Greifswald: Eine schallende Ohrfeige - Aber für wen?

Kombinat Fortschritt 07.12.2011 23:06 Themen: Antifa
Der Abbruch der Kreistagssitzung in Greifswald sorgt für Diskussionen. Nachdem aus dem Publikum bei einer Rede des NPD-Abgeordneten Michael Andrejewski Zwischenrufe und Rasselgeräusche ertönten, war die Sitzung zunächst unterbrochen worden. Während der Räumung kam es zu Tumulten, nachdem Abgeordnete der NPD, sowie einige NPD-Sympathisanten von den Rängen, versuchten, den gegen ihre Anwesenheit Protestierenden ein Transparent zu entreißen. Dabei wurden Drohungen und wüste Beleidigungen ausgestoßen und einige der teils äußerst aggressiv auftretenden Neonazis wurden sogar tätlich.

Interessanterweise scheinen die Übergriffe, die wohlgemerkt ausschließlich von rechts ausgingen, bei einigen eine geringere Rolle zu spielen, als der Umstand, dass die Sitzung abgebrochen worden ist. Abgesehen davon, ob die Sitzung wirklich hätte abgebrochen werden müssen und nicht einfach hätte fortgeführt werden können, stellt sich somit die Frage, ob die Demokratie wirklich Schaden genommen hat. Denn von einer "schallenden Ohrfeige" für alle Ehrenämter ist die Rede und die Neonazis sprechen von Zuständen wie in den finstersten Zeiten der Weimarer Republik.
Für diejenigen, die unter Demokratie vor allem eine spezielle Form der Verwaltung des Gemeinwesens sehen, für die muss der Abbruch der Sitzung tatsächlich schwer wiegen. Nicht ganz ohne Grund gibt es, gerade vor dem Hintergrund des Scheiterns der Weimarer Republik eine Bannmeile um Parlamente. Und es ist alles andere als abwegig Sitzungssäle von Kreistagen für demonstrationsfreie Zone zu erklären, mit der Absicht die Demokratie insgesamt zu schützen. Der Abgeordnete soll frei entscheiden und nicht durch wütende Demonstranten mit vielleicht sogar einer mehr oder minder latenten Gewaltdrohung gezwungen werden. Insofern es höchst problematisch, wenn ein Sitzungssaal polizeilich geräumt werden muss und die Tagung abgebrochen wird. Aber diejenigen die auf der Tribüne lautstark demonstriert haben, hatten nicht vor eine Entscheidung in ihrem Sinne zu verändern. Protest brandete auf, als ein Demagoge das Wort ergriff. Ziel des Protestes war es nicht gewesen für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten bei den Abgeordneten zu sorgen. Von daher mögen die Proteste gegen eine überlieferte Übereinkunft verstoßen haben, aber sie richteten sich nicht gegen den Geist einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Anders hingegen die Neonazis. Wer in einem Parlament – ganz gleich ob im Publikum oder auf dem Abgeordnetensitz - einschüchternd und aggressiv auftritt, offenbart seine Gesinnung. Sie schaffen es nicht sich in Parlamenten zusammenzureißen und liefern sich Schlägereien vor dem Gerichtssaal, wenn einer ihrer Kameraden mal wieder vor der Verurteilung steht.

Auf der anderen Seite stehen Menschen, die sich entschlossen haben mit friedlichen Mitteln einen kollektiven Regelübertritt zu unternehmen, um gegen den Skandal, dass Neonazis in den Parlamenten sitzen, zu wettern. So etwas nennt sich ziviler Ungehorsam und wird in den meisten demokratischen Ländern als nichtlegales aber dennoch legitimes Mittel angesehen.

Auch wenn der Abbruch der Sitzung ein Kollateralschaden gewesen ist: Es war richtig selbst den Zuschauerraum zu besetzen, so dass die Neonazis dort keine Dominanz ausüben konnten, es war und ist notwendig klar zu machen, dass es keine Gewöhnung an Nazis in den Parlamenten geben kann oder darf.

P.S. Eine Gewöhnung darf es aber auch nicht auf den Straßen geben. Deshalb 10.12 Greifswald – Antifademo: Zieht euch warm an!

Das Bild ist ein Filmausschnitt von Greifswald TV
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Ergänzungen

Letzte Infos...

Fischbrötchen 08.12.2011 - 01:27
Letzte Infos zur Demo und für reisefreudige Antifaschist_innen aus Berlin gibt es am 8.12 ab 20 Uhr im Projektraum H48 Neukölln.

Bild

hoskar 08.12.2011 - 18:21
Spannend hierbei ist, dass sich auch Frank Klawitter(Mitglied und Mitbegründer der inzwischen verbotenen HDJ)einmal wieder von seiner "besten Seite" zeigte; Vorne rechts im Bild; Der sonst eher die Öffentlichkeit meidende(ehemalige Führer von Greifswald) hat enge Verbindungen zur npd-führung Mv und tritt in letzter Zeit wieder häufiger aggressiv in Erscheinung...