Krisenproteste zwischen Blockaden + Tarifrund

lesender arbeiter 28.02.2012 02:58 Themen: Soziale Kämpfe
Frankfurt/Main soll in den nächsten Wochen zum Schauplatz mehrerer
antikapitalistischer Aktionstage werden. Der Erfolg wird auch davon
abhängen, ob die Zusammenarbeit mit dem Gewerkschaften gelingt. Damit sind allerdints nicht in nur die DGB-Gewerkschaften gemeint, sondern alle kämpferischen Kolleg_innen.
Ein Demonstrant sucht inmitten eines großen Polizeiaufgebots intensiv im
Stadtplan nach dem Ort, an dem sich seine Gruppe zum Protest verabredet
hat. Dieses Foto von Julian Röder aus seiner Reihe „Gipfelproteste“ ist
zur Zeit in der ersten Etage des Kunstverein in Frankfurt in der
Ausstellung „Demonstrationen“ noch bis zum 25. März zu sehen. Nur wenige
Tage später, am 31. März, dürften sich die von Röder in Genua und
Heiligendamm festgehaltenen Szenen direkt in Frankfurt wiederholen. An
diesem Tag beginnt der erste von mehreren Aktionstagen, mit denen linke
Gruppen auf die EU-Krise reagieren wollen.

Am vergangenen Wochenende wurde die Protestagenda auf einer dreitätigen
Konferenz in Frankfurt festgelegt. Für den von
Basisgewerkschaftler_innen und zahlreichen linken Gruppen in sieben
europäischen Ländern organisierten antikapitalistischen Aktionstag am
31. März ( http://march31.net/de/) wird schon seit Wochen geworben. Ziel
einer bundesweiten Demonstration ist der Neubau der Europäischen
Zentralbank (EZB) zwischen Osthafen und Mainufer.

Die aktuelle EZB-Zentrale am Willy Brand-Platz soll das Ziel von
antikapitalistischen Protesttagen vom 17. bis 19. Mai
( http://www.european-resistance.org/) werden. Geplant sind Besetzungen
von zentralen Anlagen und Plätze in Frankfurt. Für den 18. Mai wird zu
Blockaden der EZB und anderer Banken aufgerufen. Eine
Großdemonstration am 19. Mai soll Höhepunkt und Abschluss der
Aktionstage sein.

Der Widerstand soll sich sowohl Ende März als auch Mitte Mai gegen die
nach Meinung der OrganisatorInnen maßgeblich von der Bundesregierung
vorangetriebenen Sparpakete richten, die die Troika aus Europäischer
Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds IWF
Griechenland und anderen Ländern der europäischen Peripherie diktiert.
Der Vorplatz der aktuellen EZB-Zentrale in der Nähe des Frankfurter
Hauptbahnhofs wird schon seit Monaten von den Occupy-Aktivisten
belagert. Während der strengen Frostperiode der letzten Wochen bekamen
sie Verstärkung von den zahlreichen Wohnungslosen, die dadurch etwas
sicherer als sonst die kalten Nächte verbringen können. Die
Occupy-Bewegung, die in Deutschland nie die Bedeutung bekam, die sie in
den USA, Griechenland oder Spanien bis heute besitzt, will am 12. Mai im
Rahmen eines internationalen Aktionstag einen Neustart versuchen. Sie
gehörte neben dem linken Bündnis Interventionistische Linke (IL), dem
Erwerbslosenforum Deutschland und der globalisierungskritischen
Organisation Attac zu den Organisatoren der Wochenendkonferenz.

Wie stehst Du zur Gewerkschaft?

Die Stuttgarter Daimler-Betriebsrätin Christa Hourani schilderte auf
einer abendlichen Diskussionsveranstaltung, dass es unter ihren
Kolleg_innen die Stimmung gibt, es sei genug auf ihre Kosten gespart
worden und daher eine offensive Tarifrunde anstehe. Die Vertreter_innen
der Interventionistischen Linken (IL) und des Ums-Ganze-Bündnis (UG),
die für die Aktionstage am 31.März und Mitte Mai stehen, betonten
unisono, dass sich die Lohnabhängigen und ihre Gewerkschaften aktiver
werden. Viel konkreter wurden allerdings beide nicht. Auch die
politischen Differenzen zwischen den beiden Bündnissen waren nach
mehrmaligen expliziten Nachfragen der Moderatorin schwer zu erkennen.

Jan vom UG-Bündnis legte einen stärkeren Stellenwert auf die
Kapitalismuskritik, stimmte aber auch Anna von der IL zu, dass sich
natürlich auch Menschen an den Protesten beteiligten sollen, die noch
keine fundierte Kapitalismuskritik entwickelt haben. Das müsste
allerdings eine Binsenweisheit sein. Denn, wer wollte denn ausgerechnet
bei einer so schwachen und so zerstrittenen linken Bewegung, wie in
Deutschland darauf setzen, dass nur die eigene politische Szene auf die
Straße gehen darf?

Wer sind die vielzitierten anpolitisierten Menschen?

Vielmehr müsste die Frage lauten, welche Möglichkeiten haben diese
anpolitisierten Menschen, sich an den Protesten zu beteiligen. Und nicht
zuletzt, àn wen wird dabei gedacht? Sind wie so oft in der radikalen
Linken damit vor allem rebellische Jugendliche und subkulturelle Szenen
gemeint, die in die Aktionen einbezogen worden?

Oder sollen explizit auch die Lohnabhängigen angesprochen werden, die
sich im Rahmen der anstehenden Tarifkämpfe politisieren? Dafür stehen
die Chancen gar nicht so schlecht. Das zeigte sich am Beginn der
Abendveranstaltung. Dort warben gegen ihre Entlassung durch eine Frankfurter Filiale der
Steakhauskette Maredo kämpfende KollegeInnen und eine Maredo-Betriebsrätin aus Niedersachsen um Unterstützung und berichteten über die ständige Schikanen, denen sie
am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, weil sie sich organisierten. DAS wären
die Menschen, die durch ihre Kämpfe im Alltag und am Arbeitslatz
politisiert werden und für die Proteste angesprochen werden müssten.

Dass es möglich zeigte die schon erwähnte abendliche
Diskussionsveranstaltung. Die Betriebsrätin Christa Hourani sagte
trotz sehr kurzer Anfrage sofort zu. Andere eingeladene
Gewerkschafter_innen sagten wegen persönlicher Verpflichtungen, nicht
aber aus politischen Gründen ab. Wäre also frühzeitig auf
Gewerkschafter_innen zugegangen worden, wäre es sicher auch möglich
gewesen, sie in die Debatte einzubeziehen. Dabei muss man nicht nur auf
die DGB-Gewerkschaften schauen. Die Gewerkschaft des Vorfeldpersonals
(GDF) hat unweit des Kongressortes mit ihrer Streikbereitschaft am
Frankfurter Airport ihre Kampfentschlossenheit gezeigt. Wäre eine
Grußadresse angesichts der medialen Hetze sowie einer
Schadenersatzklage in Millionenhöhe von drei Airlines gegen die GDF
wegen einer Streikdrohung im letzten Sommer nicht ein Zeichen der
Solidarität gewesen?

Es ist die eine Sache, Berichte über eine gelungene Kooperation zwischen
Beschäftigten und Occupy-Aktivist_innen in den USA zu bejubeln, wenn
darüber per Videoschaltung berichtet wird. Ein
konkreter Solidaritätsbeweis für die Streikenden um die Ecke hätte aber
deutlich gemacht, dass man nicht nur Kämpfe weit weg bejubelt.

Das es sich hier nicht um Einzelfälle handelt und sich im
gewerkschaftlichen Sektor etwas bewegt, zeigt auch der Aufruf der
Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zu Protesten anlässlich der
Diskussion über das griechische Sparpaket im Deutschen Bundestag am
Montagnachmittag. Dort wurde auch der Bogen zu den hiesigen
Tarifauseinandersetzungen gespannt. „Im Namen der Schuldenbremse, der
'leeren Kassen', sprechen die öffentlichen Arbeitgeber den Beschäftigten
im öffentlichen Dienst das Recht auf die Forderung nach 'kräftigen
Reallohnerhöhung' ab – und das nach jahrelangem Reallohnverzicht.“,
heißt es in dem ver.di-Aufruf. Der beim ver.di-Bundesvorstand für die
Wirtschaftspolitik zuständige Dierk Hierschel schrieb in einem
Aufsatz: „Erst wenn hierzulande die Löhne wieder kräftig steigen, haben
griechische, italienische und spanische Exporteure die Chance, mehr
Waren abzusetzen. Erfolgreiche deutsche Tarifabschlüsse sind somit auch
Ausdruck europäischer Solidarität mit den Krisenländern.“

Dass eine offensive Tarifauseinandersetzung eine vielleicht
wirkungsvollere Solidaritätsaktion mit den Kolleg_innen in der
europäischen Peripherie sein kann, als Blockaden von Bankgebäuden an
einem Brückentag, wo viele Büros gar nicht geöffnet sind, wurde
allerdings auf dem Kongress in Frankfurt kaum thematisiert. Hierin
besteht eine große Schwäche des Protestbündnisses in Deutschland. Es
wird sich zeigen, ob in den nächsten Wochen noch eine Kooperation
zwischen den Vorbereitungsbündnissen für die Aktionstage und
unterschiedlichen Gewerkschaften gelingt, die für offensive
Tarifauseinandersetzungen eintreten. Nur dann kann von der geplanten
ambitionierten Protestagenda auch ein gesellschaftliches Signal
ausgehen, das über die linke Szene hinausgeht.
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Ergänzungen

Streik am 2.Mai

Arbeiter 28.02.2012 - 15:36
Streik am 02.Mai 2012 !
Wir rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter, Angestellte und prekär Beschäftigte auf, am Mittwoch 02.Mai, nicht zu arbeiten.
Unsere Forderungen sind:
- 30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich
- Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde
- Entkriminalisierung von Schwarzarbeit
- Auflösung von Leiharbeitsfirmen
- Arbeitserlaubnisse für alle die arbeiten wollen
- Stop von Zwangsarbeit

Die Gewerkschaften handeln den Tarifvertrag aus und schlagen den Streik immer nur vor, um zu Verträgen zu kommen und nachdem die Verhandlungen in die Wege geleitet worden sind. Die Gewerkschaft ist Teil der Logik des kapitalistischen Systems, weil sie dahin tendiert, die Kampfkraft der ArbeiterInnen zwischen Beginn und Abschluß der Verhandlungen zu erschöpfen.
Jetzt ist es an der Zeit, daß wir uns unsere Rechte zurück erkämpfen.
Die deutsche Wirtschaft profitiert von der Krise in den anderen Ländern, die Menschen, die hier den Wohlstand der Eliten produzieren gehen jedoch leer aus.

Viele sind arbeitslos während andere wegen Überstunden oder langer Wege keine Freizeit mehr haben – deshalb 30 Stundenwoche!
Der Wert deiner Lebenszeit und deiner Arbeitsleistung ist höher als die paar Euro, die für eine Stunde gezahlt werden – deshalb Mindestlohn 12 Euro !
Während die Bosse in jedem Fall abkassieren, belästigen spezielle Fahndungsgruppen aus Zoll, Polizei und Arbeitsämtern unsere KollegInnen auf Baustellen, beim Putzen oder in der Gastronomie. Das muß ein Ende haben – wer arbeitet ist kein Verbrecher !
Leiharbeit ist Sklaverei – Weg damit !
Wer arbeiten will soll das auch dürfen, unabhängig von seiner Herkunft – Wer nicht arbeiten will, darf durch Jobcenter nicht dazu gezwungen werden !

Nur durch Unterbrechung der Produktion sind Arbeitgeber zu beeindrucken. Wo nichts produziert wird gibt es keine Gewinne.

Im Jahr 1994 wurde beschlossen, den Buß- und Bettag als arbeitsfreien Tag mit Wirkung ab 1995 zu streichen, um die Mehrbelastung für die Arbeitgeber durch die Beiträge zur neu eingeführten Pflegeversicherung durch Mehrarbeit der Arbeitnehmer auszugleichen.
Wenn auch nur an einem Tag die Produktion in Deutschland etwas zurück geht, schmerzt das schon die Vorstandsetagen in den Konzernen. Deshalb rufen wir Dich auf, am 02.Mai nicht zu arbeiten!

Du kannst streiken oder dich krankschreiben lassen und Du kannst dir einen Urlaubstag nehmen – egal wie, Hauptsache möglichst viele Menschen gehen an diesem Tag nicht zur Arbeit.
In anderen Ländern kämpfen die Leute mit Generalstreiks für ihre Rechte. Obwohl das in Deutschland undenkbar erscheint, kann der 02.Mai 2012 ein Schritt in diese Richtung sein.

Autonome ArbeiterInnen

Solidarität mit dem Flughafenpersonal

egal 02.03.2012 - 13:52
Pressemitteilung des Berliner M31-Bündnis:

Solidarität mit dem Arbeitskampf des Flughafenpersonals!

Die kürzlich erfolgten gerichtlichen Verbote von Arbeitskampf-Maßnahmen am Frankfurter Flughafen sind ein weiteres Zeichen der engen Auslegung des Streiksrechts durch deutsche Gerichte und eine Antwort auf kampfbereite Gewerkschafter_innnen, für die Tarifauseinandersetzungen nicht bloß ein für die Gegenseite berechenbares Ritual sind. Begleitet war das juristische Verbot von einer Kampagne von Wirtschaftsvertreter_innen, Politiker_innen und Medien, die unterstützt von DGB-Funktionär_innen, eine Einschränkung des Streikrechts vor allem bei diesen Basisgewerkschaften fordern.

In anderen europäischen Ländern, in denen bisher ein weitergehendes Streikrecht gilt, wie Spanien und Griechenland, sind Einschränkungen des Streikrechts bereits konkret geplant.

Damit soll die Durchsetzung des am Modell Deutschland orientierten Spardiktats repressiv durchgesetzt werden.
Der Ausstand der Kolleg_innen richtet sich gegen die Folgen eines kapitalistischen Krisenmodells, gegen das auch das M31-Bündnis mit dem europäischen antikapitalistischen Protesttag kämpft.

Die Berliner M31-Vorbereitungsgruppe solidarisiert sich mit dem Arbeitskampf des Flughafenpersonals und verurteilt alle Versuche, die Rechte von Gewerkschaften mit Gerichtsurteilen, Schadenersatzklagen und neuen Gesetzen einzuschränken.

Das Streikrecht wird letztlich auf der Straße und in den Betrieben verteidigt. Dazu aber ist es notwendig, dass sich Kämpfe am Arbeitsplatz mit den Protesten von Erwerbslosen, Schüler_innen, Student_innen verbinden. Der 31. März ist eine gute Möglichkeit dazu. Wir rufen dazu auf, an diesen Tag ein Zeichen gegen das kapitalistische Krisenmodell Deutschland zu setzen.

Das Streikrecht auf der Straße und am Arbeitsplatz verteidigen!
Hände weg von den Basisgewerkschaften!

Das Berliner M31-Bündnis mobilisiert zur antikapitalistischen Demonstration am 31. März in Frankfurt am Main. Die Demonstration beginnt dort um 14 h am Hauptbahnhof und führt zur Baustelle für ein neues EZB-Gebäude. Busfahrkarten für die Hin- und Rückreise nach Frankfurt zum Gesamtpreis von 20 Euro sind erhältlich bei den Buchläden
Schwarze Risse Gneisenaustr. 2, (Mehringhof), Öffnungszeiten: Mo – Fr.: 10 – 19.30 Uhr, Sa: 11 . 14 Uhr.
Red Stuff: Waldemarstr. 110; Öffnungszeiten: Mo – Fr: 14 –10 Uhr, Sa: 10 – 18 Uhr

Berliner M31-Vorbereitungsbündnis
 http://m31berlin.blogsport.de/

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Krisenanalyse — HK

... — AEN