FfM:Demo zum 2. Jahrestag der Casino-Räumung

wohnraum 05.12.2011 15:51 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe
Am Freitag den 02.12.11 demonstrierten etwa 300 Menschen ab 18:30 Uhr in Frankfurt am Main am zweiten Jahrestag der Casino-Räumung gegen die Wohnsituation in Frankfurt und vielen anderen Städten, staatliche Repression und für die Solidarität mit Besetzer_Innen . Der Demonstrationszug startete am Campus Bockenheim der Goethe-Universität Frankfurt am Main, führte über Messe, Alte Oper, IG-Farben Campus zurück zum Campus Bockenheim.
Schon zu Beginn wurde der Demonstrationszug von der Polizei in der Senckenberganlage gestoppt und bis zuletzt von 60 Kastenwägen und behelmten Polizeikräften begleitet – erneut ein Ausdruck der ungerechtfertigten Kriminalisierung von Demonstrierenden. Eine Demonstrantin kommentierte das Polizeiaufgebot: „Es ist eine Frechheit bei einer Demonstration, die sich unter Anderem gegen Repression richtet, 60 Wannen aufzufahren!“

In Kundgebungen am Campus Bockenheim, an der Alten Oper, sowie am IG-Farben Campus äußerten sich Redner_Innen unter Anderem der „Campus antifa“, der Initiative „Wohnraum für alle!“, des „asta“ der Goethe-Universität und des „Arbeitskreises kritischer Jurist_Innen“ zur katastrophalen Wohnsituation und im Besonderen zum miserablen Verhalten des Präsidiums und der Polizei bei der Räumung des Casinos 2009 und der Schumannstraße 60 am 20. Oktober 2011. Gemeinsam war allen Redebeiträgen die Betonung der Legitimität und Notwendigkeit von Hausbesetzungen und die Kritik an staatlicher Repression.

Die Demonstrant_Innen solidarisierten sich mit besetzten Häusern in allen Städten, insbesondere mit der Roten Flora und Zomia in Hamburg, die von der Räumung bedroht sind. Sollte es zu einer Räumung kommen, ruft die Initiative „Wohnraum für alle!“ zu einer Spontandemonstration am Folgetag um 18 Uhr am Café Koz auf dem Campus Bockenheim auf.
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Ergänzungen

Redebeitrag der campusan

ca 05.12.2011 - 17:21
Als Universitätspräsident Werner Müller-Esterl am 3.12.2009 die polizeiliche Räumung des besetzten Casinos auf dem IG-Farben-Campus veranlasste, entstand ein Bild, in dem sich die aktuellen gesellschaftlichen und universitären Verhältnisse verdichteten (deutlich wurden): Umzingelt von typisch martialisch auftretenden Polizeikräften, versuchten die Besetzer_innen im Festsaal des Casinos ein Seminar abzuhalten, in dem über eine marxistische Kritik am humboldtschen Bildungsideal diskutiert wurde. Was verdichtete sich hier in diesem Bild? Es sind mindestens drei Dinge:
Erstens: Die gesellschaftlichen Verhältnisse verschärfen sich dermaßen, dass die Kritik an ihnen zunehmend nur noch in solchen Formen möglich ist, die von den Hütern des Bestehenden als Rechtsbruch verfolgt werden – sei es, weil hierzu Raum angeeignet werden muss, der offiziell nicht zur Verfügung steht; sei es, weil hierzu Zeit angeeignet werden muss, die uns durch Lohnarbeit und erhöhten Workload offiziell nicht gewährt wird.
Das ist das eine – das zweite Moment, das in der durch Polizeigewalt unterbundenen Kritik zum Ausdruck kommt, ist das von paternalistischer Geringschätzung geprägte Verhältnis der Unileitung zu den Studierenden. Der Uni-Präsident stellte Anzeige wegen „Hausfriedensbruchs“. Hierauf reagierte Prof. Stefan Gandler, ehemaliger Student und Dozent der Uni Frankfurt und mittlerweile Professor an der University of California, in einem offenen Brief an Werner Müller-Esterl mit folgenden Worten:

„Auch erschreckt Ihre […] Wortwahl vom ‚Hausfriedensbruch’ bezüglich der studentischen Subjekte, womit diese als der Universität äußerliche ‚Fremde’ definiert werden, denn nur solchen kann dieses Delikt vorgeworfen werden. Die Wortwahl [...] drückt ganz offen eine geringschätzige Haltung gegenüber allen Studierenden der Universität aus, die einem Universitätspräsidenten schlicht nicht zusteht.“

- lassen wir dies einfach mal so stehen.
Drittens handelte es sich bei der Casino-Räumung um einen recht einmaligen Ausdruck davon, wie heutzutage, im autoritären Kapitalismus, sich an vielen Punkten verschärfende gesellschaftliche Konflikte gelöst werden: Wenn die ideologische Disziplinierung durch das altbekannte Sachzwang- und Es-gibt-keine-Alternative-Gerede nicht mehr funktioniert, werden die repressiven Staatsapparate mobilisiert. Von der Kameraüberwachung bis zum Wasserwerfer, vom Schlagstock bis zur Hausdurchsuchung – den herrschenden Herrschaften fällt hier vieles ein.

Doch es war nicht nur dieses Bild, diese Verdichtung, die die Casino-Besetzung und -Räumung mit sich brachte. Sie verschaffte uns auch die Erfahrung, dass sich durch solidarisches Handeln der Repression ein Schnippchen schlagen lässt: Die Besetzer_innen ließen sich – trotz einer medialen Lügenkampagne des Präsidiums - nicht gegeneinander ausspielen und die Anklagen gegen sie wurden letztlich fallen gelassen – und zwar auch bei jenem großen Teil der Besetzer_innen, der sich geweigert hatte, die vom Präsidium vorgesetzte Gewaltverzichtserklärung zu unterschreiben.

Was lernen wir aus diesem kleinen Rückblick? Widerstand gegen die alltäglichen Zumutungen ist nötig und möglich. Es war und bleibt richtig das Casino zu besetzen - denn es ist und bleibt richtig sich den Raum und die Zeit anzueignen, die es braucht, um theoretische und praktische Kritik an diesen schreiend verrückten Verhältnissen zu üben. Also: besetzen wir weiter, sabotieren wir weiter, feiern wir weiter krank – dies sind kleine Schritte auf dem langen Weg zur befreiten Gesellschaft, in der freie Bildung und ein selbstbestimmtes Leben überhaupt erst möglich wären.


campusantifa 12/11

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