Kaum Überraschungen - Die NPD-KandidatInnen

Kombinat Fortschritt 23.08.2013 13:05 Themen: Antifa
Am 22. September finden die Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag statt. Auch die NPD ist wieder mit von der Partie. Der Neonazi-Wahlkampf ist Mecklenburg-Vorpommern bereits in vollem Gange. Mit großem Gerät fährt der hiesige Landesverband gegenwärtig in vielen Städten des Landes auf. War die NPD in den letzten Wochen vor allem durch ihre rassistische Mobilmachung und Hetze im Rahmen der von ihr sogenannten „Asyltour“ präsent, wirbt die Partei mittlerweile zusätzlich mit populistischen Anti-Euro-Statements im Rahmen der „Deutschlandtour“ für ihre Anliegen und ihre 14 Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl.

Update: Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen u.a. wegen Landfriedensbruch gegen mehrere NPDler, darunter auch der NPD-Abgeordnete Tino Müller eingeleitet. Mehr am Ende des Artikels. 

Die Liste der aufgestellten Direktkandidaten hält keine großen Überraschungen bereit; einzig das Fehlen Normen Schreiters und David Petereits auf der von der Partei im November letzten Jahres veröffentlichten Wahlliste fällt auf. Bis auf Schreiter sind alle Direktkandidaten Abgeordnete auf Landtags- beziehungsweise Kreistagsebene.

Für den Wahlkreis 12 (Schwerin – Ludwigslust-Parchim I – Nordwestmecklenburg I) tritt der frühere Bundeswehrangehörige und stellvertretende Bundesvorsitzende Udo Pastörs an. Der einstige Partei-Thronanwärter erfreut sich großer Beliebtheit innerhalb des gesamten Neonazispektrums. Jüngst warf Thomas Nowak, der bereits seit Jahren der Rostocker Neonaziszene angehört und Aktivist der NPD-Jugendorganisation JN ist, die rhetorische Frage auf: „Wer braucht schon einen Apfel oder Voigt, wenn man einen Pastörs haben kann!“. Pastörs Beliebtheit kommt nicht von ungefähr: Von der „seriösen Radikalität“ seines sächsischen Pendants Holger Apfel scheint der Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion nicht viel zu halten, sieht er sich aufgrund seiner Äußerungen im Parlament oder bei Aufmärschen doch immer wieder mit Strafverfahren konfrontiert, die in den Augen der Neonazis seine Radikalität und Systemopposition belegen. Weniger eloquent zeigte sich Pastörs jedoch, als er bei einer Kundgebung in Rostock seine Rede unterbrechen musste, nachdem er von einem Ei getroffen worden war.

Zusammen mit den Direktkandidaten Stefan Köster (Wahlkreis 13, Ludwigslust-Parchim II – Nordwestmecklenburg II – Landkreis Rostock I), Michael Andrejeweski (Wahlkreis 15, Vorpommern-Rügen – Vorpommern-Greifswald I) und Tino Müller (Wahlkreis 16, Mecklenburgische Seenplatte I – Vorpommern-Greifswald II) ist bis auf den Multifunktionär David Petereit die gesamte Landtagsfraktion vertreten. Im Gegensatz zu Pastörs weiß das ehemalige Wiking Jugend-Mitglied und aktueller Landesvorsitzender der NPD-MV Köster bei Reden nicht zu überzeugen. Trotz seines fehlenden Charisma ist Kösters bereits seit 2004 Parlamentarier auf Kreistagsebene. Größere Aufmerksamkeit wurde ihm zuteil, als er im selben Jahr auf eine am Boden liegende Antifaschistin eintrat.

Nicht im handfesten Sinne, jedoch in Wort und Schrift kann der Anklamer Provinzanwalt Andrejewski als geistiger Brandstifter der Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen bezeichnet werden: Als Mitglied der „Hamburger Liste für Ausländerstopp“ zeichnete er 1992 für kurz vor dem rassistischen Pogrom in Rostock-Lichtenhagen vor Ort verteilte Flyer verantwortlich. Seine Tätigkeit als Rechtsanwalt wird auch innerhalb seiner eigenen Szene eher belächelt - trotz oder vielleicht auch aufgrund der Tatsache, dass er für sein Jurastudium insgesamt 20 Jahre benötigte - und dürfte nur für Neonazis mit schmalerem Geldbeutel eine Alternative sein.

Mit dem auf Demonstrationen gerne als Trommler auftretenden Tino Müller tritt im Wahlkreis 16 ein neonazistischer Multifunktionär an. Der gelernte Maurer hat zahlreiche kameradschaftsähnliche Zusammenschlüsse aufgebaut. Vor seiner ersten Kandidatur zur Bundestagswahl 2005, damals noch parteilos, engagierte er sich in der rassistischen Initiative „Schöner und Sicherer Wohnen in Ueckermünde“, dem völkischen Traditionsverein „Heimatbund Pommern“ und der Kameradschaft „National-Germanische Bruderschaft“. Angesichts seiner privaten Lage mag seine Tätigkeit als Sprecher für „Familien und Arbeitnehmerfragen“ ein wenig verwundern – mit seiner Ehefrau und den Kindern lebe er nicht mehr zusammen, heißt es aus dem Wohnumfeld.

Vollkommen unverständlich ist die Aufstellung Normen Schreiters als Direktkandidat für die Bundestagswahl im Wahlkreis 14 (Rostock – Landkreis Rostock II). Schreiter muss wohl als Notnagel für die Partei angesehen werden, nachdem sich mit dem durch seine NSU-Verstrickungen erneut in die Schlagzeilen geratenen David Petereit auch der letzte Kader aus dem Rostocker Raum unmöglich gemacht hat. Auch einen Listenplatz bekam Letzterer nicht. Bei der Kommunalwahl 2009 erhielt Schreiter 0,1% der Stimmen und sitzt mittlerweile nach nunmehr drei ausgeschiedenen NPDlern als Nachrücker in der Bürgerschaft der Hansestadt und im Ortsbeirat des Stadtteils Toitenwinkel. Während er bei Aufmärschen, Kundgebungen und Versammlungen des Ortsbeirates nie anzutreffen ist, posiert er im Internet wahlweise mit Baseballschlägern, Pullovern mit der Aufschrift „Spezialist für Körperverletzung“ und KameradschaftsaktivistInnen. Einzig in der Zeit, als er als Verkäufer im Rostocker Neonaziladen „East Coast Corner/Dickkoepp“ arbeitete, war Schreiter verstärkt wahrnehmbar. So war er im April 2009 an der Störung einer Infoveranstaltung von Endstation Rechts in Rostock beteiligt und zwei Monate zuvor bereits als Mieter eines städtischen Jugendclubs für eine Rechtsrockparty aufgefallen.

Als „jung und ambitioniert“ wird der Vorsitzende der NPD-Kreistagsfraktion Mecklenburgische Seenplatte und Kandidat für den Wahlkreis 17 (Mecklenburgische Seenplatte II – Landkreis Rostock III) Hannes Welchar beschrieben. Besonders ambitioniert zeigte sich Welchar auch, als er im Dezember 2008 einem vermeintlichen Neonazi-Gegner die Nase brach. Ein Gerichtsverfahren wegen Körperverletzung im Jahr 2010 und der Rausschmiss aus dem lokalen Fußballclub TSV Friedland waren die Folge. Welchar ist Teil des Bundesordnerdienstes der NPD, einer parteieigenen „Schutztruppe“, die nach eigenem Rechtsempfinden vorgibt, Veranstaltungen zu sichern. Dabei treten die „Ordner“ oftmals auch gewalttätig in Erscheinung, wenn sie Gegendemonstrierende und JournalistInnen angreifen, so jüngst auch in Greifswald.

Bezogen auf die Kandidaturen zur Bundestagswahl 2009 lassen sich somit keine großen Veränderungen feststellen. Einzig die Besetzung der immer wieder vakanten Kandidatur für Rostock und Umland scheint der NPD nicht sonderlich leichtzufallen. Anfang diesen Jahres trat der ehemalige Landtagsabgeordnete Birger Lüssow von seinem Amt in der Rostocker Bürgerschaft zurück. Bedenken, dass der Austritt Lüssows vorzeigbaren Personen den Weg ebnen könnte, erwiesen sich als unhaltbar: Die Nachrücker Normen Schreiter und Thomas Jäger sind, wie schon Lüssow, alles andere als hochkarätige Kandidaten und bleiben bei ihren Aktivitäten in der Bürgerschaft weit hinter Vorgänger David Petereit zurück.

Ein wenig mehr Umschwung gab es da schon bei der Wahlliste. Doch obwohl die NPD eigens kommunalpolitische Schulungen zur Rekrutierung neuer Kader durchführte, scheint die Ausschussrate dabei derart üppig auszufallen, dass sich auch hier in erster Linie nur bereits in Parlamenten arbeitende Personen finden.

Wie auch bei den Direktkandidaten finden sich viele alteingesessene NPDler wie der Bad Doberaner Kreistagsabgeordnete Dirk Susemihl (Platz 5), der Stralsunder Dirk Reinhard Arendt (Platz 7) und der wegen Verstoß gegen das Waffengesetz vorbestrafte Marko Zimmermann (Platz 10) auf der Liste.

Vor dem Neustrelitzer Stadtvertreter Zimmermann befindet sich auf Platz 9 Kristian Belz. Belz betrieb den Strasburger Neonazikonsum „Youngland“, benannt nach der gleichnamigen kalifornischen „Blood & Honour“-Band.

Regelmäßig als Ordner tauchen Marko Müller (Platz 4), der wegen Sprengstoffbesitz vorbestrafte Andreas Theißen (Platz 8) und, abgeschieden auf Platz 11, der Eggesiner Stadtvertreter Mathias Panhey auf. Während sich Marko Müller jüngst bei einer Kundgebung in Rostock nicht sonderlich souverän präsentierte, sind Stadtvertreter Panhey und Kreistagsabgeordneter Theißen deutlich engagierter bei der Umsetzung parteieigener Regeln für den Umgang mit der Presse. Theißens Ordnertätigkeit brachte ihm eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung ein: Erbost über die Präsenz von Presse und AntifaschistInnen, die spontan mit zur „Wahlkampfparty“ der NPD 2006 im Hotel „Pampower Hof“ bei Schwerin erschienen, griff er einen Kameramann des NDR an.

Auf Platz 6 ist mit Marianne Pastörs die einzige Frau vertreten. Die Diamantgutachterin sitzt gegenwärtig für die NPD im Kreistag Ludwigslust-Parchim und ist die Vorsitzende des Landesverbandes des Rings Nationaler Frauen (RNF). Die „First Lady“ ist aber nur selten an der Seite ihres Mannes bei Aufmärschen anzutreffen.

Abseits der NPD treten alle anderen Parteien des rechten Spektrums ebenfalls an. Ergebnisse oberhalb von 1% für die Republikaner und Pro Deutschland sind in M-V aber unwahrscheinlich, die NPD ist ganz klar der rechte Platzhirsch. Eine nennenswerte Verankerung der beiden Parteien gibt es nicht, Veranstaltungen finden außerhalb des Wahlkampfes nicht statt. Für die Alternative für Deutschland (AfD), die jüngst unter der Führung des früheren Radiomoderators Leif-Erik Holm einen eigenen Landesverband gegründet hat, wird das Ergebnis auch bundesweit mit Spannung erwartet. Engagiert zeigten sich die AfDlerInnen allerdings schon: Vielerorts waren sie die ersten, die ihre Plakate aufhingen.

Personell bleiben bei der NPD größere Überraschungen aus. Nach den Stimmverlusten bei der letzten Landtagswahl 2011 bleibt abzuwarten, ob es ihr gelingt, einen Stimmenzuwachs im Vergleich zu den letzten Bundestagswahlen zu erringen. Auch bedingt durch die Neuordnung der Wahlkreise wäre es aber insbesondere in Vorpommern nicht überraschend, wenn die Partei ihre Ergebnisse ausbauen kann. Durch den Wegfall eines Wahlkreises fallen nun z.B. die Neonazihochburgen des alten Uecker-Randow-Kreises und Usedoms in denselben Wahlkreis. Ob und wie sich dies auswirken wird, bleibt abzuwarten. Am 22. September ist es soweit.

Update, 23.8.:

In linken Kreisen wurde bereits kurz nach einem Überfall letzte Woche in Greifswald gemunkelt, dass NPDler dabei gewesen seien. Etwa 15 bis 20 Neonazis hatten sich nach einer Plakatierrunde mit drei Transportern vor einem Wohnhaus vermummt und bewaffnet aufgebaut und die BewohnerInnen bedroht. Dabei hatten sie auch die Scheiben der Eingangstür zerschlagen. Daniel Ohm, der NPD-Vertreter in der Stadt Usedom, solle dabei gewesen sein hieß es. Dies bestätigte sich nun: Wie der Nordkurier berichtet, hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Insassen der drei Transporter eingeleitet, darunter der NPD-Landtagsabgeordnete Tino Müller, dessen Bruder Marko, der NPD-Fraktionsgeschäftsfüher im Kreistag der Mecklenburgischen Seenplatte Norman Runge sowie eben jener Daniel Ohm.

Dabei zeigt sich wieder, dass auch die vermeintlich etablierteren Neonazis, die öffentliche Gelder aus ihren Positionen in den Parlamenten beziehen, keineswegs vor Gewalt zurückschrecken, solange sie sich unbeobachtet fühlen. Gewalttätige Übergriffe auf Wohnhäuser vermeintlicher Gegner, Zerstörungen von Plakaten aller demokratischen Parteien im großen Stil – auch wenn sich die NPD keine Chancen auf einen Einzug in den Bundestag ausrechnen kann und ein Parteiverbot längst nicht vom Tisch ist, agieren die Fußtruppen alles andere als eingeschüchtert. Die Partei und ihr Personal sind und bleiben gefährlich, nicht nur in den Parlamenten.

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Ergänzungen