ti­gen Be­woh­ne­rIn­nen in ihrer Stadt. Für die Men­schen, die einst in den kos­ten­güns­ti­gen Woh­nun­gen leb­ten, ist diese Po­li­tik je­doch alles an­de­re als „so­zi­al“.

„So­zia­le Stadt“ Fürth?

Das Bund-​Län­der­pro­gramm „Die So­zia­le Stadt – Stadt­tei­le mit be­son­de­rem Ent­wick­lungs­be­darf“ wurde 1999 in­iti­iert. Die Stadt Fürth ist seit dem Jahr 2000 Teil des bun­des­wei­ten Pro­jekts und be­zieht För­der­mit­tel von Bund und Land. Das Ziel ist es die sog. „Ab­wärts­spi­ra­le in be­nach­tei­lig­ten Stadt­tei­len auf­zu­hal­ten und die Le­bens­be­din­gun­gen vor Ort um­fas­send zu ver­bes­sern.“ – Auf den ers­ten Blick eine lo­bens­wer­te Ziel­set­zung. In Fürth konn­ten seit dem Start etwa 150 Pro­jek­te rea­li­siert und ge­för­dert wer­den. Schaut man je­doch ge­nau­er hin­ter die Fas­sa­den des Pro­gramms wer­den die po­si­ti­ven Ent­wick­lungs­li­ni­en schnell brü­chig, kon­zen­triert sich die Sa­nie­rungs­wut doch haupt­säch­lich auf Fas­sa­den­ar­bei­ten, die Schaf­fung von Grün­flä­chen oder der nach­träg­li­chen An­brin­gung von Bal­ko­nen. Die Ver­bes­se­run­gen im Be­reich der Städ­te­bau­för­de­rung zie­len dabei pri­mär auf die Bin­dung von Mit­tel­schichts­fa­mi­li­en in den Quar­tie­ren. Wohl­ha­ben­de Fa­mi­li­en sind In­di­ka­to­ren für eine ge­woll­te Auf­wer­tung be­stimm­ter Vier­tel. So fol­gen ihnen neue Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten und Ge­schäf­te von die­sen wie­der­um die Stadt – durch hö­he­re Ein­nah­men der Ge­wer­be­steu­er – pro­fi­tiert. Auf­wer­tungs­pro­zes­se sind also wirt­schaft­lich at­trak­tiv für die Stadt. All die Maß­nah­men haben die Stei­ge­rung der „Wohn- und Le­bens­qua­li­tät“ zum Ziel. Die­ser Fol­gen je­doch Mietstei­ge­run­gen, die Pri­va­ti­sie­rung von ehe­mals öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen und schließ­lich die Aus­gren­zung von wei­ten Tei­len der Ge­sell­schaft – um nur ei­ni­ge Fol­gen zu nen­nen. Die Hal­len­bä­der, das neue Ther­mal­bad und das Frei­bad in Fürth wur­den kom­plett pri­va­ti­siert und fir­mier­ten als „Bä­der­land“ Fürth. Teile die­ser wur­den mitt­ler­wei­le wie­der re­pri­va­ti­siert, da der In­ves­tor die hohen Kre­di­te nicht zu­rück­zah­len konn­te, wo­durch enorm hohe Kos­ten für die Kom­mu­ne ent­stan­den. Der städ­ti­sche So­zi­al­bau wurde so gut wie ein­ge­stellt und nur durch ein brei­tes Bünd­nis konn­te die Pri­va­ti­sie­rung der Stadt­ent­wäs­se­rung ver­hin­dert wer­den.
Hin­ter dem Pro­gramm der „So­zia­len Stadt“ ver­ber­gen sich also Maß­nah­men, die wenig mit einer so­zia­len Stadt­ent­wick­lung zu tun haben und schon gar nicht auf die Be­dürf­nis­se von fi­nan­zi­ell schwa­chen Men­schen aber auch „nor­mal“ Ver­die­nen­den ein­ge­hen. Bei­spiel­haft dabei ist das Vor­ge­hen der P&P Grup­pe Bay­ern. Durch eine äu­ßert enge Ko­ope­ra­ti­on mit der Stadt Fürth ist das Un­ter­neh­men an zahl­rei­chen Lu­xus­sa­nie­run­gen be­tei­ligt und er­hält na­he­zu jeden Auf­trag der Stadt den sie möch­te. Dass es P&P dabei nicht um die In­ter­es­sen der Men­schen in Fürth, son­dern um ei­ge­ne Pro­fit­in­ter­es­sen, geht liegt auf der Hand.
In der Pra­xis setz­ten viele Pro­gram­me also zu­nächst auf die Auf­wer­tung des Ima­ges der be­nach­tei­lig­ten Stadt­vier­tel und eine Ak­ti­vie­rung der Be­woh­ner­schaf­ten. Ganz im Sinne neo­li­be­ra­ler Prin­zi­pi­en der Ei­gen­ver­ant­wor­tung sol­len die Quar­tiers­ma­nage­ments die Nach­bar­schaf­ten zur Selbst­hil­fe be­fä­hi­gen. Dass oft vor allem die­je­ni­gen auf die Be­tei­li­gungs­an­ge­bo­te an­spre­chen, die auf­grund ihrer so­zia­len und öko­no­mi­schen Po­si­ti­on die Un­ter­stüt­zung am we­nigs­ten nötig haben, wird weit­ge­hend in Kauf ge­nom­men. Sind es doch meist die bil­dungs­bür­ger­li­chen Schich­ten, die in den Ge­bie­ten ge­hal­ten wer­den sol­len.

Die Aktion...

Um auf diese prekäre Situation in Fürth hinzuweisen, schlugen AktivistInnen der Antifaschistischen Linken Fürth (ALF) und des Sozialforums ihre Zelte in der Fürther Fußgängerzone auf. Dies sollte die Wohnproblematik in der Stadt symbolisieren. Mit Schildern, einer Ausstellung und Flugblättern wurden zahlreiche PassantInnen für dieses Thema sensibilisiert.
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Veranstaltungsreihe

ALF 07.12.2011 - 00:01
Recht auf Stadt?!
07.​12.​2011 | 19:00 Uhr | In­fo­la­den Be­n­a­rio
Warum ist es wich­tig in Fürth über die Recht auf Stadt Be­we­gung zu in­for­mie­ren? Auch hier fin­det pro­fit­ori­en­tier­te Stadt­ent­wick­lung statt, die wenig mit den Be­dürf­nis­sen der Für­the­rIn­nen zu tun hat. In einer kur­zen Ein­lei­tung wol­len wir die Si­tua­ti­on hier in Fürth etwas genau be­trach­ten. Im An­schluss wer­den zwei Ak­ti­vis­tIn­nen von Recht auf Stadt Ham­burg über die Grün­dung der In­itia­ti­ve be­rich­ten. Dabei er­läu­tern sie den Auf­bau und die ein­zel­nen In­itia­ti­ven, wer­den aber auch theo­re­tisch auf das Kon­zept von Recht auf Stadt ein­ge­hen. Grund­le­gend sol­len der Wi­der­stand gegen neo­li­be­ra­le Stadt­um­struk­tu­rie­rung und die mög­li­chen Er­fol­ge dar­ge­stellt wer­den.

Mie­ter­hö­hun­gen und was man da­ge­gen tun kann.
09.​12.​2011 | 19:00 Uhr | In­fo­la­den Be­n­a­rio
Wolf­gang Wink­ler ist Rechts­an­walt und Vor­sit­zen­der des Er­lan­ger Mie­te­rin­nen-​ und Mie­ter­ver­ein e.V.. Er wird über das Thema Mie­ter­hö­hun­gen re­fe­rie­ren und in dem Vor­trag auf die Grün­de ein­ge­hen, die zur Stei­ge­rung des Miet­prei­ses füh­ren. Au­ßer­dem wer­den recht­li­che As­pek­te er­klärt: Wie hoch dür­fen Mie­ter­hö­hun­gen aus­fal­len, wel­chen Schutz hat man als Mie­te­rIn vor die­sen und wel­che Rech­te hat man ge­gen­über dem/der Ver­mie­te­rIn?

Spiel­film
14.​12.​2011 | 19:30 Uhr | In­fo­la­den Be­n­a­rio
Der Be­sit­zer eines alten Miets­hau­ses in einem Vor­ort der ko­lum­bia­ni­schen Haupt­stadt Bo­go­ta will das Haus räu­men und des­sen Be­woh­ne­rIn­nen auf die Stra­ße set­zen las­sen. Doch in der „Casa Uribe“ lebt eine zu­sam­men­ge­wür­fel­te Men­schen­schar, die ge­mein­sam einen ge­nia­len Plan ent­wi­ckeln, um die noch ver­blie­be­ne Zeit bis zum an­ge­droh­ten Raus­wurf zu nut­zen.
(Ko­lum­bi­en 1993, 115 Mi­nu­ten)

Po­di­ums­ver­an­stal­tung: So­zia­les Fürth?
15.​12.​2011 | 19:30 Uhr | BIKO im Ge­werk­schafts­haus, Kö­nigs­war­ter Str. 16, Fürth
Von der Miet­pau­scha­le für Hartz-​IV Emp­fän­ge­rIn­nen, über kos­ten­pflich­ti­ge Bil­dung, bis zu viel zu teu­ren Fahr­prei­sen für Bus und Bahn – das alles sind all­täg­li­che Pro­ble­me fi­na­zi­ell be­nach­tei­lig­ter Men­schen in der Stadt.
Bei der Po­di­ums­ver­an­stal­tung sol­len diese Pro­ble­me und die ak­tu­el­le Si­tua­ti­on in Fürth dis­ku­tiert wer­den. Dazu sind Ak­ti­vis­tIn­nen des Bil­dungs­streik-​Bünd­nis­ses, der Für­ther Er­werbs­lo­sen In­itia­ti­ve, dem Bünd­nis für ein So­zi­al­ti­cket und dem Bay­ri­schen Flücht­lings­rat ein­ge­la­den.