HH: Moorburgtrasse vorläufig gestoppt

Paul aus Altona 15.12.2011 12:01 Themen: Soziale Kämpfe Ökologie
Nach allem, was wir dazu in der Öffentlichkeit hören, ist Vattenfalls Fernwärmeleitung, zumindest in der Variante von Moorburg bis zum Haferweg, also die Moorburgtrasse vom Tisch.
Statt im Papierkorb, bzw. im Reißwolf sind die Pläne erstmal in der Schublade gelandet. Aber es dürfte sehr schwer sein, sie dort wieder herauszuholen.
Am 29.11. hat Hamburgs Bürgermeister Scholz zusammen mit den zuständigen SenatorInnen Blankau und Horch sowie den Vorständen von Vattenfall und e.on verkündet „Hamburg schafft die Energiewende“. Vorgestellt wurden dazu Auszüge aus der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Senat und den ansässigen Energiekonzernen.

Die bisher bekannt gewordenen Details beinhalten dabei durchaus etliche sinnvolle Einsichten bzw. Vorhaben. Das greifbarste und bedeutendste ist: Die Moorburgtrasse soll nicht mehr gebaut werden, das alte Heizkraftwerk Wedel dennoch perspektivisch abgeschaltet, jetzt aber durch ein effizientes Gas und Dampf -Kraftwerk ersetzt werden.

Auf der anderen Seite begnügt sich demnach die Stadt mit 25,1% Anteilen an ihren eigenen Energienetzen. Die enorme Chance für Hamburg durch die Volksinitiative „Unser Hamburg – unser Netz“ wird zurück gewiesen und stattdessen werden die Atom- und Kohlekraft- Multis weiter bedient. Z.B. wird Vattenfall das lukrative Fernwärmemonopol für alle Zeiten zugesichert. Die genauen Vertragsunterlagen bleiben bis auf weiteres geheim.

„Moorburgtrasse wird nicht mehr gebaut“

...so wurde es jetzt von Vattenfall und Bürgermeister verkündet, wobei sich Vattenfall jedoch auch 2 Hintertürchen offen gehalten hat.

Hintertürchen Nr.1: Dann, wenn der Volksentscheid von Unser Hamburg – Unser Netz in 2013 Erfolg haben sollte würde die gesamte Kooperationsvereinbarung und ausdrücklich auch die Stornierung der Trasse aufgehoben werden.
Hintertürchen Nr.2: Sollte sich das sog. Innovationskraftwerk (GuD), das nun stattdessen die Wärme für den Hamburger Westen produzieren soll „nicht rechnen“ wäre das ebenso ein Grund, die Moorburgtrasse als Option erneut zu ziehen.

Von daher wird auch das ohnehin schon ziemlich absurde Planfeststellungsverfahren weiter geführt – trotz anders lautender Absichtserklärungen der Entscheidungsträger.

Man bedenke: Die eigentlich unabhängige hamburger Umweltbehörde soll u.a. darüber befinden, ob die Moorburgtrasse eine „alternativlose Projektierung im eindeutig öffentlichen Interesse“ ist. Nur damit begründet ließen sich über 4.700 Einwendungen von Umweltverbänden, AnwohnerInnen, betroffenem Gewerbe, u.a. der Hamburger Traditionswerft Blohm + Voss und anderem zurückweisen...

Protest und Widerstand haben sich aber scheinbar gelohnt, denn

Trotz Weiterführen des Verfahrens und trotz der Hintertürchen, die Vattenfall sich offen lässt: Nach dieser eindeutigen Absichtserklärung vom Bürgermeister Scholz wäre eine Wiederauflage der Trassenplanung nicht vermittelbar und in den betroffenen Stadtteilen mal mindestens äußerst schwer durchsetzbar.

Das ist natürlich ein großer Erfolg für AnwohnerInnen und AktivistInnen aus St.Pauli und Altona, die sich in den letzten Jahren in sehr vielfältiger Weise gegen die Projektierung gestellt haben. Über einen Zeitraum von fast 3 Jahren gab es gegen Vattenfalls Pläne unzählige Aktionen von AnwohnerInnen, Baumbesetzungen von AktivistInnen aber auch eine beharrliche Überzeugungsarbeit und breite Bündnisschaffung der Initiative und schließlich eine konsequente Unterstützung durch den BUND sowie offensichtlich gute AnwältInnen auf Seiten der WiderständlerInnen.

Hinzu kam auch eine brisante Mischung bei den Rahmenbedingungn:

•Durch die 4.700 Einwendungen und zu letzt beim Erörterungstermin (im Rahmen der sog. "Bürgerbeteiligung") wurde deutlich, dass die Baustelle unmittelbar 1000ende von AnwohnerInnen massiv betroffen gemacht hätte. Und das in Stadtteilen, die ohnehin hoch belastet sind, in denen die Leute auch von der um sich greifenden Wohnungsnot und Gentrifizierung besonders hart betroffen sind.

•Die Stadtteile Altona und St.Pauli haben bereits ohne eine Vattenfall –Mega -Baustelle aus vielen guten Gründen ein hohes Niveau an Protesten erreicht, insbesondere auch durch das Recht auf Stadt – Netzwerk beflügelt.

•Eine ökologische Rechtfertigung für das Projekt gab es nie. Doch zunehmend haben viele AnwohnerInnen die fernwärmetrasse als Teil des ungeliebten Kohlekraftwerks gesehen und nicht mehr geglaubt, daß es sich dabei etwa um „saubere Fernwärme“ handelt.

•Durch die in Hamburg sehr erfolgreiche Volksinitiative „Unser Hamburg – Unser Netz“ gibt es eine breit geführte Diskussion in der Stadt, wie es ganz konkret vor Ort aussieht: Bei den Energienetzen, bei der Fernwärmeversorgung...

•Vattenfall hat obendrein „hart dran gearbeitet“ zum Inbegriff eines skrupellosen Konzerns schlechthin zu werden – siehe Krümmel, Brunsbüttel, Lausitz (Braunkohle), aber auch Moorburg. Das hat natürlich auch in Hamburg erheblich polarisiert.

Scheinbar haben alle diese Umstände zusammen für Vattenfall und den Senat die Risiken bei einer Umsetzung immer unkalkulierbarer gemacht – zumal sich das politische und gesellschaftliche Spektrum des Protestes offensichtlich nicht in eine der üblichen Schubladen einordnen ließen.

Der erfolgreiche Protest hat jetzt viele dennoch überrascht, schließlich sollte die 300 Mio.€ teure Baustelle schon im nächsten Frühjahr beginnen und es ist in Hamburg gar nicht üblich, daß derartige Großvorhaben von mächtigen Investoren dann noch abgeblasen werden. Das freut die AktivistInnen und AnwohnerInnen natürlich umso mehr. Auch, wenn die Freude keineswegs ungetrübt ist. Denn..

...die sog. Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und Vattenfall enthält auch dicke Weihnachtsgeschenke für den Energieriesen.

Die vermeintlichen „Zugeständnisse“ hat sich Vattenfall teuer bezahlen lassen - diesmal besonders gut verpackt und dennoch in der „Kooperationsvereinbarung“ offensichtlich:

•Das Anliegen von Unser Hamburg – Unser Netz für eine echte Kommunalisierung wird mit Rückendeckung durch den Senat abgewiesen. Stattdessen behalten Vattenfall und E-on mit knapp 75% Anteilen an den Energienetzen den wesentlichen Zugriff auf alle Entwicklungen, sowie weiterhin „satte Gewinne“.

•Bei den Stromnetzen bedeutet das den Erhalt des Status „Grundversorger“ für Vattenfall, damit Kundenbindung und weiterhin dominierende Marktbeherrschung.

•Bei der Fernwärmesparte sichert die Vereinbarung Vattenfall die Weiterführung des de -facto Monopols zu. Die Stadt bekommt von den jährlich 140 Mio. € Gewinn gerade mal zugesicherte 4,5% Rendite (auf die 25% angestrebte Anteilsübernahme). Davon wird dann vor allem die Zinslast getragen werden.

•Der Zugang für dezentrale, erneuerbare Wärme von anderen Produzenten, oder auch industrieller Abwärme in das Vattenfall -Fernwärmenetz ist wenn überhaupt nur in Einzelfällen vorgesehen und wird von Vattenfall bestimmt, nicht von einer unabhängigen Regulierungsstelle.

Und das Kohlekraftwerk Moorburg soll (sowieso) trotzdem ans Netz gehen.

Ein Teil der Vereinbarungen bezieht sich auch auf das im Bau befindliche Kohlekraftwerk in Moorburg. Weitere wesentliche Passagen dürften sich im geheimen Vertragsteil finden.

Das Kohlekraftwerk Moorburg selber wird in der „Hamburg schafft die Energie-wende“ – Vereinbarung an sich ausdrücklich nicht in Frage gestellt. Die vorgestellte ökologische Leitlinie der Vereinbarung orientiert sich zwar auch an den Anforderungen zur CO2 – Verminderung. Sie lässt aber andererseits den Hauptverursacher in der so geplanten Zukunft außen vor, und ist stattdessen sogar bemüht diesen abzusichern.

Moorburg würde allerdings durch eine Aufgabe der Trassenprojektierung den Status „Kraftwärmekopplung“ verlieren. Das hätte wiederum unabsehbare finanzielle und möglicherweise sogar genehmigungsrechtliche Konsequenzen.
So muss z.B. ein Kohlekraftwerk ohne Wärmeproduktion dann herunter gefahren werden, wenn in der Region ausreichend regenerativer Strom aus z.B. Windkraft erzeugt wird. Eines mit gleichzeitiger Wärmeproduktion hingegen nicht.

Deswegen wird dann auch der Süderelberaum als mögliches neues Fernwärmegebiet für Moorburg „geprüft“. Für den Stadtteil Wilhelmsburg gibt es auch schon länger die Vorplanung und bei einem nun vereinbarten Wegfall der „Altonatrasse“ wird diese „Wilhelmsburgtrasse“ für Vattenfall wohl nun im Rahmen der Vereinbarung aus dem „Schläferstatus“ heraus aktiviert.
Aber auch dort werden erhebliche Proteste nicht ausbleiben

Die Initiative "Moorburgtrasse-stoppen" betont denn auch, daß sie weiter gegen das im Bau befindliche Kohlekraftwerk in Moorburg arbeiten wird und versuchen will "dieses so lange zu schwächen, bis es letztlich als Industrieruine endet".
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Ergänzungen

Prozess wegen Cyclassics

ACAB 19.12.2011 - 16:03
am kommenden Dienstag hat Christian von Robin Wood am Hamburger Amtsgericht um 11:15 Uhr
einen Prozess. Ihm wird vorgeworfen eine Polizeibeamtin in ihrer Ehre
verletzt zu haben, indem er ein Sicherstellungsprotokoll mit "ACAB"
unterschrieben hat.

Hintergrund der Geschichte ist die fehlgeschlagene RoWo-Kletteraktion im
Rahmen der Vattenfall Cyclassics, bei der Christian von
Hamburger Polizisten widerrechtlich verhaftet sowie misshandelt worden ist.

Christian dazu:
Natürlich werde ich auch diesen Prozess mal wieder selbst führen und
offensiv gegen diesen Tatvorwurf vorgehen...
Damit ich nicht völlig alleine dort bin, wäre es schön wenn ihr
zahlreich erscheinen würdet.
Ihr dürft natürlich mit allen möglichen 'ACAB'-T-Shirts und/oder anderen
Utensilien kommen.
Die Einlasskontrollen beschränken sich ausschließlich auf technische Geräte.


Dienstag, 20.12.2011, 11:15 Uhr, Raum 192
Sievekingplatz 3, 20335 Hamburg (Strafjustizgebäude)
--> U2 bis Messenhallen (5 Minuten Fahrzeit vom HBf.)

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vattenfail 19.12.2011 - 16:04