Gegen Diskriminierung & Abschiebung von Roma

Initiative gegen die Diskriminierung von Roma 15.12.2011 23:58 Themen: Antirassismus Soziale Kämpfe
In Leipzig beteiligten sich am 7.12.2011 bis zu 70 Menschen an der Kundgebung der Initiative gegen die Diskriminierung von Roma. Zahlreiche Gruppen und Initiativen hatten im Rahmen der Kampagne "Alle bleiben!" an diesem Tag, dem Auftakt der Innenministerkonferenz in Wiesbaden, bundesweit zu Aktionen gegen die Abschiebung von Roma in den Kosovo aufgerufen.
In verschiedenen Redebeträgen wurde auf dem Leipziger Willy-Brandt-Platz die Forderung erhoben, endlich eine Bleiberechtsregelung für geduldete Roma zu schaffen.
Seit Mitte 2009 hat Deutschland verstärkt damit begonnen, zuvor langjährig geduldete Flüchtlinge aus dem Kosovo abzuschieben. Diese Abschiebungen nehmen nach der Unterzeichnung des Rücknahmeabkommens zwischen der deutschen und der kosovarischen Regierung am 14.04.2010 weiter zu. Die Mehrheit der vorgesehenen Abschiebungen betrifft Roma, von denen viele schon mehr als 10 Jahre in Deutschland wohnen und deren Kinder hier aufgewachsen und in vielen Fällen zur Welt gekommen sind.
„Im Kosovo erwartet die Betroffenen Diskriminierung, Willkür und Gewalt. Deutschland vergeht sich an der Würde dieser Menschen. Es ist ein Skandal, dass am Tag des Auftakts der Innenministerkonferenz, wiederum eine Sammelabschiebung von Geduldeten nach Pristina (Kosovo) geplant ist, darunter zahlreiche Roma.“ erklärte ein Redner auf der Leipziger Kundgebung.
In weiteren Redebeiträgen wurde die Situation von Roma in anderen europäischen Staaten in den Blick genommen. In zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten werden Roma systematisch ausgegrenzt, diskriminiert und müssen sogar um ihre körperliche Unversehrtheit fürchten. So finden in Tschechien und Bulgarien seit einigen Monaten regelmäßig antiziganistische Demonstrationen statt.

Diskriminierung und Verfolgung von Sinti und Roma reichen bis ins 15te Jahrhundert zurück. Immer wieder wurden alte und neue Stereotype - von stehlenden und bettelnden Zigeuner, der schönen aber gefährlichen „Zigeunerin“, von magischen und hinterlistigen Fähigkeiten - aufgegriffen. Schon damals wurden Sinti und Roma als vogelfrei erklärt und verfolgt, im 18. Jahrhundert gab es Versuche sie mit fraglichen Mitteln zu "Bürgern" zu erziehen, ihre angebliche Andersartigkeit wurde dann im 19. Jahrhundert festgeschrieben. Sie wurden systematisch kategorisiert und durch das nationalsozialistische Konstrukt der Rasse schließlich der systematischen Vernichtung ausgesetzt. In Leipzig überlebten von 300 Sinti und Roma nur drei den Nationalsozialismus, insgesamt wurden in diesem Zeitraum 500.000 Sinti und Roma ermordet.

Die Innenministerkonferenz widmete sich schlussendlich zwar der Flüchtlingsfrage – 900 „schutzsuchende Flüchtlinge“ sollen demnach in den kommenden drei Jahren aufgenommen werden. In Sachen Bleiberecht kam es zu keiner Einigung. Während die unionsgeführten Länder an der so genannten Stichtagsregelung festhalten – diese Regelung besagt, dass langjährig Geduldete ein Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie sich zum Stichtag 1. Juli 2007 seit mindestens acht Jahren in Deutschland aufhalten, selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können und deutsch sprechen – fordern die SPD-Länder ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht.

Die Leipziger Initiative gegen die Diskriminierung von Roma wird weiterhin auf das Problem des Antiziganismus aufmerksam machen und sich für ein Bleiberecht für die von Abschiebung betroffenen Roma und für die unbegrenzte gesellschaftliche Teilhabe dieser Minderheit engagieren. Geplant sind u.a. Info-und Benefizveranstaltungen.
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Ergänzungen

Abschiebung auch aus Aachen

solidarity.against.borders 16.12.2011 - 01:03
Ausländeramt reißt Familie auseinander

Aachen. Frühmorgens am Nikolaustag klingelten Beamte des Ausländeramtes der Städteregion und der Polizei Sturm an einer Wohnung im Aachener Stadtteil Forst.

Die Beamten hatten nur ein Ansinnen: Die 19-jährige Tochter einer Roma-Familie, Sadbera R. sollte sofort mitkommen. «Noch heute werden Sie nach Sarajewo abgeschoben», erklärten ihr die Beamten.

Ihre Familie setzte schnell alle Hebel in Bewegung. Ein Anwalt versuchte, beim Aachener Verwaltungsgericht einen Eilantrag durchzusetzen, der die Abschiebung hätte stoppen können. Doch fünf Minuten vor dem Abflug vom Köln-Bonner Flughafen aus, gegen 12.35 Uhr, kam der Bescheid aus Aachen: «Der Eilantrag ist abgelehnt.»

Der Katholikenrat Aachen-Stadt protestiert aufs Heftigste, auch die reformpädagogische Sekundarschule am Dreiländereck und das Netzwerk Asyl haben sich dem Protest angeschlossen. «Auch wenn die Abschiebung formal rechtlich legal gewesen sein mag, ist es doch unmenschlich und in keinster Weise hinnehmbar, dass durch die Abschiebung der 19-jährigen Tochter eine Familie auseinandergerissen wird», meint Katholikenrats-Vorsitzender Holger Brantin, der gleichzeitig Vorsitzender Richter am Landgericht Aachen ist.

«Der Ausländerbehörde war durch Vorlage verschiedener medizinischer Atteste und Stellungnahmen nachweislich bekannt, dass die Familie psychisch schwer belastet ist», erklärt An­drea Genten vom Netzwerk Asyl. «Ich berate seit ewiger Zeit Flüchtlinge, aber ich habe noch nie erlebt, dass in Aachen eine Familie durch die Ausländerbehörde auseinandergerissen wurde», sagt sie. Seit es die Städteregion gibt, ist das Ausländeramt dieser untergeordnet.

Holger Benend vom Presseamt der Städteregion bestätigt die Vorgehensweise der Behörde mit der 19-Jährigen: «Es hat einen ersten, angekündigten Termin für die Rückführung gegeben. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht anwesend und hat sich der Rückführung entzogen», erklärt er den Einsatz am frühen Morgen des 6. Dezembers. Benend hat die Stellungnahme nach Rücksprache mit Städteregionsrat Helmut Etschenberg abgegeben. Ob die Entscheidung für eine Abschiebung zwingend nötig war, will er nicht bewerten. Die Fragen nach dem Ermessensspielraum der zuständigen Beamten und nach der Verhältnismäßigkeit lässt Benend unbeantwortet.

Der 63-jährige Großvater der Roma-Familie hatte nach eigenen Angaben im Bosnienkrieg Folterungen von Familienangehörigen mit ansehen müssen, seine Frau wurde in dieser Zeit ermordet. Dennoch wurden die Asylanträge der Familie, des Ehepaars R., der Eltern von Sadbera, ihr eigener und auch der der elf- und 17-jährigen Brüder abgelehnt.

Daraufhin unternahm der Großvater zwei Suizid-Versuche. Er wurde lange im Krankenhaus behandelt, die Mutter der Abgeschobenen wurde ebenfalls wochenlang in der Psychiatrie nach der Asylablehnung behandelt. Sie war zusammengebrochen. «Nach der Abschiebung der Tochter geht es der Frau sehr schlecht», sagt An­drea Genten.

«Politik muss Maßstäbe setzen»

Sie ist überzeugt: «Jetzt muss die Politik Maßstäbe setzen. Der Städteregionsrat ist gefordert.» Die Grüne Elisabeth Paul, Stellvertreterin von Etschenberg, habe sich sehr für die Roma-Familie eingesetzt und einen Termin mit Etschenberg vereinbart, der am Freitag stattfindet. Teilnehmen werden der Städteregionsrat, die Chefin der Ausländerbehörde und die Beschwerdeführer.

Elisabeth Paul: «Wir sind entsetzt, dass in der Städteregion überhaupt noch abgeschoben wird.» Ins gleiche Horn stößt Marika Jungblut, die stellvertretende Sprecherin der Fraktion der Linken: «So geht das nicht, vor allem dürfen doch Familien nicht auseinandergerissen werden.»

Quelle:  http://www.an-online.de/lokales/aachen-detail-an/1933185?_link=&skip=&_g=Auslaenderamt-reisst-Familie-auseinander.html

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deIM-Zensur — Autor

A propósito de Indymedia — Iruzkina Gehitu