Kiel: Antifa-Fahrradtour geht an die Substanz

Andy Substanz 01.09.2013 22:25 Themen: Antifa Repression
+++ Antifaschistische Fahraddtour im Rahmen der Kampagne “An die Substanz!” macht Station an Objekten der rechten Geschäftswelt in Kiel +++ Überraschungsaktionen beim “Heilcentrum Pless”, “Support-Wear” und “PLS-Werkzeuge” +++ Polizei dreht zwischenzeitlich frei und kesselt Fahradfahrer_innen auf Eichhof-Friedhof +++ Positive wie negative Reaktionen auf die Präsenz der Antifaschist_innen +++
Am frühen Abend des gestrigen Donnerstags, den 29. August 2013, führten Antifaschist_innen im Rahmen der Kampagne “An die Substanz! Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!” eine Fahrradtour im Kieler Stadtgebiet durch und machten Station an insgesamt drei Objekten, die sich der rechten Geschäftswelt zurechnen lassen. Im Fokus öffentlichkeitswirksamer Aktionen standen das “Heilcentrum Pless” in der Innenstadt, der “Support-Wear”-Versand in Mettenhof und “PLS-Werkzeuge” in Gaarden.

Die Auftaktaktion der Tour fand beim renommierten “Heilcentrum Pless” am Kleinen Kuhberg statt. Betreiber der politisch unscheinbaren und etablierten Heilpraxis ist der seit Jahrzehnten aktive Protagonist des bundesweiten völkischen Neonazismus Henning Pless, der in den 1990ern z.B. Vorsitzender der mittlerweile verbotenen “Heimattreuen Deutschen Jungend” war und sich bis heute in Kreisen der Vordenkerschaft und Publizistik der völkischen Rechten im Umfeld des Martensrader Großverlegers Dietmar Munier sowie im Bereich des Gebietsrevisionismus engagiert.

Nachdem kritische Medien und antifaschistische Initiativen die neonazistischen Hintergründe Henning Pless’ bereits mehrfach thematisiert hatten, wurde dieser nun erstmalig Ziel antifaschistischer Proteste in und im Umfeld seiner Praxis. Gegen 16.30 Uhr betrat eine Delegation des “Vereins zur Schließung neonazistischer Infrastruktur in SH” die Praxis, um Henning Pless für besondere Leistungen im Laufe seiner langjährigen Karriere im braunen Netzwerk zu ehren und ihm eine entsprechende Urkunde zu überreichen. Nachdem seine Vorzimmerdame auf das Gesuch, den Praxisbetreiber persönlich anzutreffen, zunächst auf einen Termin pochte, sich die Delegation ob des gewünschten Überraschungseffektes aber nicht einfach abwiegeln lassen wollte, erschien Pless selbst tatsächlich im öffentlichen Bereich der Praxis. Obwohl dieser eine kurze Zeit um Professionalität bemüht schien, verweigerte er sich dann zur Enttäuschung der Delegierten doch der Urkundenübergabe, hielt seine Sekretärin zum Polizeiruf an und verschwand hektisch in einem Hinterzimmer. Die Urkunde wurde trotzdem nebst zahlreicher Flugblätter in der Praxis zurückgelassen. Zwei anwesende Kundinnen, denen die politischen Hintergründe Pless’ bis dahin offenbar nicht bekannt waren, zeigten sich interessiert an der neuen Erkenntnis.

Zeitgleich zum Besuch in der Praxis hielten etwa 25 Aktivist_innen vor der Praxis eine Kundgebung ab und verteilten Flugblätter, die auch die Nachbarschaft des “Heilcentrum Pless” über die Hintergründe der zeitlich parallel erfolgten unrühmlichen Ehrung informierte. Erst an deren Ende erschien die alarmierte Polizei, die sich in Anbetracht ihrer Unterbesetzung zu diesem Zeitpunkt jedoch noch zurückhielt. Sie begnügte sich damit, einen größeren Pulk Radfahrer_innen zu verfolgen, der sich nach planmäßiger Beendigung der Aktion gemeinsam vom Ort des Geschehens entfernte.

Dass es dabei nicht bleiben sollte, zeichnete sich bereits ab, als die Einsatzfahrzeuge, die die mutmaßlichen vorherigen Kundgebungsteilnehmer_innen nicht ohne Mühen versuchten im Blick zu behalten, sich vermehrten und sogar eine Zivilstreife durch den Schrevenpark rollte, während die Radfahrer_innen ihren Weg unbeeindruckt fortsetzten. Die kurzzeitige Ruhepause vor dem staatlichen Überwachungsdrang, die sich einstellte, als die Reisegruppe den autoberuhigten Eichhof durchquerte, kam abrupt zu einem Ende, als eine weitere herbeieilende Besatzung Bereitschaftspolizist_innen in letzter Minute mit einem nicht ungefährlichen Einparkmanöver, das kaum der Straßenverkehrordnung entsprochen haben dürfte, den Friedhofsausgang Kronshagen kurzerhand zuparkte und einen Teil der Fahradfahrer_innen am passieren hinderte. Anschließend wurden etwa ein Dutzend Radfahrer_innen auf dem Friedhofsgelände hektisch eingekesselt, ihre Personalien überprüft und fotografiert. Dies wurde nachträglich mit einem vermeintlichen Hausfriedensbruch in der “Heilpraxis Pless” begründet. Auch hier ist überaus fragwürdig, wie der offensichtlich völlig konfuse Einsatz mit der Friedhofsordnung, genauso wie mit dem kirchlichen Hausrecht zu vereinbaren ist. Gleichsam unverschämte wie absurde Drohungen von Polizist_innen gegenüber einer Betroffenen, die in Begleitung ihres Kindes unterwegs war, dieser das Sorgerecht nehmen zu wollen, taten ihr übriges, um den Einsatz selbst unter Berücksichtigung diverser negativer Erfahrungswerte mit der Kieler Polizei als völlig maßlos bewerten zu müssen. Nach Abwicklung der Überprüfungen drohte die Polizei mit Ingewahrsamnamen, falls “ähliche Vorfälle sich wiederholen würden”, verzichtete aber auf eine weitere Verfolgung der Radfahrer_innen.

Nichtsdestotrotz kam es gegen 18 Uhr zu einer weiteren antifaschistischen Aktion gegen einen Kieler neonazistischen Gewerbetreibenden. Vor einem Mehrfamilienhaus im Göteborgring im Stadtteil Mettenhof wurde vor der Privatwohnung des langjährigen Neonazis Matthias Kussin, vormals Lehnecke, eine Kundgebung abgehalten. In einem Redebeitrag und auf verteilten Flugblättern wiesen etwa 20 Antifaschist_innen darauf hin, dass dieser von gleicher Adresse aus, u.a. mit dem Mailorder “Support-Wear”, die Neonazi-Szene mit einschlägigen Klamotten, Tonträgern und sonstigen Accessoires versorgt. Hier war die Resonanz sowohl der Passant_innen, als auch im daneben liegenden Imbiss und von Nachbar_innen auf den angrenzenden Balkons durchweg positiv, was sich durch Applaus und in Gesprächen äußerte. Das braune Business in der Nachbarschaft schien auch hier bisher weitestgehend unbekannt gewesen zu sein. Der Besuch bei Kussins “Support-Wear” konnte ungestört und planmäßig beendet werden und die Beteiligten verließen geschlossen per Rad die Gegend.

Als dritte und letzte Station wurde etwa eine Stunde später der Laden von “PLS-Werkzeuge” am Vinetaplatz in Gaarden angefahren, das bisher wohl prominenteste und am ausgiebigsten thematisierte Kieler Beispiel für Geschäfte mit Verwicklungen in die rechte Szene. Das Geschäft vor allem für Bewaffnung und Einbruchswerkzeuge existiert in dieser Form seit Dezember 2012 und wird betrieben von Alexander Hardt aus Neumünster, der im Laufe des letzten Jahrzehnts durch seine Aktivitäten im militanten Kameradschaftsspektrum zunächst in Ostholstein und seit einigen Jahren in Neumünster als Neonazi bekannt geworden ist. Zuletzt gehörte er zum Umfeld des dortigen Szenetreffpunkts “Club88″ und tritt seit längerem zudem als Mitglied der Rockergang “Bandidos” auf. Zu seinen Mitarbeitern zählen desweiteren die Kieler Neonazis Timo Räwel und Tobias Schulz, die bereits im Zusammenhang mit den zunehmend inaktiven “Freien Nationalisten Kiel” aufgefallen sind. Der Laden stand in diesem Jahr bereits wiederholt im Fokus von antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit, Straßenprotesten und anderen Aktionen, die das Ziel der Schließung des Ladens im durch Migration geprägten Stadtteil verfolgten.

Nachdem wiederum etwa 20 Aktivist_innen mit Fahrrädern auf dem Vinetaplatz Halt gemacht hatten, wurden vor dem geschlossenen Laden ein Transparent entrollt, ein Redebeitrag verlesen und Flugblätter in der belebten Umgebung verteilt. Währenddessen wurden zudem zahlreiche antifaschistische Aufkleber an der Ladenfassade angebracht. Im Laufe der Kundgebung kam es wiederholt zu Unmutsbekundungen in Richtung der Antifaschist_innen, die zunächst noch als Ausdruck eines allgemeinen Ordnungsfetischismus ob der Stickeraktion eingeordnet werden konnten, sich jedoch in der anschließenden Dynamik schnell mit Sympathiebekundungen für die Ladenbetreiber vermischten. Diese Situation verdeutlichte recht unschön, was gleichzeitig in dem Redebeitrag thematisiert wurde. Nämlich, dass es Hardt und seinem Umfeld bei Teilen seiner Nachbarschaft durchaus gelungen ist, sich durch Zurückhaltung und teils Leugnung ihres nachweisbaren rechten Backgrounds als freundliche und vertrauenswürdige Geschäftsleute zu etablieren. Dass dies freilich nicht überall der Fall ist, zeigten andere Reaktionen, die gestern jedoch leider nicht zu den lautstärksten gehörten.

Nachdem sich die Aktivist_innen nach Beendigung der Aktion wieder entfernt hatten, rollten umgehend vier Wagenbesatzungen Polizist_innen an, die einzelne vermeintliche Antifaschist_innen über den Vinetaplatz jagten, wobei sie teils von Aktiv-Bürger_innen unterstützt wurden, und anschließend wahllose Personenkontrollen durchführten. Auch zwei offenbar alarmierte und sichtlich wütende, zum Laden gehörige, Neonazis, darunter Schulz, trafen einige Zeit später vor Ort ein und begannen mit der Beseitigung der antifaschistischen Zurücklassungen an ihrer Fassade.

Insgesamt kann die antifaschistische Fahrradtour als Auftaktaktion der “An die Substanz!”-Kampagne als gelungen bewertet werden. Insbesondere die Präsenz bei den bisher aktionistisch unbehelligt gebliebenen neonazistischen Gewerbetreibenden Pless und Kussin dürfte seine Wirkung nicht verfehlt haben. Ihnen wird die Erledigung ihres Geschäftsbetrieb nun wohl ungleich weniger entspannt von der Hand gehen als zuvor, wo sie aus der Anonymität agieren konnten und nicht mit unerwünschtem Besuch rechnen mussten. Die Erfahrungen am Vinetaplatz haben dagegen das bestätigt, was Antifaschist_innen seit jeher befürchtet und in der letzten Zeit verstärkt beobachten konnten: Dass sich “PLS-Werkzeuge” mitten in Gaarden eben nicht nur Feinde gemacht hat, was die Betreiber vor allem ihrer opportunistische Strategie im Umgang mit ihren Verwicklungen in die Neonazi-Szene zu verdanken haben. Einer weiteren Festsetzung von Hardt und seinem Anhang in Gaarden muss daher umso dringlicher entgegen gewirkt werden, wobei die konkrete Vorgehensweise der Gemengelage entsprechend wohlüberlegt sein sollte. Die Kampagne “An die Substanz!” bietet einen Rahmen, in dem antifaschistische Arbeit nicht nur gegen “PLS”, sondern gegen alle anderen zahlreichen Objekte neonazistischer Infra- und Geschäftsstruktur in Schleswig-Holstein, auch in den kommenden Wochen ausdrücklich auch eigeninitiativ stattfinden kann. Dazu sind alle Antifaschist_innen herzlich und mit Nachdruck eingeladen.
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Ergänzungen

Redebeitrag "Support Wear"

Andy Substanz 02.09.2013 - 11:55
Liebe Leute,

wir radeln gerade mit einer Fahrradkarawane kreuz und quer durch Kiel, um dem Anliegen der antifaschistischen Kampagne "An die Substanz! Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!” an wohlüberlegt ausgewählten Orten Gehör zu verschaffen. Dieses Anliegen besteht darin, in Anbetracht der Existenz zahlreicher rechter Rückzugsräume und Geschäfte in Kiel und ganz Schleswig-Holstein, auf diese hinzuweisen, sie auf diese Weise aus der Deckung zu holen und sie langfristig anzugehen. Denn auch, wenn die Parteien und sonstigen öffentlich auftretenden Organisationen der rechten Szene hier in der Gegend in den letzten Jahren nur geringe Aktivität entfalten konnten und personell stark angeschlagen sind, ist es dem braunen Sumpf dennoch möglich, innerhalb dieser vielseitigen Infrastruktur ideologisch und kulturell zu überwintern. So ist u.a. auch zu erklären, warum neo-faschistische Parteien bei den letzten Kommunalwahlen vor wenigen Monaten in Schleswig-Holstein trotz de facto nicht erfolgtem Wahlkampf immerhin vier Mandate erzielen konnten. Auch der NPDler Hermann Gutsche konnte mit Unterstützung der Mettenhofer Hobby-Fußballer von "Bollstein Kiel" als Füllmasse seiner WaKB-Tarnliste wiederholt knapp ins Kieler Rathaus gewählt werden.

Doch wegen der bollsteiner Nazi-Kicker machen wir an dieser Stelle tatsächlich keine Station. Heute geht es uns vielmehr um den Versandhandel "Support Wear" von Matthias Kussin, der hier im Göteborgring in dem Hochhaus hinter uns unter dessen Privatadresse seinen Sitz hat. Die dahinter stehende Firma "MK-Service" betreibt unter Namen wie "Asathor-Auktion", "Support-Wear", "Aryan Blood Records" und "Amalek-Textilien" Produktion und Versand von Artikeln für die subkulturelle Neonazi-Szene. Die Aufmachung der Produkte und Webseiten ist gespickt mit nationalsozialistischer Symbolik und beworben wird das Geschäft auf einschlägigen Internet-Portalen wie "Altermedia". Um die Bindung an die neonazistische Kameradschaftsszene unter Beweis zu stellen, wurde in der Vergangenheit beispielsweise für den alljährlichen norddeutschen Nazi-Aufmarsch "Tag der Deutschen Zukunft" ein Sonderverkauf mit Solidaritätsbeitrag veranstaltet.
Der Name Matthias Kussin ist Kenner_innen außer in dem genannten Zusammenhang bisher nicht in Verbindung mit rechten Aktivitäten aufgefallen. Und doch verbirgt sich dahinter ein alter Bekannter: Nämlich Matthias Lehnecke, früherer NPD-Kandidat und neonazistischer Gewalttäter aus Kiel. Lehnecke betrieb vormals den "Ruf des Nordens"-Versandhandel, dessen E-Mailadresse immer noch als Kontakt von "MK-Service" genutzt wird. Mit der Heirat Melanie Kussins – ebenfalls langjährige Aktivistin des Kieler Kameradschaftsspektrums mit guten Kontakten ins Umfeld des Neumünsteraner Neonazi-Treffs "Club88" um Christiane Dolscheid, Frank Rieckmann oder Michael Denz – nahm Lehnecke den Namen seiner Frau an. Der Versandhandel "Support Wear", wie auch sein Betreiber Mathias Kussin sind somit beiderseits alter Nazi-Kack in neuem, nicht minder abstoßendem Lack.

Mathias Kussin unterstützt mit seinem Versand aktiv die regionale und bundesweite Neonazi-Szene, sowohl finanziell, als auch, indem er diese mit Kleidung und sonstigen Utensilien ausstattet und ihren Angehörigen die Hintergrundmusik zu ihrer rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Hetze und ihren immer wieder auch tödlichen Gewalttaten gegen deren Adressaten liefert. Mathias Kussin zeigt sich seit Jahren mitverantwortlich für neonazistische Politik, ohne dass er bisher in größerem Stile öffentlich damit konfrontiert wurde. Wir sind heute hier, um die Änderung dieses nicht hinnehmbaren Zustands einzuläuten und ihm die Ruhe und Anonymität zu nehmen, aus der er hier seinen braunen Dreck verbreiten kann. Wir rufen alle Mettenhofer_innen dazu auf, den Neonazi-Händler Mathias Kussin für sein Handeln zur Verantwortung zu ziehen und ihm das Geschäft zu vermiesen.

An die Substanz: Gegen rechte Strukturen und neonazistischen Lifestyle vorgehen!
"Support Wear" in die Pleite treiben – it’s up to you!

Redebeitrag "PLS-Werkzeuge"

Andy Substanz 02.09.2013 - 11:59
Liebe Leute,

wir sind in den letzten Stunden mit einer Fahrradkarawane kreuz und quer durch Kiel geradelt, um dem Anliegen der antifaschistischen Kampagne "An die Substanz! Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!” an wohlüberlegt ausgewählten Orten Gehör zu verschaffen. Dieses Anliegen besteht darin, in Anbetracht der Existenz zahlreicher rechter Rückzugsräume und Geschäfte in Kiel und ganz Schleswig-Holstein, auf diese hinzuweisen, sie auf diese Weise aus der Deckung zu holen und sie langfristig anzugehen. Denn auch, wenn die Parteien und sonstigen öffentlich auftretenden Organisationen der rechten Szene hier in der Gegend in den letzten Jahren nur geringe Aktivität entfalten konnten und personell stark angeschlagen sind, ist es dem braunen Sumpf dennoch möglich, innerhalb dieser vielseitigen Infrastruktur ideologisch und kulturell zu überwintern. So ist u.a. auch zu erklären, warum neo-faschistische Parteien bei den letzten Kommunalwahlen vor wenigen Monaten in Schleswig-Holstein trotz de facto nicht erfolgtem Wahlkampf immerhin vier Mandate erzielen konnten. Auch der NPDler Hermann Gutsche wurde für seine WaKB-Tarnliste wiederholt knapp ins Kieler Rathaus gewählt.

Doch warum machen wir mit unserer antifaschistischen Fahrradtour ausgerechnet mitten in Gaarden Halt? Vielen im Viertel ist es längst bekannt: Der Grund dafür liegt in der Existenz des Ladens "PLS-Werkzeuge", der im Dezember 2012 direkt hier am Vinetaplatz eröffnet hat und von bekannten Akteuren der schleswig-holsteinischen Neonazi-Szene betrieben wird. Das Ladengeschäft des eigentlichen Internetvertriebs bietet in der Regel von Montag bis Freitag ab 10 Uhr neben Gravuren vor allem Bewaffnung und Einbruchswerkzeug an. Der Hauptverantwortliche und mittlerweile auch wieder Geschäftsführer des Ladens ist Alexander Hardt aus Neumünster. Dieser bewegt sich seit Jahren z.B. als Türsteher im Umfeld des dortigen Neonazi-Treffpunktes "Club88", wurde 2008 wegen der Schändung eines jüdischen Friedhofes in Ostholstein verurteilt, war in verschiedene Rechtsrock-Musikprojekte verwickelt und zeigte sich in der Vergangenheit immer wieder verantwortlich für neonazistische Übergriffe. Zuletzt ist er zudem im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen zwischen konkurrierenden Rockergangs aufgefallen. Hardt selbst ist seit einem Umbau vor einigen Wochen seltener bei "PLS-Werkzeuge" anzutreffen, stattdessen haben Kieler Neonazis aus dem Umfeld der zunehmend inaktiven NPD-Fußtruppe "Freie Nationalisten Kiel" um Timo Räwel und Tobias Schulz die Verantwortung vor Ort übernommen. Auch die Namen der hinlänglich bekannten Neonazis Peter Borchert und Lars Bergeest tauchten schon im Zusammenhang mit "PLS-Werkzeuge" auf.

Dass sowohl Hardt als auch Räwel wiederholt versucht haben, am Vinetaplatz Anwohner_innen einzuschüchtern oder sogar anzugreifen und die Neonazis hinter "PLS" insbesondere in der jüngeren Vergangenheit öfter mit mehreren Personen Präsenz vorm Laden zeigten, hat verdeutlicht, dass von dem Laden eine reelle Gefahr ausgeht. Dass die neonazistischen Geschäftsleute auf der anderen Seite, nämlich dann, wenn es um die friedliche Koexistenz mit anderen Gewerbetreibenden am Vinetaplatz oder um potenzielle Kund_innen, also ihre wirtschaftliche Existenz geht, gern auch mal ihr rassistisches Weltbild hintanstellen, die netten Händler von nebenan mimen und per Hand-Shake die Verwurzelung im Viertel signalisieren, ist die andere Seite ihrer mehrschichtigen Strategie, im Stadtteil Fuß zu fassen. Dass die angestrebte Etablierung des Ladens in Gaarden dabei nicht so hoffnungslos ist, wie viele antifaschistisch gesinnte Anwohner_innen es sich zunächst erhofft hatten, zeigt allein die nun schon neun Monate andauernde Existenz von "PLS-Werkzeuge" und, dass sich seine Betreiber weitestgehend ungestört und teilweise offensiv am Vinetaplatz bewegen können. Und dies, obwohl Antifaschist_innen und kritische Journalist_innen bereits frühzeitig auf die Hintergründe des Ladens aufmerksam gemacht haben und der Laden mehrfach Ziel antifaschistischer Aktionen wurde. Insbesondere das deutliche Bekenntnis von über 600 Gaardener_innen, die am 4. Mai mit einer antifaschistischen Demonstration gegen den Laden auf der Straße waren, wollen wir in Erinnerung rufen

Es bleibt dabei: Neonazis bleiben Neonazis – wenigstens solange sie sich nicht glaubhaft von der Szene distanzieren. Hardt und seine Kameraden haben dies bisher zu keinem Zeitpunkt getan – darüber kann auch kein noch so netter Small-Talk am Vinetaplatz hinwegtäuschen. Sie sind und bleiben eine Gefahr für alle Menschen, die nicht in ihr rassistisches, nationalistisches und antisemitisches Weltbild passen – und derer gibt es Tausende in diesem Stadtteil. Wir sind heute hier, um auch weiterhin dafür zu sorgen, dass der Laden "PLS-Werkzeuge" nicht zur Gaardener Normalität wird, sondern umkämpft bleibt.

Wir rufen alle Gaardener_innen dazu auf, Alexander Hardt, Timo Räwel und allen anderen Neonazis um "PLS-Werkzeuge" klar zu machen, dass sie hier wie gehabt nicht willkommen sind und ihnen das Geschäft zu vermiesen.

Also: Ran an dies Substanz: Neonazis keinen Raum geben - nicht in Gaarden, nicht anderswo!
Es bleibt dabei: "PLS-Werkzeuge" muss weg! It's up to you!