Greifswald: (Video-)Fazit der Antifademo

Kombinat Fortschritt 19.12.2011 19:07 Themen: Antifa
Das Medienkollektiv Manfred hat seinen mit Spannung erwarteten Videoclip online gestellt. Die dreiminütige Sequenz vermittelt einen Eindruck von der antifaschistischen Demonstration in Greifswald am 10.12., als mehr als 800 Antifaschist_Innen durch die Neubaugebiete Schönwalde I und II und Teile der Innenstadt zogen. Auch wenn sich normalerweise nach einer Woche Abstand die Euphorie langsam legen könnte, dürfte die aktuelle Lesart der Ereignisse noch deutlich positiver ausfallen, als unmittelbar nach dem Event. Auch Dank der Nazis, die vor einem bisher nicht vorstellbaren Fiasko ihrer Öffentlichkeitsarbeit stehen.
Es mag etwas technisch klingen. Doch die Bewertung der Demonstration – ob sie erfolgeich war oder nicht – lässt sich anhand drei einfacher Kriterien bestimmen:

Resonanz in der Öffentlichkeit

Anzahl der Teilnehmer

Wirkung beim politischen Gegner

Selbstverständlich bedingen sich die Dimensionen untereinander. So ist das Medienecho auf die Demonstration unter anderem deswegen so groß, weil die Anzahl der Teilnehmer_Innen sich in einer entsprechenden Größenordnung bewegte. Nach Angaben der Polizei versammelten sich rund 850 Menschen zu der Demonstration, die Veranstalter_Innen sprachen von „annähernd 900.

Damit handelte es sich um eine der größten antifaschistischen Demonstrationen der letzten Jahre in MV, und es bleibt festzuhalten, dass dies eine Größenordnung ist, die auch bundesweit beachtenswert ist. Zumal die Demonstration im Osten des dünnbesiedelten Landes und noch dazu in der kleinsten der „vier großen Städte MVs“ stattfand. Zwei Dinge sind an diesem Umstand durchaus vielversprechend:

Erstens gelang die hohe Teilnehmer_Innenzahl durch die hohe Beteiligung und Unterstützung aus dem zivilgesellschaftlichen Lager. Während sich sonst antifaschistische Gruppierungen meist in langwieriger Kleinarbeit um ein breites Bündnis bemühen, hatte es den Anschein als würde es in Greifswald einen Wettbewerb darüber geben, wer unbedingt mit zu dieser Demonstration aufrufen will. Offensichtlich wird in Greifswald Antifaschismus auch als ureigenes Betätigungsfeld der Zivilgesellschaft betrachtet. Von solchen Rahmenbedingungen kann man in anderen Städten nur träumen.
Interessant auf der anderen Seite, in welchem Ausmaß die regionale und nicht zuletzt auch die überregionale Mobilisierung gelungen ist. So reisten Antifaschist_Innen nicht nur aus dem gesamten Bundesland, sondern auch aus den benachbarten Regionen und sogar von noch weiter entfernt an. Ausgehend von dem Umstand, dass die Demonstration eher kurzfristig organisiert worden ist, und nicht Bestandteil einer monatelangen Kampagne war, ist dies umso bemerkenswerter.

Von Seiten des NDR hieß es ziemlich schnell, dass die Demonstration, sofern sie groß genug ist, auch Chancen hat, in die Tagesschau aufgenommen zu werden. So kam es schließlich auch. Das eine originär linksradikale antifaschistische Demonstration dabei in einer Reihe mit eher bürgerlichen Demonstrationen anlässlich des Tages der Menschenrechte verhandelt wurde, ist dabei nicht entscheidend. Wichtiger ist, dass die Demonstration der Stärke in einem Bundesland gelungen ist, welches als eine Hochburg der rechten Szene gilt und auch ist. Neben der lokalen Aufmerksamkeit die erzeugt werden konnte, welche sich – wie bereits erwähnt – auch in der zahlreichen Teilnahme aus dem zivilgesellschaftlichen Spektrum äußerte, lässt sich die Wirkung der Demonstration am besten anhand der Reaktion der Nazis darstellen. Vielleicht lassen sich sogar einige Schlussfolgerungen ableiten, die allen Anlass bieten optimistisch ins Jahr 2012 zu blicken.

Zur Erinnerung:

Allerdings berichtete ein Busfahrer [...], dass ein Gespräch mit einem höher rangigen Beamten ergeben hätte, dass sich sehr wohl 70-80 Nazis in der Stadt aufgehalten haben sollen. Diese hätten jedoch bei der Nachricht über die Anzahl der Antifas die Flucht ergriffen.



Bis heute steht diese Aussage unwidersprochen im Raum. Allerdings wurde von Seiten der Antifaschist_Innen diesbezüglich nichts mehr nachgeliefert. Man stützt sich also nur auf die Behauptung des Busfahrers und natürlich den entsprechenden Einträgen auf Twitter, in denen die Nazis ihr kommen angekündigt haben, um dann schließlich mit Blick auf etwaige Demonstrationsberichte o.ä. komplett zu verstummen.

Zu spät, zu wenig

Diese Blamage allein ist schon groß genug. Doch außerdem brauchten die Nazis eine geschlagene Woche ((Mit dieser Formulierung spielen wir natürlich nicht auf die für die Nazis so unvorteilhaften Ereignisse am „Rostocker Umschlagbahnhof“ an )) , um auf die Demonstration zu reagieren. Mehr noch. Als Bildmaterial verwenden sie ausschließlich einen Schnappschuss aus dem Video des Medienkollektives Manfred, sowie das Demoplakat. Eigenes Bildmaterial oder auch nur irgendwelche Informationen, die nicht aus Agenturmeldungen, Blogs oder den Lokalzeitungen abgeschrieben waren, findet man hingegen nicht.Nein man ist sogar unfähig genug, die eigene nationale Berichterstattung ad absurdum zu führen: Der MuPInfo – Artikel besteht im wesentlichen aus den einfachen Satzbausteinen zu denen immer gegriffen wird, wenn man keine eigenen Erfolge oder gar Schlimmeres vermelden muss: Die bösen Gewaltbereiten, „Gutmenschen“ und Antifa Hand in Hand etc.pp., heißt es dann. Da wundert es auch nicht mehr, wenn aus einem abgebildeten Feuerlöscher auf dem Demoplakat in den Augen der Nazis gleich ein Flammenwerfer wird. Um den Gegner noch ruchloser darzustellen wird anlässlich der Auseinandersetzungen im Rostocker Hauptbahnhof versucht das Bild eines blindlings wütenden Mob zu zeichnen. So heißt es: „Auf ihrer Rückreise griffen weitere „friedliche“ Demonstrationsteilnehmer auf dem Rostocker Hauptbahnhof dann noch mehrere Personen an, die sie für „Rechte“ hielten.“



Dumm nur, dass der Twitter von 'NSGreifswald' noch vor allen Agenturen und Polizeimeldungen zu berichten wusste, dass 11 Kameraden (!) nicht nur von einem Schaffner die eine oder andere Kelle gezeigt wurde. Offensichtlich hielten die Antifaschist_Innen die Personen nicht nur für Nazis, sie waren es auch.

Anstatt also einfach bei den Fakten zu bleiben, muss alles noch einmal eine Nummer größer aufgebauscht werden. So werden die Vorwürfe gegenüber dem Bundesvorsitzenden der NPD, Holger Apfel, er habe vermutlich aufgrund der gemeinsamen Teilnahme an einer Demonstration vielleicht sogar persönliche Kontakte zu Mitgliedern der rechten Terrorzelle NSU gehabt, damit gekontert, wenn dies stimme, dann könne man auch behaupten, dass eine Landtagsabgeordnete von Bündnis90/Die Grünen sich dann ebenfalls für den Kontakt mit Antifaschist_Innen rechtfertigen müsste. Eine Nummer kleiner ging es anscheinend wirklich nicht. Die Greifswalder Antifagruppe „defiant“ in einem Atemzug mit der rechten Mörderbande zu nennen, lässt sich wohl ohne Freud kaum noch erklären.

Dem Schock und der damit verbundenen Sprachlosigkeit folgte also der untaugliche Versuch die Situation dadurch zu retten, in dem der Gegner als das ultimative Böse dargestellt wird. Aber dazu braucht man doch wahrlich keine Woche? Ganz abgesehen davon, ob es dann wirklich eine gute Idee ist, beinah zeitgleich eine klandestine Denkmalsetzung für den zum Tode verurteilten NSDAP-Gauleiter Hildebrandt zu bejubeln; auch mit Blick auf ein eventuelles Verbot der NPD zeigt sich offensichtlich, wie dünn die Personaldecke sein muss. David Petereits Doppelbelastung – Landtag und MuPInfo – scheint sich auf die auf seinen Namen angemeldete Seite auszuwirken, die kaum für mehr als als Ablagefläche für NPD-Pressemitteilungen dient.

Neben den eigenen Unzulänglichkeiten kommt auch noch die völlige Unterschätzung des antifaschistischen Spektrums hinzu. Doch nicht nur die erfolgreichen Proteste am 1. Mai in Greifswald, auch die kraftvolle Kampagne „Wake up – Stand Up“ sollten eigentlich klar gemacht haben: Das war ernstgemeint. Zieht euch warm an.
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Ergänzungen

Ergaenzung

Lt.R.SPiers 20.12.2011 - 11:33
Erwaehnenswert finde ich auch, dass die Polizei nach der Auswertung lediglich von 15 Angreifern und von 11 Nazis spricht.
Also Zaehlen scheint nicht so die Staerke der ostdeutschen Kameradschaften zu sein.

Erbsenzählerei

HGWlerin 20.12.2011 - 13:21
Nur so zur Ergänzung des Artikels:

Greifswald ist die kleinste der 5 größten Städte in MV.
In Reihenfolge nach Einwohner*innenzahl : Rostock, Schwerin, Neubrandenburg, Stralsund, Greifswald.
Musste mal gesagt werden.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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passt — passend gemacht

bert und — erni

Faschismus — Joerg

trolle — waren schon mal besser

Trolle füttern — Zacharias Karl Mehmet Spartacus Junior

@jörg — blub