Krankenhäuser werden für den Krieg verplant

Wieland von Hodenberg 05.09.2013 13:24 Themen: Militarismus Repression Soziale Kämpfe
Die Militarisierung im Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren immer weiter fortgeschritten. Die Bundeswehr hat inzwischen mit zahlreichen Krankenhäusern Kooperationsverträge abgeschlossen.
So mit dem Uni-Klinikum Tübingen, den Krankenhäusern Karlsruhe, Sindelfingen, und mit vielen anderen mehr. Selbst die Berliner Charité blieb nicht verschont. Hier wurde eigens für die Streitkräfte ein Neubau mit 400 Betten angegliedert.

Mit über 26 Kliniken gibt es bereits Verträge, wobei deutlich wird, dass es die Bundeswehr in erster Linie auf die hoch spezialisierten Krankenhäuser abgesehen hat. In Baden-Württemberg sind acht Kliniken betroffen, und in Norddeutschland sind das Uni-Klinikum in Hamburg-Eppendorf, sowie ein Krankenhaus im Ammerland Vertragspartner der Bundeswehr.
Auf ihrer Hochglanz-Homepage verharmlosen die Streitkräfte ihre Zusammenarbeit allerdings dreist und verlogen wie einen völlig normalen Vorgang.

In Wahrheit wird die Verplanung der Kliniken für den Krieg akribisch weiter vorangetrieben. Auch das Bremer „Rotes Kreuz Krankenhaus“ gehörte anfangs dazu und war ebenfalls betroffen – aber dazu später mehr.

Die Partnerschaftsverträge sind Folge einer gemeinsamen Erklärung zwischen dem Kriegsministerium und der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur zivil-militärischen Zusammenarbeit. Diese Rahmenvereinbarung wurde heimlich und unbemerkt von der Öffentlichkeit abgeschlossen. Sie sieht den umfangreichen Austausch von Personal und hoch entwickeltem medizinischen Know-How zwischen Lazarettkomplexen der Bundeswehr und zivilen Spezialkliniken vor. Die Kooperationsvereinbarung wurde als Basisvertrag ganz bewusst am 22.04.1999 während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien im Hinblick auf die nachfolgenden Kriege abgeschlossen.

Hier einige Passagen daraus:

"Eine enge Zusammenarbeit schon zu Friedenszeiten in Fragen der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie die gemeinsame Nutzung von Material und Gerät bilden die Grundlage für eine derartige Kooperation. Das Zusammenwirken zivilen und militärischen Personals, welches sich in seinen individuellen Fähigkeiten kennt und mit vertrautem Gerät arbeitet, schafft zudem die Basis für die Kooperation im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung. Die Vertragsparteien streben eine gegenseitige, ausgewogene Bereitstellung der Leistungen an. Unbeschadet der generellen Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung hat dieser Rahmenvertrag die gemeinsame klinische Versorgung von zivilen und militärischen Patienten in einem Verbund zwischen zivilem Krankenhaus und militärischer Reservelazarettgruppe (ResLazGrp) im Falle der Landes- und Bündnisverteidigung zum Ziel. Es besteht Einvernehmen, diese Zusammenarbeit im Sinne einer gleichberechtigten Partnerschaft zu gestalten."

Hinter diesem Vetragskauderwelsch verbirgt sich die Tatsache, dass die enge Zusammenarbeit bereits im Frieden eine Arbeitsgrundlage für die gegenwärtigen und künftigen Kriegszeiten bedeutet. Die Krankenhäuser und ihre Bediensteten sind Teil der fortschreitenden Verplanung des Gesundheitswesens und damit der Entstehung einer immer perfekteren Kriegsmaschinerie geworden. Dabei sind gerade hier viele Menschen beschäftigt, die sich bewusst für eine nichtmilitärische und humanitäre Aufgabe entschieden haben und trotzdem gegen ihren Willen in die Mühlen der Kriegsvorbereitung geraten. Es droht eine völlige Vereinnahmung der Vertragskliniken durch die Bundeswehr. Die Militärs begründen dies folgendermaßen:

„Unter Berücksichtigung der zu erwartenden traumatischen Akutversorgung (wobei äußere Verletzungen gemeint sind) sollten geeignete zivile Krankenhäuser bestimmte Kriterien erfüllen. Sie sollten über spezifische Fachgebiete wie Orthopädie, Urologie, Neurochirugie, Mund- und Kieferchirurgie verfügen.“

Wie bereits erwähnt, geriet hier in Bremen auch das „Rotes Kreuz Krankenhaus“ ins Visier der Bundeswehr. Das RKK gilt als eine der wenigen speziellen Schmerzbehandlungskliniken von Rang in der BRD. Solche Schwerpunkte entsprechen den Kriterien für „kriegswichtige Krankenhäuser“.

Ende November 2000 war zwischen der damals noch bestehenden Delmenhorster Lazarettgruppe und der Klinik ein sogenannter Partnerschaftsvertrag abgeschlossen worden. An der Vertragsunterzeichnung war auf Seiten der Bundeswehr der damalige Brigadegeneral Horst Lemke aus Hannover, sowie der frühere Bremer Kommandeur des Verteidigungsbezirkskommandos 20, Oberst Dirk von Grone, beteiligt. Für das RKK unterzeichneten der Vorsitzende des Kuratoriums, Walter Bremermann; für den Vorstand Angelika Alke und Dr. Friedenmann Osmers, sowie Verwaltungsdirektor Dr. Horst Hinderlich.

Der Personalrat wurde allerdings bei Vertragsverhandlungen übergangen und von der Klinikleitung über die Folgen des Vertrages nicht informiert. Der Wortlaut dieser „Gemeinsamen Erklärung“ zwischen Krankenhaus und Lazarettgruppe wurde der Belegschaft lange Zeit vorenthalten, was für erhebliche Unruhe sorgte. Über ähnliche Erfahrungen konnte die Informationsstelle Militarisierung (IMI) auch bei den anderen Vertragsabschlüssen berichten. So wurden die Betriebsräte der betroffenen Kliniken, obwohl auf das Personal wesentliche Einwirkungen zukommen, im Vertragsverfahren nicht angehört.
Unter Umgehung aller demokratischen Spielregeln sind vollendete Tatsachen geschaffen worden, indem sich die Krankenhäuser verpflichteten, für die Soldaten im Sanitätsdienst Ausbilderinnen und Ausbilder zur Verfügung zu stellen. Festgeschrieben wurde auch, dass ziviles Personal zu den klinischen Einrichtungen der Bundeswehr abkommandiert werden kann und umgekehrt. Die Militärs versuchen, dergestalt Einfluß auf die Arbeitsverträge mit den Beschäftigten zu nehmen, damit diese einem Einsatz in einem Bundeswehrkrankenhaus nicht mehr widersprechen können.

Danach soll das zivile Personal von Militärärzten Befehle entgegennehmen können. Aus einem auch knapp besetzten Pflegeteam kann der einzelne Mitarbeiter mitsamt technischem Gerät innerhalb von sechs Stunden abkommandiert werden. Gerechtfertigt wird dies alles mit der Behauptung, das vorhandene klinische Personal sei im Falle der „Landes- und Bündnisverteidigung“ optimal für die Versorgung aller – Soldaten wie Zivilisten – effektiv und zum beiderseitigen Vorteil nutzbar. Genau dies wurde von der Bremer Klinikleitung auch immer behauptet.

Damals fanden vor dem Krankenhaus mehrere Mahnwachen und Flugblattaktionen statt, zu denen Bremer Friedensgruppen aufgerufen hatten. Zu dieser Zeit entstand auch der Aufruf „Wir sagen Nein zur Militarisierung des Gesundheitswesens“, den viele Menschen unterzeichnet hatten.Ich informierte mich mehrmals beim Betriebsrat über die Stimmung im Haus und über die Auswirkungen der auf den Klinikalltag. Die Klinikleitung bestritt allerdings auf Nachfrage energisch, dass es für die Belegschaft irgendwelche Probleme oder Nachteile durch die Bundeswehr gebe.

Im Mai 2001 fand im RK-Krankenhaus eine Personalversammlung statt, auf der sich die Beschäftigten mit den Konsequenzen aus dem Vertrag auseinandersetzten. Damals wurde ein neuer Verwaltungsdirektor eingesetzt, und ein junger Bundeswehrarzt schloß eine Ausbildung im Hause ab. Doch als die Delmenhorster Lazarettgruppe vor einigen Jahren im Zuge von Standortschließungen aufgelöst wurde, legte die Bundeswehr ihre Aktivitäten mit dem RK-Krankenhaus erst einmal auf Eis.

Wir werden allerdings auch in Zukunft die weitere Entwicklung aufmerksam beobachten.
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Ergänzungen

Gute Idee!

Autor 06.09.2013 - 06:59
Wird gemacht. Wir sind froh uber diese Anregungen. Weitere Nachforschungen zu machen und über Offenen Kanal zusätzlich Öffentlichkeit herzustellen ist sehr gut. Danke!

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 2 Kommentare an

jede*r mal zuhase fragen — stadtkind

Christopher — egal