Kirchenasyl - die letzte Rettung?

Dietmar Buttler 18.12.2011 22:25 Themen: Globalisierung Indymedia Medien Print Repression
Dem junge somalischer Flüchtling Abdi M.,der nach einem sechswöchigen Kirchenasyl in der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Beverstedt vorerst in Deutschland bleiben darf und hier zur Zeit ein Asylverfahren durchläuft, könnte bei eventueller Ablehnung die Abschiebung nach Somalia drohen. Abdi M. floh über Lybien Malta und Schweden nach Deutschland.
Der Entwurf einer neuen Verordnung des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann zur Arbeit der niedersächsischen Härtefallkommission stößt in diesem Zusammenhang bei Kirchen und den Parteien der Landtagsopposition jedenfalls auf starke Kritik. Die Härtefallkommission kann aus humanitären Gründen Ausländern ein Bleiberecht geben, wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist. Laut Entwurf soll nun zukünftig die Härtekommission Menschen, die im Kirchenasyl Schutz vor drohender Abschiebung gesucht haben, erst gar nicht mehr zum Gremium zulassen. In den Kirchen hat man mittlerweile grundsätzlich Zweifel an der Mitarbeit in der Kommission.

Der Kirchengemeinde Beverstedt und der Hagener Flüchtlingsinitiative ist es zu verdanken, dass der somalische Flüchtling Abdi M. vorläufig in Deutschland bleiben kann und hier überhaupt zum Asylverfahren zugelassen wurde. Mit einem entsprechenden Schreiben hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt, dass die Zuständigkeit für das Asylverfahren des somalischen Staatsbürgers wegen Ablaufs der Überstellungsfrist von Malta auf Deutschland übergegangen ist. Abdi M. konnte daher das Kirchenasyl verlassen. Pastor Martin Krarup hierzu:"Uns ist es wichtig festzuhalten, dass ein Asylantrag Abdi M. keineswegs abgelehnt war. Vielmehr durchläuft er erst jetzt sein reguläres Asylverfahren."

Die vom Cuxhavener Kreis-Ordnungsamt angekündigte Abschiebung des somalischen Flüchtlings und sollte eigentlich ohne eine Prüfung seiner Asylgründe bis zum 23. September im Rahmen des Dublin II Verordnung der Europäischen Union nach Malta erfolgen, Abdi M`s erster Station in Europa nach seiner Flucht aus Somalia. Aufgrund der haarsträubenden Bedingungen in den Flüchtlingsaufnahmelagern von Malta hatte sich die Kirchengemeinde Beverstedt auf Vermittlung der Hagener Flüchtlingsinitiative jedoch dazu entschieden, mit einer Petition den deutschen Bundestag um eine Überprüfung dieser Entscheidung zu bitten, und dem Flüchtling bis dahin Schutz zu gewähren. Der Kirchenvorstand konnte sich dabei nicht nur auf die Berichte von Menschenrechtsorganisationen , sondern auch auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen stützen.

Pastor Martin Krarup hierzu:"Der Hagener Unterstützerkreis ist mit der Bitte um Kirchenasyl für Abdi M. an uns herangetreten. Dass wir nach reiflicher Überlegung einem Kirchenasyl schließlich zugestimmt haben, geschah mit Blick auf den Gesundheitszustand des Flüchtlings und auf die katastrophale Situation für Flüchtlinge auf Malta, wohin er überstellt werden sollte. Das Problem ist, dass Malta aufgrund der vielen Flüchtlinge seine Verpflichtungen nicht mehr erfüllen kann und dorthin nach Meinung auch offizieller Stellen bis auf weiteres nicht abgeschoben werden dürfte." Mit großer Geste hatte schon Bundesinnenminister Friedrich zum internationalen „Tag des Flüchtlings“ am 20. Juni 2011 angekündigt, Malta durch die Aufnahme von 150 Flüchtlingen zu „entlasten“, da die Insel mit der Aufnahme von Flüchtlingen überfordert sei.

Das nach einer eventuellen Ablehnung seines Asylantrages Abdi M. nach Somalia, einer ausgewiesenen Krisenregion, abgeschoben werden könnte, ist für Pastor Krarup aus humanitären Gründen kaum vorstellbar. Er kann aber auch er die deutlichen Worte, die u. a. der Hamelner Superintendent Philipp Meyer über die geplante neue Verordnung des niedersächsischen Innenministers gefunden hat, sehr gut nachvollziehen. Philipp Meyer, der als Vertreter der evangelischen Kirchen in der Kommission sitzt:" Zwar hat Innenminister Uwe Schünemann (CDU) dementiert, dass es in der geplanten neuen Verordnung um das Kirchenasyl geht. In dem Papier wird allerdings das Kirchenasyl de facto mit einem „Untertauchen“ der Ausreisepflichtigen gleichgesetzt. Dies wiederum soll ein Ausschlussgrund sein, die Härtefallkommission anzurufen. Das Kirchenasyl ist kein Untertauchen, der Aufenthalt der Betroffenen ist den Behörden jederzeit bekannt. Es ist deren Entscheidung, nicht in den Kirchenraum einzudringen und die Abschiebung durchzusetzen."

Die Innenminister der Länder können nach dem seit 2005 geltenden Zuwanderungsrecht Härtefallkommissionen für Flüchtlinge berufen. Diese beraten darüber, ob abgelehnten Asylbewerbern oder ausreisepflichtigen Flüchtlingsfamilien in Einzelfällen aus dringenden humanitären oder persönlichen Gründen dennoch ein Aufenthaltsrecht in Deutschland gewährt werden sollte. Innenminister Schünemann scheint hier am Plan festzuhalten, die Aufnahme ins Kirchenasyl zum Ausschlusskriterium zu machen. sein Ministerialrat Paul Mittelbeck erklärte Anfang Dez. 2011: Es gehe darum, keine Menschen zur Härtekommission zuzulassen, die sich einem Abschiebetermin entzogen haben - ob nun durch Untertauchen oder im Kirchenasyl. Dies könnte laut Superintendent Meyer eventuell bei einer Ablehnung seines Antrages formal auch auf Abdi M. zutreffen. Meyer: „Wir wollen nicht, dass die Situation für die Betroffenen noch schwieriger wird . Der den Kommissionsmitgliedern vorliegende Entwurf deutet aber genau darauf hin."

Die evangelischen Kirchen in Niedersachsen stellt zur Zeit ihre Mitarbeit in der Härtefallkommission auf den Prüfstand, ein bundesweit einmaliger Vorgang.
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